In einer
Winternacht in den 80ger Jahren besuchte ich mit einer Freundin ein
Theaterstück in La Chaux-de-Fonds. Es dauerte etwas länger als gedacht und so
übernachteten wir in der Neuenburger Uhrenmetropole. Da wir aber am Morgen in
Biel um 07.15 Uhr wieder vor unseren SchülerInnen stehen mussten, fuhren wir in La Chaux-de-Fonds um sechs Uhr
früh mit dem Auto los. Es war bitter kalt, die Strassen waren schneebedeckt.
Auf der Höhe von Villeret fuhr unser Auto an drei kleinen Gestalten vorbei. Sie
hatten alle Tornister auf dem Rücken, waren vollkommen winterfest eingepackt
und stapften hintereinander rechts der Landstrasse durch den Schnee. Wir
bremsten und fragten die Knirpse, ob wir sie mitnehmen sollten. Natürlich waren
die zwei Viertklässler und das jüngere Schwesterchen gut instruiert und lehnten
unser Angebot freundlich aber bestimmt ab. Denn man steigt ja nicht zu
Wildfremden in ein Auto. Meine Gefährtin, die am Morgen immer Mühe hatte mit
dem Aufstehen, schüttelte wütend den Kopf: „Kein Land in der Welt mutet das
seinen Kindern zu, c’est typiquement Suisse“ fluchte sie und wir fuhren weiter.
Wer früh aufstehen muss, weiss woher das Wort "Morgengrauen" kommt, Berner Zeitung, 16.1. von Alain Pichard
Ich bin
selber ein Morgenmensch und habe mich in meinem Berufsleben noch nie
verschlafen. Aber das Bild dieser drei Kinder blieb mir bis heute präsent. Gerade
auch jetzt, wo die Debatte über den Schulanfang neu lanciert ist. Und anders
als in den 80ger Jahren, in denen zaghafte Wünsche nach einem späteren
Schulanfang von Schulkommissionspräsident und Schreinermeister Liechti mit dem
„Weichei-Argument abgeschmettert wurden, entwickelt sich die Diskussion in den
diversen Foren ganz prächtig. Denn inzwischen haben wir ja Dutzende von Berufen
und Verwaltungsbehörden, die es damals nicht so richtig gab: So lassen sich
neuerdings Hirnforscher, Schlafforscher, Verkehrsplaner, Jugendpsychiater, Lernberater,
Schulpsychologen, Dutzende Abteilungsleiter von lokalen Bildungsgremien zu
dieser Frage vernehmen und diskutieren leidenschaftlich mit den inzwischen inthronisierten
Schulleitungen über die Frage, ob sich ein späterer Schulanfang machen liesse.
Ja sogar ein Ausbildner der Marines in den USA darf hier seine Erfahrungen zum
Besten geben. Die Reihe der Bildungspolitiker schliesst his Masters Voice,
Frühaufsteher Bernhard Pulver, ab, der eine eventuelle Einführung über einen
allfällig späteren Schulbeginn für Ende 2017 in Aussicht stellt.
Man kann es
natürlich auch einfacher haben und sich das Beispiel des Oberstufenzentrums
Mett-Bözingen in Biel zu Gemüte führen. Schulleitung und Lehrkräfte der Bieler
Brennpunktschule hatten sich im Frühling vergangenen Jahres zu einer Retraite
für drei Tage an den Hallwilersee zurückgezogen. Dort beschlossen sie einige
Neuerungen an ihrer Schule: Die teilweise Aufhebung von Sekundar- und Realklassen,
die Umschichtung der Förderlektionen, das Abstellen der kleinen Pausensignale
und den einheitlichen Schulanfang um 08.15 Uhr für alle.
Nach einer
positiv verlaufenen Elternbefragung holten sich die Bieler die Bewilligung des
Schulamts und seit August 2014 läuft nun dieses Modell.
Es habe, so
ein Mitglied der Schulleitung noch keinerlei Beschwerden gegeben, die Stimmung
sei sehr gut.
Alles was es
brauchte, war eine initiative Schulleitung, engagierte und offene Lehrkräfte,
einen fähigen Stundenplaner und eine funktionierende Elternarbeit.
Bleibt noch
anzumerken, dass dieses innovative und tatkräftige Kollegium das Memorandum
gegen den Lehrplan 21 fast unisono unterschrieben hatte. Und auch die Kosten
für die Retraite haben die Bieler Lehrkräfte alle aus ihrer Tasche bezahlt. Der
Grund: Die sonst übliche Kostenbeteiligung des Kantons wurde nicht gewährt,
weil das Kollegium keine Fachperson des Instituts für Weiterbildung hinzuzog.
Lehrer und
Schüler des Oberstufenzentrums Mett-Bözingen kümmert dies wenig. Wenn sie in
diesen Tagen in die Schule kommen, ist der Hauptverkehr abgeebbt und das
Morgengrauen den ersten sanften Sonnenstrahlen gewichen.
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