21. Februar 2015

Verbandelte Lehrerorganisationen

Angesichts der bevorstehenden Umsetzung des Lehrplans 21 und der verschiedenen hängigen Volksabstimmungen zu Sprachen- und Lehrplanfragen stellt sich die Frage, wen die verschiedenen Lehrerorganisationen überhaupt vertreten: die Lehrerschaft oder das Departement. Schön zeigt sich diese Verbandelung am Beispiel von Graubünden: Kritische Stimmen von Mitgliedern sind im Verbandsorgan, dem Bündner Schulblatt, seit längerem nicht mehr zu lesen. Ja mehr noch: Sie werden zensuriert oder landen im Papierkorb. Auch die Basler Schulszene kann mit interessanten Lehrbeispielen aufwarten. Dort gibt es parallel zwei Lehrerorganisationen - eine unabhängige und eine offizielle. Zweitere soll gemäss Aussage eines prominenten Grossrats "gekauft" sein. 
Lehrerverband wehrt sich gegen Vorwürfe, Basler Zeitung, 20.2. von Franziska Laur


Eine Lehrerin ärgert sich. Sie wollte eine Auskunft von ihrem Verband, der Freiwilligen Schulsynode Basel-Stadt, (FSS). Doch als sie erfährt, dass deren Geschäftsleitung vollumfänglich auch in der Kantonalen Schulkonferenz (KSBS) vertreten ist, verliert sie das Vertrauen. Eine Gewerkschaft, die so eng mit der kantonalen Schulverwaltung zusammenarbeitet, könne kaum unabhängig sein, sagt sie.
«Die Geschäftsleitung ist auf diese Weise stark in der Bildungsverwaltung eingebunden. Ich würde sogar sagen, sie ist gekauft», sagt auch SP-Grossrat und Gymnasiallehrer Daniel Goepfert.Er kritisiert diese Verbandelung seit längerer Zeit. Tatsächlich gilt in anderen Nordwestschweizer Kantonen eine andere Praxis. So sind etwa im Kanton Baselland die Geschäftsleitungsmitglieder des Lehrerverbands (LVB) nicht gleichzeitig Amtsträger der Amtlichen Kantonalkonferenz (AKK). Beide Gremien nähmen jedoch zu bildungspoltischen wie pädagogischen Fragen Stellung, sagt LVB-Präsident Roger von Wartburg. «Manchmal ist man sich einig, manchmal nicht.»
«Wie können denn die Meinungen unterschiedlich sein?», fragt sich Beat Siegenthaler, Präsident der FSS. In Basel jedenfalls seien fast alle Lehrpersonen in beiden Gremien vertreten. Er und Gaby Hintermann, Präsidentin der KSBS, wehren sich gegen den Vorwurf, mit der Bildungsverwaltung zu stark verbandelt und von ihr gekauft zu sein. Natürlich werde ihre für die KSBS investierte Zeit abgegolten, doch: «Meine Hauptaufgabe besteht darin, Vernehmlassungen sinnvoll zu organisieren, Stellungnahmen der Lehr- und Fachpersonen entgegenzunehmen, die Antworten dem Erziehungsdepartement zukommen zu lassen und da entsprechend zu vertreten», sagt Hintermann, die neben ihrer Verbandstätigkeit als Sekundarlehrerin unterrichtet.

Keine zwei Seelen in der Brust
Und Gymnasiallehrer Siegenthaler sagt: «Ich habe keine zwei Seelen in meiner Brust. Ich vertrete die Lehrpersonen.» Er spricht bildlich von einer umgekehrten Pyramide: «Oben sind die 3000 Lehrpersonen, die uns Aufträge erteilen, wir nehmen sie entgegen und leiten sie weiter.» Der Unterste in dieser Pyramide sei er selber. Dasselbe Prinzip gelte für die KSBS, sagt Hintermann.
Hintermann und Siegenthaler, sie, die gerne mit den Haien taucht und er, der leidenschaftlich Tango tanzt, sie sind in Sachen Basisdemokratie völlig konsequent. Sie vertreten die Meinung der Mehrheit und nicht diejenige derer, die besser mobilisieren können. Und überhaupt habe die Verkoppelung mit der staatlichen Organisation auch Vorteile. So habe man als Vertretung der Lehrpersonen ein grösseres Gewicht beim Erziehungsdepartement und sei als Sozialpartner verlässlicher.
Trotzdem, das Vertrauen einiger Mitglieder scheint brüchig geworden zu sein. «Ich berate sicher 300 bis 400 Leute pro Jahr. Dies zeugt nicht unbedingt von mangelndem Vertrauen», sagt Siegenthaler. Doch natürlich sei man sich nicht immer einig. So gebe auch diese Doppelspurigkeit immer wieder zu reden. Und man habe in der Basis auch überzeugte Gegner des Lehrplans 21. «Doch wenn wir ihn im Sommer nicht einführen, so haben wir gar keinen», sagt Hintermann. Mit der Aufgabe der Orientierungsstufe stelle Basel-Stadt auf ein völlig neues Schulsystem um und könne den alten Lehrplan nicht mehr nutzen. «Wir haben jedoch eine sechsjährige Übergangszeit ausgehandelt», sagt sie. In dieser Zeit wolle man schauen, ob man das Planungsinstrument modifizieren müsse.

Natürlich gebe es momentan auch unter den Basler Lehrern viel Unruhe und Unzufriedenheit, denn die Last der Reformen drücke enorm. «Es ist gar denkbar, dass wir in Basel zum Schluss kommen, eine Fremdsprache auf der Primarstufe könnte reichen», sagt Siegenthaler. Doch viel mehr als die Einführung des neuen Lehrplans belaste die Basler Lehrer das Thema Integration. «Wir kämpfen neben vielem anderem darum, dass die Einführungsklassen nicht abgeschafft werden.»

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