Für Lehrlinge ist Französisch meist unnötig, NZZaS, 5.4. von René Donzé
Erstmals haben die Berufsorganisationen und der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) einheitlich definiert, welche Anforderungen ihre Berufslehren an die Lehrlinge stellen. Damit lassen sich die Lehren untereinander vergleichen. Eine Auswertung des SGV für die «NZZ am Sonntag» zeigt nun, welche Berufe die höchsten und welche die niedrigsten Anforderungen an ihre Lehrlinge stellen - sowohl im Durchschnitt als auch nach Fachbereichen.
Mehr noch: Die Aufstellung belegt, dass bei etwa 60 Prozent aller Berufslehren, inklusive der Anlehren, keine Fremdsprachenkenntnisse gefragt sind. Dies bestätigt Walter Goetze, Leiter des Büros für Bildungsfragen, der die Profile und Listen zusammengestellt hat. Für die Deutschschweiz bedeutet dies, dass bloss bei etwa 40 Prozent aller Lehrberufe Französisch oder Englisch gefragt ist. Da sich darunter allerdings so beliebte Berufe wie Kaufmann, Detailhandelsangestellter und Fachfrau Gesundheit befinden, müssen dennoch etwas mehr als die Hälfte (rund 60 Prozent) aller Lehrlinge Fremdsprachen lernen.
Der hohe Anteil der Berufe ohne Fremdsprachen ist politisch brisant, weil verschiedentlich schon die Möglichkeit, Französisch an der Oberstufe abzuwählen, gefordert wurde, damit sich die Schüler auf die für ihren Beruf wesentlichen Fächer konzentrieren können. Im letzten Jahr etwa ist ein entsprechender Vorstoss im Zürcher Kantonsrat abgelehnt worden. Die nun vorliegende Liste könnte solchen Anliegen wieder Auftrieb geben.
Die Profile sollen den Schülern helfen, möglichst passende Lehrstellen zu finden. Damit könnte die Abbruchquote gesenkt werden, die je nach Branche bei bis zu 30?Prozent liegt, hofft SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler. Er sagt: «Wenn der Informationsstand höher ist und das letzte Schuljahr vermehrt als gezielte, schulische Vorbereitung auf die Lehre genutzt wird, sollten sich die Abbrüche reduzieren lassen.»
Lehrerverbandspräsident Beat Zemp warnt hingegen vor einer zu engen schulischen Fokussierung auf die Anforderungen der Berufswelt. Eine Abwahl von Fächern, etwa einer Fremdsprache, wäre problematisch: «Man weiss nie, ob es mit einer Lehre klappt und welche Kompetenzen man eventuell später noch benötigt.»
Die Kantone Aargau, Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Solothurn wollen einheitliche Eignungstests für ihre Schüler aufbauen, die sich auf diese Anforderungsprofile abstützen. Erarbeitet werden sie am Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich. Auch andere Kantone haben Pläne in diese Richtung.
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