Kindergärtnerinnen verdienen mehr, wenn sie in der Unterstufe arbeiten, Bild: Sandra Ardizzone
Gemeinden fehlen für nach den Sommerferien Kindergärtnerinnen, Aargauer Zeitung, 17.6. von David Egger
Mindestens
neun Schulen in der Region Aarau suchen noch Kindergärtnerinnen fürs nächste
Schuljahr. Damit sind sie nicht alleine, denn 40 Prozent der Schweizer
Kindergärten bekunden Mühe, alle Stellen zu besetzen. Vor allem im Aargau, wie
eine in der «Schweiz am Sonntag» veröffentlichte Umfrage des nationalen
Schulleiterverbands zeigt.
Zum
Beispiel sucht die Regionalschule Lenzburg für das kommende Schuljahr noch
jemanden, der ein 100-Prozent-Pensum übernimmt. Auch in Suhr, Gränichen,
Reinach, Möriken-Wildegg, Kölliken, Egliswil, Menziken und Aarau laufen noch
Bewerbungsfristen.
Die Lohnpolitik ist mitschuldig
Jonathan
Müller, Schulleiter im Gönhard-Schulhaus und verantwortlich für sieben
Kindergarten-Abteilungen in Aarau, hat noch ein Pensum von 19 Lektionen zu
besetzen. Keine einfache Aufgabe, wie er bestätigt: «In der Primarschule habe
ich schon alle Pensen besetzt. Für den Kindergarten sind die Bewerbungen aber
sehr dünn gesät. Manchmal erhalte ich nur zwei brauchbare Bewerbungen pro
Stelle, und das erst nach längerer Zeit.» Das Angebot an
Kindergartenlehrpersonen werde jährlich kleiner, so Müller.
Der
Grund: Viele Absolventinnen des Bachelor-Studiengangs Vorschul- und Primarstufe
arbeiten lieber als Lehrperson für die erste bis zweite Primarschulklasse. Denn
so verdienen sie mehr Geld, als wenn sie als Kindergärtnerin arbeiten – obwohl
für beide Stellen die gleiche Ausbildung nötig ist.
Ein
Blick in die kantonale Lohntabelle für Lehrer zeigt, wie stark sich die Löhne
unterscheiden. Ein Beispiel: Eine 25-jährige Kindergärtnerin verdient monatlich
5535 Franken. Ihre gleichaltrige Kollegin, mit der sie studiert hat,
unterrichtet eine 2. Primarklasse und erhält 507 Franken mehr.
Das
ist so nicht okay, befand das Aargauer Verwaltungsgericht im März 2014. Darum
schlägt der Regierungsrat dem Grossen Rat vor, die beiden Löhne anzugleichen.
Dies aber gestaffelt, sodass die Kindergärtnerinnen erst 2018 gleich viel
verdienen wie ihre gleich ausgebildeten Kolleginnen von der Primarschule. Bis
dahin werden die Schulen weiter Mühe haben, genügend Kindergärtnerinnen zu
finden. Ende Sommer soll der Grosse Rat entscheiden.
Der
Mangel an Kindergärtnerinnen besteht schon länger. Wie die az nun erfahren hat,
wurde vor drei Jahren in einer Gemeinde im Bezirk Lenzburg eine Kindergärtnerin
im Vollpensum gesucht – und keine gefunden. Als Notlösung hat die Schule die
Stelle auf fünf Personen aufgeteilt. Die Kinder hatten jeden Tag eine andere
Bezugsperson.
Auf
den Fall angesprochen, sagt Sandra Wild, Schulleiterin Kindergärten der
Regionalschule Lenzburg: «So etwas ist alles andere als optimal. Aber man kann
die Kinder nicht auf die Strasse stellen, nur weil die Regierung die
Lohnanpassung mit allen Mitteln aufschieben will.» Der Lohnunterschied wirkt
sich nicht nur auf die erste Stelle nach dem Studium aus: «Viele junge
Kindergärtnerinnen springen nach drei Jahren ab und wechseln an die Primarschule»,
so Wild.
Über 60-Jährige zurückgeholt
Die
Schule Suhr tut das seit rund drei Jahren, hat auch schon über 60-Jährige zum
Wiedereinstieg bewegt. «Diese Möglichkeit ist nun ausgereizt, uns gehen die
Ideen aus», sagt Schulleiterin Denise Widmer. Ein 100-Prozent-Pensum konnte sie
nur mit Ach und Krach besetzen: Eine Quereinsteigerin in Ausbildung übernimmt
20 Lektionen, die restlichen 8 werden auf die bestehenden Kindergärtnerinnen
verteilt. Ein kleines Pensum für Deutsch als Zweitsprache ist noch offen. «Wir
suchen seit 5 Monaten und haben 3 Bewerbungen erhalten, keine davon mit der
nötigen Ausbildung», sagt Widmer. Auch eine Verkäuferin bewarb sich. «Das
zeigt, wie die Anforderungsbedingungen falsch eingeschätzt werden.»
Dass
von den eingereichten Bewerbungen nur wenige brauchbar sind, wird von mehreren
angefragten Schulleitungen bestätigt. In Schöftland hat sich im letzten Jahr
zum Beispiel auch eine Maturandin beworben, als man eine Kindergärtnerin
suchte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen