18. Juni 2015

Datenschutz im Bildungswesen

Jede fünfte Schul-Webseite weist kritische Sicherheitslücken auf, jede vierte Gemeinde hat Probleme mit dem Datenschutz. Bruno Baeriswyl formuliert minimale Anforderungen an die Datenbearbeitung in Clouds.
Google Classroom ist nicht sicher, NZZ, 18.6. von Stefan Hotz


Teenager von heute sind Digital Natives. Sie wachsen mit den Möglichkeiten der Informatik auf und verwenden Computer sowie Smartphone selbstverständlich in der Freizeit und im Unterricht. Sie legen aber auch Wert auf den Schutz der Privatsphäre, wie der kantonale Datenschutzbeauftragte Bruno Baeriswyl in Diskussionen mit Schulklassen feststellte. Sie sind sich bewusst, dass man das Kontrollrecht über seine Daten verlieren kann und welche Gefahren dies mit sich bringt.
Wo ist die Cloud?
Unklar ist hingegen, ob sie - und natürlich auch die Erwachsenen - wissen, wie sie sich davor schützen können. Hier kommt dem Bildungswesen eine wichtige Rolle in der Aufklärung zu. Doch ausgerechnet Schulen verhalten sich oft nicht vorbildlich. Das betrifft unter anderem das Cloud-Computing, also die Auslagerung der Daten. Dabei stellt sich die Frage, wie sicher diese sind und wer sie bearbeiten kann.
Diese Punkte sind im Vertrag oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen zu regeln. Doch das ist keineswegs immer der Fall. Baeriswyl stellt in seinem Tätigkeitsbericht 2014, den er am Mittwoch präsentiert hat, klar: «Es ist undenkbar, dass ein öffentliches Organ des Kantons Zürich in den USA seine Ansprüche nach amerikanischem Recht geltend machen müsste.»
Microsoft lenkt ein
Das gilt auch für Schulen. Baeriswyl und sein Team haben im vergangenen Jahr verschiedene Produkte für die digitale Datenbearbeitung im Schulzimmer überprüft. Der Befund zum Tool Google Classroom ist eindeutig. Aufgrund der Nutzungsbestimmungen werden die Daten weltweit bearbeitet, der Gerichtsstand ist in den USA, anwendbar ist amerikanisches Recht. Auch sei intransparent, welche Daten Google an wen zu welchem Zweck weitergebe. «Aus diesen Gründen genügt <Google Classroom> den datenschutzrechtlichen Anforderungen nicht», heisst es im Bericht des Datenschützers.
Das traf bis vor gut einem Jahr auch auf das Microsoft-Programm Office 365 zu. 2014 aber erzielte Privatim, die Schweizer Vereinigung der Datenschützer, eine Anpassung der Vertragsbedingungen. Demnach speichert Microsoft die Daten in Europa (konkret in Irland oder den Niederlanden). Der Gerichtsstand ist Zürich, und es gilt Schweizer Recht. Es sei nicht gelungen, mit Google zu diesen Fragen auch nur in Verhandlungen einzusteigen, erklärte Baeriswyl. Wie weit verbreitet Google Classroom ist, weiss der Datenschützer nicht, aber es habe immer wieder Anfragen zu diesem Produkt gegeben. Rät Baeriswyl von Google Classroom ab? So könne man das nicht sagen, antwortete er. Es sei zwar möglich, alles zu verschlüsseln, aber das funktioniere vermutlich nicht.
Löchrige Websites
Sein Team hat 2014 ausserdem die Websites von Schulen überprüft. Dazu stellt der Datenschützer fest, dass die technischen Sicherheitsmassnahmen in der Regel angemessen angewandt werden. Er stiess aber auf zahlreiche Schwachstellen. In 80 Prozent der Schul-Websites waren Programmcodes eingebunden, durch die Informationen der Besucher an Google in die USA übermittelt werden. Ebenso gravierend ist, dass 20 Prozent der kontrollierten Websites kritische Sicherheitslücken aufwiesen. Das hiess in einem Beispiel, dass man ohne grossen Aufwand den Inhalt der Website hätte verändern, also etwa «Malware» über sie hätte verbreiten können. In einem anderen Fall war es möglich, von aussen auf administrative Unterlagen zuzugreifen, zum Beispiel auf schulpsychologische Gutachten.

Nicht nur Schulen haben Probleme. Nur ein Drittel der Gemeinden habe die Datensicherheit im Griff, sagte Baeriswyl. 20 bis 25 Prozent kehrten zu wenig vor, was Anlass zu Besorgnis sei. Es handle sich tendenziell zwar um kleinere Gemeinden, präzisierte er. Die Risiken für den Einzelnen blieben aber gleich gross. Für die Volksschule hat Baeriswyl ein Datenschutz-Lexikon verfasst, das alle Fragen beantwortet und den Beteiligten eine datenschutzkonforme Handhabung der Information erleichtert. Weitere Lexika sind für die Universität und die Mittelschulen in Vorbereitung. Getreu dem Motto mit doppelter Verneinung des Datenschützers: «Kein Bereich ist nicht betroffen.»

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