"Kameras als Ergänzung, nicht als Ersatz", Bild: Basellandschaftliche Zeitung
Aufsicht brauchts trotz Hightech-Bademeister, Basellandschaftliche Zeitung, 9.5. von Benjamin Wieland
Mindestens zu
zweit! Diese Regel gilt schon heute beim Schulschwimmen an vielen Primarschulen
im Baselbiet. Auch das kantonale Amt für Volksschulen empfiehlt im Minimum zwei
Begleitpersonen. In Allschwil, das die Vorgabe bereits vergangenen Sommer
umgesetzt hat, wurde nun die Idee aufgeworfen, ein Ertrinkenden-Erkennungssystem
zu beschaffen, statt externe Begleitpersonen zu bezahlen. Toni
Locher aus Riehen vertritt die Firma Jomatec, die ein derartiges
Detektionssystem vertreibt. Er hat gegen den Vorschlag aus Allschwil seine
Vorbehalte – obwohl sein Unternehmen damit viel Geld verdienen könnte.
Toni Locher, besuchen Sie nur Bäder, die ein
elektronisches Ertrinkenden-Erkennungssystem eingebaut haben?
Toni Locher: Nein. Ich habe beruflich viel mit Frei- und Hallenbädern zu tun. Aber
privat besuche ich die Bäder, die praktisch liegen, da zur Zeit im näheren
Umkreis leider solche fehlen, die mit einem Detektionssystem ausgerüstet sind.
In Zukunft könnte es mehr Bäder mit derartigen
Systemen geben: Zumindest im Baselbiet wird empfohlen, dass zwei
Betreuungspersonen das Schulschwimmen begleiten. Nun wurde im Allschwiler
Einwohnerrat der Vorschlag eingebracht, dass die Gemeinde ein elektronisches
Überwachungssystem beschaffen soll, statt eine zweite Person zu bezahlen.
Ich habe das
gelesen. Hier wird ein System gegen Aufsichtspersonen ausgespielt. Das halte
ich für gefährlich und freut mich nicht. Es geht nicht darum, einen Badmeister
gegen Elektronik einzutauschen.
Aber Ihr System würde die Aufsichtsperson
entlasten?
Ja, das in
jedem Fall – aber wie gesagt: Es geht nicht darum, Personal einzusparen.
Sie sind ein schlechter Geschäftsmann. Wenn Ihre
Produkte keine Einsparungen bringen: Weshalb braucht es sie dann?
Unsere Systeme
erhöhen die Sicherheit und unterstützen den Badmeister bei der Arbeit. Mit
ihnen ist der gesamte Bereich unter der Wasseroberfläche mit Kameras lückenlos
überwacht. Unser Detektionssystem schlägt Alarm, wenn es ein sogenanntes
Gefahrenbild erkennt, etwa einen reglosen Körper. Das bedeutet nicht, dass ein
Badmeister oder eine Aufsichtsperson das Bassin nicht mehr beobachtet und die
Zeitung lesen darf. Auf keinen Fall!
Aber die Aufmerksamkeit könnte sinken. Der
Badmeister denkt dann, er hat den Computer im Rücken als Rückversicherung.
Diesen Effekt
stufe ich als sehr gering ein. Die Badmeister sind sich ihrer Verantwortung
bewusst und sehen diese Systeme als zusätzliche Hilfe. Man kann das mit der
technischen Entwicklung beim Auto vergleichen: Heute gibt es zum Beispiel den
Spurhalte-Assistent. Das heisst aber nicht, dass man während der Fahrt auf dem
Rücksitz Znüni essen darf. Und so ist es zumindest zu einem grossen Teil den
technischen Hilfsmitteln zu verdanken, dass der Strassenverkehr immer sicherer
wird – und das, obwohl der Verkehr heute so dicht ist wie nie zuvor. Auch für
die Lehrer beim Schulschwimmen oder die Badmeister in öffentlichen Bädern wird
die Arbeit immer anspruchsvoller.
Wie meinen Sie das?
Auf einen
Lehrer beim Schulschwimmen lauern überall Ablenkungsquellen. Sie müssen Streit
schlichten, ein Kind mit einem Bobo verarzten, Schwimmhilfen holen und dann
irgendwie noch Schwimmen lehren – das alles lenkt ab. Genau in so einem
Augenblick der Unaufmerksamkeit könnte ein Kind absinken. Bei öffentlichen
Bädern gibt es das Problem, dass es immer mehr stark gefährdete Gäste gibt.
Durch die Migration aus Ländern, welche kein Schulschwimmen kennen, steigt der
Anteil der Nichtschwimmer. Aber diese Leute wollen trotzdem baden gehen an einem
heissen Sommertag, wo die Becken eh schon überfüllt sind.
Aber man hört doch, wenn jemand ertrinkt – das
fällt doch auf!
Nein. Eben
nicht in jedem Fall. Gerade Kinder ertrinken lautlos und auch Erwachsene mit
zum Beispiel einer Kreislaufschwäche. Das Bild des schreienden,
herumfuchtelnden Ertrinkenden verbreitet Hollywood, ist aber so falsch.
Die Systeme von Jomatec, die Sie vertreten, gibt es
in der Nordwestschweiz noch nicht. In verschiedenen Bädern der Schweiz sind sie
jedoch bereits eingebaut, so etwa im Hallenbad Luzern oder in den Bäderwelten
von Bad Ragaz. Wie sind die Erfahrungen dort?
Die Erfahrungen
sind sehr gut. Es wurden keine Badmeister eingespart – die braucht es
weiterhin. Die Anfangsinvestition ist zwar hoch. Man muss mit einigen
zehntausend Franken pro Becken rechnen. Doch weil die Badmeister von einer
Aufgabe entlastet sind, steigt die Sicherheit, und das ist unser Ziel. Ein
Menschenleben ist unbezahlbar.
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