10. Mai 2015

Aufsicht brauchts trotzdem

Trotz elektronischer Hilfsmittel braucht es im Schulschwimmen weiterhin Aufsichtspersonen.




"Kameras als Ergänzung, nicht als Ersatz", Bild: Basellandschaftliche Zeitung

Aufsicht brauchts trotz Hightech-Bademeister, Basellandschaftliche Zeitung, 9.5. von Benjamin Wieland


Mindestens zu zweit! Diese Regel gilt schon heute beim Schulschwimmen an vielen Primarschulen im Baselbiet. Auch das kantonale Amt für Volksschulen empfiehlt im Minimum zwei Begleitpersonen. In Allschwil, das die Vorgabe bereits vergangenen Sommer umgesetzt hat, wurde nun die Idee aufgeworfen, ein Ertrinkenden-Erkennungssystem zu beschaffen, statt externe Begleitpersonen zu bezahlen. Toni Locher aus Riehen vertritt die Firma Jomatec, die ein derartiges Detektionssystem vertreibt. Er hat gegen den Vorschlag aus Allschwil seine Vorbehalte – obwohl sein Unternehmen damit viel Geld verdienen könnte.
Toni Locher, besuchen Sie nur Bäder, die ein elektronisches Ertrinkenden-Erkennungssystem eingebaut haben?
Toni Locher: Nein. Ich habe beruflich viel mit Frei- und Hallenbädern zu tun. Aber privat besuche ich die Bäder, die praktisch liegen, da zur Zeit im näheren Umkreis leider solche fehlen, die mit einem Detektionssystem ausgerüstet sind.
In Zukunft könnte es mehr Bäder mit derartigen Systemen geben: Zumindest im Baselbiet wird empfohlen, dass zwei Betreuungspersonen das Schulschwimmen begleiten. Nun wurde im Allschwiler Einwohnerrat der Vorschlag eingebracht, dass die Gemeinde ein elektronisches Überwachungssystem beschaffen soll, statt eine zweite Person zu bezahlen.
Ich habe das gelesen. Hier wird ein System gegen Aufsichtspersonen ausgespielt. Das halte ich für gefährlich und freut mich nicht. Es geht nicht darum, einen Badmeister gegen Elektronik einzutauschen.
Aber Ihr System würde die Aufsichtsperson entlasten?
Ja, das in jedem Fall – aber wie gesagt: Es geht nicht darum, Personal einzusparen.
Sie sind ein schlechter Geschäftsmann. Wenn Ihre Produkte keine Einsparungen bringen: Weshalb braucht es sie dann?
Unsere Systeme erhöhen die Sicherheit und unterstützen den Badmeister bei der Arbeit. Mit ihnen ist der gesamte Bereich unter der Wasseroberfläche mit Kameras lückenlos überwacht. Unser Detektionssystem schlägt Alarm, wenn es ein sogenanntes Gefahrenbild erkennt, etwa einen reglosen Körper. Das bedeutet nicht, dass ein Badmeister oder eine Aufsichtsperson das Bassin nicht mehr beobachtet und die Zeitung lesen darf. Auf keinen Fall!
Aber die Aufmerksamkeit könnte sinken. Der Badmeister denkt dann, er hat den Computer im Rücken als Rückversicherung.
Diesen Effekt stufe ich als sehr gering ein. Die Badmeister sind sich ihrer Verantwortung bewusst und sehen diese Systeme als zusätzliche Hilfe. Man kann das mit der technischen Entwicklung beim Auto vergleichen: Heute gibt es zum Beispiel den Spurhalte-Assistent. Das heisst aber nicht, dass man während der Fahrt auf dem Rücksitz Znüni essen darf. Und so ist es zumindest zu einem grossen Teil den technischen Hilfsmitteln zu verdanken, dass der Strassenverkehr immer sicherer wird – und das, obwohl der Verkehr heute so dicht ist wie nie zuvor. Auch für die Lehrer beim Schulschwimmen oder die Badmeister in öffentlichen Bädern wird die Arbeit immer anspruchsvoller.
Wie meinen Sie das?
Auf einen Lehrer beim Schulschwimmen lauern überall Ablenkungsquellen. Sie müssen Streit schlichten, ein Kind mit einem Bobo verarzten, Schwimmhilfen holen und dann irgendwie noch Schwimmen lehren – das alles lenkt ab. Genau in so einem Augenblick der Unaufmerksamkeit könnte ein Kind absinken. Bei öffentlichen Bädern gibt es das Problem, dass es immer mehr stark gefährdete Gäste gibt. Durch die Migration aus Ländern, welche kein Schulschwimmen kennen, steigt der Anteil der Nichtschwimmer. Aber diese Leute wollen trotzdem baden gehen an einem heissen Sommertag, wo die Becken eh schon überfüllt sind.
Aber man hört doch, wenn jemand ertrinkt – das fällt doch auf!
Nein. Eben nicht in jedem Fall. Gerade Kinder ertrinken lautlos und auch Erwachsene mit zum Beispiel einer Kreislaufschwäche. Das Bild des schreienden, herumfuchtelnden Ertrinkenden verbreitet Hollywood, ist aber so falsch.
Die Systeme von Jomatec, die Sie vertreten, gibt es in der Nordwestschweiz noch nicht. In verschiedenen Bädern der Schweiz sind sie jedoch bereits eingebaut, so etwa im Hallenbad Luzern oder in den Bäderwelten von Bad Ragaz. Wie sind die Erfahrungen dort?
Die Erfahrungen sind sehr gut. Es wurden keine Badmeister eingespart – die braucht es weiterhin. Die Anfangsinvestition ist zwar hoch. Man muss mit einigen zehntausend Franken pro Becken rechnen. Doch weil die Badmeister von einer Aufgabe entlastet sind, steigt die Sicherheit, und das ist unser Ziel. Ein Menschenleben ist unbezahlbar.


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