Martin Schäfer freut sich auf das Jubiläumsjahr der PH Bern, Bild: Franziska Scheidegger
"Kindergärtnerinnen brauchen viel Wissen", Bund, 21.1. von Mireille Guggenbühler
Seit zehn Jahren werden
angehende Lehrkräfte an der Pädagogischen Hochschule Bern ausgebildet und nicht
mehr an den Lehrerseminaren. Bis heute steht der Vorwurf im Raum, die
PH-Abgänger wüssten zwar theoretisch sehr viel, doch die Praxiserfahrung fehle
ihnen. Diese Vorwürfe hat es tatsächlich gegeben,
vor allem zu Beginn der neuen Lehrerinnen- und Lehrerausbildung. Wir stellen
aber fest, dass solche Vorwürfe nur noch selten erhoben werden. Die
Studierenden absolvieren heute mehr Praktika an Schulen, als es damals an den
Seminaren üblich war. Der Vorwurf, die Praxis fehle ihnen, stimmt also nicht.
Warum
sollen denn ausgerechnet Kindergarten- und Unterstufenlehrkräfte akademisch
ausgebildet werden? Gerade die
Kindergartenstufe ist eine der komplexesten Stufen überhaupt. Die
Alltagsanforderungen sind auf dieser Stufe eigentlich am höchsten. Auf keiner
anderen Schulstufe unterscheiden sich die Kinder in ihrer Entwicklung und der
Lebenssituation, aus der sie kommen, so stark. Deshalb braucht es gerade für
diese Stufe eine grosse Portion an Wissen. Eine fundierte Ausbildung ist für
den Kindergartenlehrberuf zentral.
An
den ehemaligen Lehrerseminaren war Heinrich Pestalozzis Grundsatz
allgegenwärtig: Kopf, Herz und Hand sollen in der Bildung gleichermassen
berücksichtigt werden. Haben das Herz und die Hand an der PH überhaupt noch
einen Platz in der Ausbildung? Natürlich. Ich behaupte
sogar, in den Fächern, in welchen die Hände gebraucht werden, ist die Ausbildung
heute sogar besser, als sie es an den Seminaren war. Und dass an den Seminaren
in der Ausbildung das Herz mehr berücksichtigt worden wäre, ist eine sehr
romantische Vorstellung. Ich besuchte ja selber ein Seminar, und als
Seminarabgänger laufe auch ich manchmal Gefahr, dies vielleicht etwas durch die
rosarote Brille zu sehen.
Die
Kinder, die heute in den Kindergarten und die Schule eintreten, sind jünger
geworden. Inwieweit wird dieser Umstand in der Ausbildung berücksichtigt? Das Alter der Kinder gehört zu den Rahmenbedingungen, mit
welcher eine künftige Lehrkraft in ihrem Beruf konfrontiert sein wird.
Entwicklungsfragen sind deshalb ein sehr wichtiger Aspekt in der Ausbildung.
Seit
die Lehrerausbildung an die Hochschule verlegt wurde, hat der Männeranteil
abgenommen. An
den Seminaren war das
Geschlechterverhältnis ausgeglichener.
Weshalb? In den Seminaren durchliefen alle dieselbe Ausbildung. Das
heisst, in einer Seminarklasse sassen sowohl künftige Unterstufenlehrerinnen
wie aber auch Lehrer der Sekundarstufe I, deshalb schien das
Geschlechterverhältnis ausgeglichener zu sein. Heute entscheiden sich die
Studierenden von Anfang an für eine Ausbildung als Kindergarten-und
Unterstufenlehrkraft oder für eine auf der Sekundarstufe I. Im Ausbildungsgang
für die Sekundarstufe I liegt der Männeranteil heute zwischen 40 und 50
Prozent, in jenem für die Eingangsstufe bei gut 10 Prozent.
Weshalb
entscheiden sich nicht mehr Männer für das Unterrichten auf der Eingangsstufe? Es gibt einerseits nach wie vor eine in der Gesellschaft weit
verbreitete Haltung, dass der Lehrerberuf auf der Kindergarten- und Unterstufe
nichts für einen Mann ist. Andererseits gibt es gerade auf dieser Stufe häufig
nur Teilzeitstellen zu besetzen. Dies dürfte ein weiterer Grund sein, weshalb
sich viele Männer gegen das Unterrichten auf dieser Stufe entscheiden.
Sie
haben an der Pressekonferenz gesagt, die Pädagogische Hochschule sei in der
Ausbildung bezüglich Elternarbeit und schwierigen Klassensituationen nicht
ganz auf der Höhe. Was gedenken Sie diesbezüglich zu verbessern? Das Problem ist, dass man sich das Meistern schwieriger
Situationen nicht anlesen und theoretisch aneignen kann. Man muss solche
Situationen konkret erleben. In den Praktika ist dies nur in beschränktem
Rahmen möglich. Deshalb ist die Berufseinstiegsphase sehr wichtig. Uns ist es
ein Anliegen, dass Schulleitungen unsere Absolventinnen und Absolventen beim
Berufseinstieg diesbezüglich unterstützen und ihnen einen Mentor oder eine
Mentorin zur Seite stellen und geeignete Weiterbildungen ermöglichen.
Jeder
dritte Absolvent einer pädagogischen Hochschule springt gerade in dieser
Berufseinstiegsphase wieder ab, besagt die Statistik. Warum? Ich weiss, dass es diese Statistik gibt, aber diese Zahl ist
sehr umstritten. Im Bildungsbericht 2015 steht, dass 80 Prozent der
Absolventinnen und Absolventen einer Pädagogischen Hochschule nach fünf Jahren
noch im Beruf sind. Nach unserer Wahrnehmung verbleiben die Leute deutlich
länger im Beruf als früher, weil sie sich heute auch viel später dafür
entscheiden als zu Zeiten der seminaristischen Lehrerausbildung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen