Zumikon wehrt sich gegen altersdurchmischtes Lernen, NZZ, 28.2. von Christina Neuhaus
Fast jedes zweite Kind aus Zumikon hat mit 19 Jahren die Matura
absolviert. Mit einer Gymnasialquote von 41,2 Prozent nimmt Zumikon in der
jüngsten Statistik der Zürcher Bildungsdirektion den zweiten Platz ein. Noch
höher ist der Anteil an Gymnasiasten nur noch in der Nachbargemeinde Zollikon,
wo 44 Prozent aller Schüler das Gymnasium besuchen. Im Vergleich mit anderen
Schulgemeinden fällt Zumikon aber nicht nur wegen dieses Spitzenwerts auf.
Auffällig häufig ist die Schule auch Mittelpunkt von Auseinandersetzungen:
Bereits 2007 hatten erboste Eltern den Rücktritt der gesamten Schulpflege
gefordert, im vergangenen Sommer sorgte dann das altersdurchmischte Lernen für
Widerstand (NZZ 8. 7. 14). Ein Elternkomitee, das die Rückkehr zum
Jahrgangsunterricht forderte, sammelte im Nu über 1000 Unterschriften.
Lernen mit Gehörschutz
Folgen hatte die Aktion
allerdings kaum. Die Schulleiterin, die das altersdurchmischte Lernen
propagiert hatte, verlässt zwar die Schule, die Schulpflege hält aber am
kritisierten Modell fest. Die Kritik der Eltern sei zwar zum Teil berechtigt,
befand die Behörde. Die Probleme seien allerdings weniger auf das gewählte
Schulmodell zurückzuführen als auf organisatorische und kommunikative
Schwächen. Für altersdurchmischte Klassen sprechen aus Sicht der Schulpflege
die Erkenntnisse einer Studie, die ihnen vor allem im sozialen Bereich Vorteile
bescheinigt: Die Team- und Sozialkompetenz werde gefördert, die Kinder seien
selbständiger, und es herrsche weniger Leistungsdruck. Für den schulischen
Erfolg der Kinder sei das Modell dagegen weder förderlicher noch schädlicher
als der herkömmliche Unterricht in Jahrgangsklassen.
Vonseiten der Eltern
wurde dagegen moniert, dass der hochkomplexe Systemwechsel zu einer höheren
Belastung der Lehrer und Schüler geführt habe und das Klima an der ganzen
Schule belaste. Einer der Hauptkritikpunkte ist der markant höhere Lärmpegel an
Schulen, wo altersdurchmischtes Lernen praktiziert wird: Ein
Leserbriefschreiber aus Zumikon befand jüngst, die Kinder könnten sich nicht
einmal mit den zur Verfügung gestellten Gehörschutzgeräten richtig
konzentrieren, so gross sei das Tohuwabohu in den Schulzimmern.
Mehr Transparenz
Tatsächlich ist die
Schule Zumikon ein halbes Jahr nach den Protesten noch nicht zur Ruhe gekommen.
Das nach wie vor aktive Petitionskomitee erhält die Forderung nach einer
Rückkehr zu Jahrgangsklassen nach wie vor aufrecht. In diesen Tagen hat es eine
Website aufgeschaltet, die Betroffenen und Interessierten als Forum dienen
soll. Gleichzeitig hat es in alle Haushalte Flugblätter verteilen lassen. Fünf
Jahre Erfahrung mit dem altersdurchmischten Lernen hätten gezeigt, dass sich
das Unterrichtsmodell «im soziokulturellen Umfeld von Zumikon» nicht
erfolgreich umsetzen lasse, schreibt das Komitee.
Kritisiert werden von
betroffenen Eltern die Qualität des Unterrichts und die Unruhe in den Klassen.
Zwar gebe es Lehrer, die problemlos mehrere Jahrgänge gleichzeitig unterrichten
könnten, viele hätten aber Mühe mit der anspruchsvollen Aufgabe, weshalb sich
der Unterricht schulisch am unteren Rand der jeweiligen Niveaus bewege. Vertiefung
und Förderung kämen zu kurz, viele Kinder bekundeten beim Schulübertritt an das
Gymnasium oder die Sekundarschule deshalb Mühe.
Neben der Rückkehr zu
Jahrgangsklassen ist ein weiteres Ziel der Eltern die verbesserte Kommunikation
zwischen Schulleitung, Behörden und Eltern. Laut Beat Schütz, dem
Medienbeauftragten des Komitees, setzt man diesbezüglich grosse Hoffnungen auf
den neuen Schulleiter. Gleichzeitig müsse aber auch der Austausch mit den
Behörden verbessert werden. So seien zwar verschiedentlich Elternbefragungen
durchgeführt, die Resultate aber nie publiziert worden. Dasselbe gelte für
schulische Massnahmen. Die Entscheidung der Schulbehörde für das Festhalten am
Modell des altersdurchmischten Lernens beispielsweise müsse für die Eltern nachvollziehbar
sein, sagt Schütz. Nur mit Transparenz lasse sich das Vertrauen der Eltern in
die Schule wieder stärken.
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