An ihrer
Versammlung am Samstag in Biel haben die Delegierten des Dachverbandes der
Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) verlangt, dass die Fremdsprachensituation
in der Schweiz geklärt wird. Schaffen dies die Erziehungsdirektoren nicht, soll
gemäss LCH der Bund das Ruder übernehmen.
LCH-Delegierte wollen mehr Lektionen für Primarfranzösisch - dieses Fach dürfe aber nicht übertrittsrelevant sein, Bild: Peter Schneider
Was die Lehrer im Sprachenstreit verlangen, Berner Zeitung, 13.6.
Obwohl die
Bundesverfassung eine Harmonisierung des Schulwesens in wichtigen Bereichen
verlange, sei eine solche beim Sprachenunterricht nicht erreicht, kritisieren
die Delegierten. Es gebe nach wie vor kantonale Sonderlösungen einerseits, und
andererseits fehlten die notwendigen Bedingungen für einen erfolgreichen
Fremdsprachenunterricht, halten sie in einer Resolution fest.
Der Sprachenstreit
schwelt seit längerem. In mehreren Deutschschweizer Kantonen laufen
Bestrebungen, auf Primarstufe nur noch eine Fremdsprache zu unterrichten. Vor
allem in der Westschweiz ist die Empörung gross, weil in gewissen Kantonen
allenfalls der Französischunterricht auf die Oberstufe verschoben werden
könnte.
Votum
fürs Frühfranzösisch
LCH spricht sich seit
letztem Herbst ebenfalls für eine Fremdsprache in der Primarschule aus. Grund
dafür sind fehlende Voraussetzungen für zwei Frühfremdsprachen, vor allem weil
viele Kantone im Bildungsbereich sparen. Priorität hat für LCH Frühfranzösisch,
denn eine Landessprache sei mehr als eine Fremdsprache. Die zweite Fremdsprache
könne als Wahlpflichtfach unterrichtet werden.
Um Kindern und ihren
unterschiedlichen Fähigkeiten gerecht zu werden, brauche es noch weitere
Bedingungen für einen erfolgreichen Fremdsprachenunterricht, etwa mehr
Lektionen für die Fremdsprache. Zudem dürfe Französisch als erste Fremdsprache
in der Primarschule für den Sek-Übertritt nicht notenrelevant sein, heisst es
in der Resolution.
Lust
statt Frust an der Sprache
«Aus dem ursprünglich
spielerischen und notenfreien Sprachenlernen im Frühfranzösisch-Unterricht
wurde in der deutschen Schweiz vielerorts ein Promotionsfach für den Übertritt
in die Sekundarstufe», kritisieren die LCH-Delegierten.
Dadurch seien die
einfacher prüf- und belegbare Grammatik, die Orthographie und der systematische
Aufbau des Vokabulars bevorzugt worden, was nicht altersgerecht sei. LCH
fordert aber auch, dass die zweite Landessprache in der Sekundarschule nicht
abgewählt werden dürfe, wie dies derzeit in vielen Kantonen der Fall sei.
Schule
als Gesamtes wahrnehmen
Zu den
Erfolgsbedingungen zähle auch die ganzheitliche Entwicklung der Persönlichkeit,
«die insbesondere auch die musischen, handwerklichen und gestalterischen Fächer
sowie Bewegung und Sport entsprechend berücksichtigt».
Zudem braucht es in den
Augen der Lehrer und Lehrerinnen etwa Aus- und Weiterbildung in
Mehrsprachendidaktik für die Lehrkräfte oder auch Kultur- und
Sprachenaustausch. Doch dafür fehlten heute die Ressourcen.
Da Landessprachen mehr
als Fremdsprachen seien, müssten die Kompetenzerwartungen und damit die
Lehrpläne für das Lernen der Landessprachen den politischen Zielen angepasst
werden, fordern die LCH-Delegierten in ihrer Resolution.
Forderungen
an die Adresse der EDK
Die Deutschschweizer
Lehrkräfte stehen mit ihren Forderungen nicht alleine da. Sie ziehen mit ihren
Westschweizer Kolleginnen und Kollegen (SER) an einem Strang und fordern, dass
die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) ihre Anliegen ernst nimmt und berücksichtigt.
Nicht ohne Druck: Sollte
die EDK bis Anfang 2016 keine gesamtschweizerische einheitliche
Sprachenregelung finden, will LCH, dass der Bund im föderalistisch
organisierten Schulsystem das Ruder übernimmt. Der Zeitpunkt kommt nicht von
ungefähr: Noch in diesem Jahr muss die EDK die Harmonisierung der
obligatorischen Schule (HarmoS) evaluieren und Empfehlungen formulieren.
Gesetzgeberischer
Eingriff
Auch der Bundesrat
erwartet eine Lösung im Sprachenstreit. Erfüllen die Kantone den
verfassungsmässigen Harmonisierungsauftrag nicht, so ist der Bund verpflichtet,
die notwendigen Bestimmungen zu erlassen, wie ein Bericht des Bundesamtes für
Kultur (BAK) zum Thema festhält. Solange eine Koordination der Kantone
erreichbar bleibt, darf der Bund nicht eingreifen. Ob die Voraussetzungen für
eine Intervention des Bundes gegeben sind, entscheidet das Parlament.
Als mögliche gesetzliche
Regelung schlägt das BAK eine Ergänzung eines Artikels im Sprachengesetz vor,
wonach der Unterricht in der zweiten Landessprache auf der Primarstufe beginnt.
Diese Lösung lehnt sich gemäss BAK an die HarmoS-Lösung an, ohne die
Einstiegsfremdsprache, die Reihenfolge und ein bestimmtes Schuljahr für den
Beginn des jeweiligen Fremdsprachenunterrichts festzulegen. Die
Handlungsfreiheit der Kantone bliebe damit gewahrt.
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