15. Juni 2015

Didaktische Umpolung von Lehrpersonen

Postulat von Jürg Wiedemann, Grüne-Unabhängige an den Landrat Baselland. Eingereicht am 4. Juni. 


Zurzeit werden die Fremdsprachenlehrpersonen, die künftig Englisch und Französisch unterrichten, zu einer fragwürdigen Weiterbildung verpflichtet. Während 24 Halbtagen sollen sie in das Konzept der beiden neuen Lehrmittel "Mille feuilles" und "New World" eingeführt werden. Im August und September starten diverse Weiterbildungskurse. Die Kritik der Lehrpersonen sind teilweise heftig, wie das folgende exemplarische Schreiben einer Sekundarlehrerin zeigt, die seit Jahren erfolgreich und gemäss Aussagen von Schüler/-innen, Eltern und Schulleitungsmitgliedern äusserst kompetent und erfolgreich Französisch unterrichtet: "'Didaktik der Mehrsprachigkeit'; damit ist die hochgelobte Bildungsharmonisierung in Baselland um eine Farce reicher geworden. 

Fremdsprachenlehrpersonen auf der Sekundarstufe I mit Universitätsabschluss werden im Giesskannenprinzip in eine knapp 100-stündige Weiterbildung gezwungen, obwohl sie seit Jahren erfolgreich hochqualitative Arbeit im Schulzimmer oder als Praxislehrpersonen für Studierende leisten. Warum? Weil neue ideologisch geprägte Lehrmittel anstehen? Sie wären problemlos imstande, sich im Selbststudium in die vom Bildungsrat neu als allein selig machenden Lehrmittel "Mille feuilles" ("Clin d'oeil") und "New World" einzuarbeiten. Wozu also 24 Halbtage Weiterbildung? Diese neuen behördlich infiltrierten Lehrmittel folgen komplett der "Kompetenz-Ideologie": Wörter lernen, Grammatik, Systematik und Struktur werden plötzlich verteufelt, zwangloses Lernen im "Sprachbad" soll die Devise sein. Und das mit 3 x 45 Minuten pro Woche. Vielmehr geht es darum, flächendeckend dafür zu sorgen, dass sich fundierte Fremdsprachenlehrpersonen der von oben verordneten neuen Unterrichts-Ideologie zu beugen haben. (...) Und so werden trotz Finanzkrise Millionen für ein unausweichliches Bildungsfiasko verlocht, indem den Lehrpersonen (...) Bildungsfantasien eingeimpft werden sollen. Anstatt dass man die Lehrpersonen ihre Arbeit machen lässt, droht aber all denen, die dieses ideologische Umerziehungsprogramm ablehnen, ein Entzug ihrer Fremdsprachenklassen." 

Unter den Fachexperten ist die Kritik besonders heftig: Von den methodisch gefärbten Lehrmitteln "Mille feuilles" und "New World", welche den Gedanken von Harmos überstrapazieren, versprechen sich die Verfechter der "Mehrsprachigkeitsdidaktik" den Schlüssel zu einer vermeintlich neuen und erfolgsgarantierten Lehr- und Lernmethode, basierend auf folgenden Eckwerten: Keine Berücksichtigung der Rechtschreibung, kein systematischer Aufbau eines gebräuchlichen und altersgerechten Wortschatzes, kein Erlernen der Grammatik als Basisstruktur der Sprache. Immer mehr Eltern und Fremdsprachenlehrpersonen beginnen sich dahingehend öffentlich zu äussern, dass viele Primarschüler/-innen ohne zeitintensive Unterstützung der Eltern in diesem kompetenzorientierten System überfordert und frustriert sind. Auf der Strecke bleibt auch die Chancengleichheit. Kürzlich teilte eine Primarlehrerin ihren Schützlingen kurz und bündig mit: "Das "Mille feuilles" finde ich auch nicht gut", sie verwende es aber, weil sie müsse. AVS und Bildungsdirektion blenden diese Kritik offensichtlich aus. Munter sollen weiterhin alle Fremdsprachenlehrpersonen didaktisch umgepolt werden: Die nächsten - notabene Ressourcen intensiven und teuren - "Weiterbildungskurse" stehen nach den Sommerferien an. 1 lvb inform 2014/15-02, S. 26-33: http://www.lvb.ch/docs/magazin/2014_2015/02-Dezember/26_New_World_ist_kein_Ei_des_Kolumbus_LVB_1415-02.pdf 

Dabei gäbe es alternativ zahlreiche exzellente Lehrmittel aus dem englischsprachigen Raum, die unter Fremdsprachen-Lehrpersonen wegen ihrer klaren Strukturen sehr geschätzt werden. Die Lehrmittelkommission foutierte sich um Lehrmittel, die in den skandinavischen Ländern Usus sind, da sie eben nicht dogmatisch durchgeformt und blindlings einer Kompetenzorientierung folgen. Fachexperte Philipp Loretz, der an der Chichester School of English das Cambridge Certificate of Proficiency erlangte und wie wohl kein anderer die Fremdsprachenlehrmittel für das Fach Englisch beurteilen kann, bringt es auf den Punkt: "Einschlägige Lehrmittel aus dem Hause Oxford und Cambridge, welche sich seit Jahrzehnten auf dem internationalen Markt hervorragend behaupten, wurden gar nicht erst in Betracht gezogen - dies mit der lapidaren Begründung, dass sich diese Bücher an keinem Lehrplan, sondern an Zertifikaten orientierten und somit für unseren Kanton nicht in Frage kämen." 

Wir bitten den Regierungsrat, die Stornierung der oben erwähnten aufwändigen und teuren Weiterbildungskurse im Zusammenhang mit den in breiten Fachkreisen kritisierten Fremdsprachenlehrmitteln "Mille feuilles" und "New Word" zu prüfen.

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