16. Februar 2015

"Keinen Anlass für Vorverschiebung des Französisch"

Im Kanton Aargau wird Französisch erst ab der 6. Primar unterrichtet. Das wird auch noch bis zur Einführung des Lehrplans 21 so bleiben. Bildungsdirektor Alex Hürzeler sieht keinen Anlass, das Französisch - entsprechend den Partnerkantonen BS, BL und SO - in die 3. Primar vorzuverlegen.




Hürzeler: "Harmoskonkordat wird überbewertet", Bild: Aargauer Zeitung

"Wir haben uns auf das für die Schule Machbare beschränkt", Basler Zeitung, 16.2. von Franziska Laur



BaZ: Sie haben das Bildungsdepartement im Jahr 2009 übernommen, nachdem Ihr Vorgänger abgewählt und seine Reformvorschläge an der Urne gescheitert sind. Welche Situation trafen Sie an?
Alex Hürzeler: Ich habe mein Amt angetreten, als die Abstimmung über das Bildungskleeblatt unmittelbar bevorstand. Als zuvor öffentlicher Kritiker des aus meiner Sicht zu grossen Reformwerks kam es mir nicht ungelegen, dass dann das Volk die Vorlage an der Urne abgelehnt hat. So konnte ich zusammen mit meinen Regierungsratskollegen eine neue Lagebeurteilung vornehmen. Fakt war, dass aufgrund der Harmonisierungsvorgaben, welche seit 2006 in der Bundesverfassung verankert sind, im Kanton Aargau gewisse Reformen nötig waren. Dies galt insbesondere für den Wechsel von fünf zu sechs Primarschuljahren und von vier zu drei Jahren Oberstufe. Die neue Abstimmungsvorlage umfasste auch noch das Kindergarten­obligatorium sowie Zusatzressourcen für Gemeinden mit einer erheblichen sozialen Belastung.

An der Urne wurde dieses Paket 2012 mit einer Zustimmung von 80 Prozent haushoch angenommen. Was haben Sie besser gemacht als Ihr Vorgänger?
Man muss sehen, dass bei uns wirklich Reformstau vorhanden war. Wir haben uns aber auf das politisch und für die Schule Machbare beschränkt. Es zeigt sich immer wieder, dass grössere Veränderungen ihre Zeit brauchen und dann auch ruhiger eingeführt werden können.

Sie haben Tempo rausgenommen?
Ja, ganz bewusst. So werden wir beispielsweise auch den Lehrplan 21 im Kanton Aargau erst auf das Schuljahr 2020/2021 einführen. So haben wir Zeit, Aargauer Lehrplanergänzungen sowie den Einführungsprozess gründlich zu diskutieren. Schulen brauchen Zeit, um Reformen sorgfältig umzusetzen. Dem tragen wir Rechnung. Ich masse mir trotzdem nicht an zu beurteilen, in welchem Tempo und mit welchem Inhalt andere Kantone Veränderungen angehen.
Weshalb ist der Kanton Aargau dem Harmoskonkordat nicht beigetreten?
Wir konzentrieren uns auf die Umsetzung der Vorgaben in der Bundesverfassung. Dort ist in Artikel 62 festgehalten, dass sich die Kantone insbesondere auf gemeinsame Dauer und Ziele der Bildungsstufen einigen sollen. Im Sommer 2015 wird die Er­- ziehungsdirektorenkonferenz Bilanz über den Stand des Harmonisierungsauftrags ziehen.

Obwohl der Kanton Aargau nicht Teil des Harmoskonkordats ist, erfüllt er fast alle Vorgaben. Wo fehlt es noch?
Den Teil mit den Tagesstrukturen haben wir noch nicht erfüllt. Das Anliegen hat es im Aargau nicht leicht. Zwei Vorlagen des zuständigen Departements sind im Grossen Rat bereits gescheitert. Der Regierungsrat ist jedoch entschlossen, das Thema weiterzuverfolgen. Grundsätzlich finde ich jedoch, dass das Harmoskonkordat und die Beitrittsfrage überbewertet werden.

Nicht mehr viel übrig ist jedoch vom vor Jahren hochgejubelten Bildungsraum Nordwestschweiz.
Ja, von Ideen wie beispielsweise einer gemeinsamen Bildungsverwaltung ist man längst abgerückt. Die Zusammenarbeit auf Fachhochschulebene ist hingegen längst etabliert und mit Staatsverträgen geregelt. Im Volksschulbereich pflegen wir weiterhin eine sinnvolle Zusammenarbeit, beispielsweise wenn es um die Entwicklung und Einführung gemeinsamer Leistungstests geht.

Im wichtigsten Bereich, der Einführung der Fremdsprachen, fährt der Kanton Aargau einen anderen Zug. Er hat ab dem dritten Schuljahr Frühenglisch, Baselland, Basel-Stadt und Solothurn hingegen Frühfranzösisch.
Ja, das wurde einst so beschlossen. Beide Modelle entsprechen der nationalen Sprachenstrategie aus dem Jahre 2004. Es ist aber absehbar, dass diese Thematik in den kommenden Jahren auf nationaler Ebene verstärkt diskutiert wird. Nicht zuletzt, weil Kantone wie Nidwalden und Thurgau auf die Einführung einer zweiten Fremdsprache in der Primarstufe verzichten wollen. Auch im Aargau erfüllen wir die Sprachenstrategie derzeit noch nicht ganz. So unterrichten wir die zweite Fremdsprache Französisch erst ab dem 6. Primarschuljahr, nicht schon ab der 5. Primarschulklasse.

Die unterschiedliche Frühsprachenstrategie ist vor allem für die Fricktaler Schüler ein Problem. Die meisten gehen nach Muttenz oder seltener nach Basel ins Gymnasium. Dort fehlen ihnen dann ganze drei Jahre Französisch.
Ja, doch damit ist nun mal umzugehen. Unser Schweizer Schulsystem ist sehr durchlässig. Zusatzunterrichtsangebo- te helfen mit, dass auch dieser Wechsel gut machbar ist. Wie schon gesagt, wir gehen Veränderungen bewusst sachte an. Wir befinden uns in der Volksschule nun im ersten Jahr der Umstellung auf 6/3 und der Einführung des Kindergartenobligatoriums. Wir werden deshalb erst mit dem Wechsel auf den Lehrplan 21 im Schuljahr 2020/2021 die zweite Fremdsprache auf die 5. Primarschulklasse verlegen.

Die Umkehr auf Frühfranzösisch in der 3. Primarklasse ist kein Thema?
Nein, und es gibt zurzeit auch keinen Anlass dafür.

Gibt es auch Widerstand gegen den Lehrplan 21?
Ja, auch im Aargau werden derzeit Unterschriften für eine Initiative gesammelt. Da wir uns in den nächsten Jahren unabhängig davon sowieso mit dem Lehrplan beschäftigen, wird in diesem Prozess auch über die Initiative beraten werden können.


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