Morgenstund hat
Gold im Mund – das geflügelte Wort aus agrarisch geprägten Zeiten wirkt sich
bis auf den heutigen Schulalltag aus. In kaum einem anderen europäischen Land ertönen die Schulglocken so
früh wie in der Schweiz. An der Oberstufe ist es die Regel, dass der
Unterricht um 7.30 Uhr (oder sogar noch früher) beginnt. Falls die Jugendlichen
aus verschiedenen Dörfern anreisen – an der Sekundarschule und an Gymnasien die
Regel - bedeutet dies Tagwache um 6.15
Uhr oder noch früher. Während dies in Graubünden als naturgegeben hingenommen
wird, beginnt sich andernorts Widerstand zu regen.
Der frühe Schulbeginn wird vermehrt hinterfragt, Bild: Augsburger Allgemeine
Das grosse Gähnen, Schulblog Südostschweiz, 28.1. von Urs Kalberer
Seitens der Wissenschaft weist
die Lernforscherin Elsbeth Stern darauf hin, dass die meisten Kinder früh morgens wenig
leistungsfähig sind. Forschungen zeigen, dass besonders Jugendliche nur sehr
schwer in Schwung kommen. Die Wissenschaft plädiert deshalb für einen späteren
Schulbeginn. Eine Basler Untersuchung kommt zum
Schluss, dass sich eine längere Schlafdauer positiv auf die Schulleistungen
auswirkt.
Doch, ist das Ganze
nicht einfach ein weiterer Versuch, das Leistungsniveau zu drücken und den
Schülern alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen? Schliesslich soll die
Oberstufe auf den späteren Berufsalltag vorbereiten. Doch was für einen Fabrikarbeiter
oder einen Buschauffeur von Belang ist, muss nicht auch für einen 13-Jährigen
gelten, der mitten in der Pubertät steckt. Viele
Schweizer Schüler müssen heute früher aus dem Haus als ihre berufstätigen
Eltern. Da müssten doch Bildungsverantwortlichen ein Fragezeichen setzen,
findet Christian Cajochen, der Leiter der Abteilung Chronobiologie der
Universitären Psychiatrischen Klinik Basel.
Wie könnte die
ausfallende Frühlektion kompensiert werden? Es gibt grundsätzlich zwei
Möglichkeiten: Eine verkürzte Mittagspause oder einen (noch) längeren
Nachmittag. Beide Varianten dürften nicht mehrheitsfähig sein. Doch das
eigentliche Problem liegt in der Lektionszahl unserer Schüler. Diese ist im
internationalen Vergleich sehr hoch. Mit dem Lehrplan 21 wurde die Chance
verpasst, die Lektionentafel endlich zu entrümpeln. Da wird zwar ständig Neues
(z.B. Primarfremdsprachen, Informatik, Tastaturschreiben, Wirtschaft,
Sexualkunde, Berufswahlvorbereitung usw.) aufgenommen, doch alte Zöpfe werden nicht
abgeschnitten, sondern weiter mitgeschleppt. Und so wächst dann die
Wochenstundenzahl kontinuierlich an.
Am Anfang meiner
Lehrerlaufbahn starteten wir um acht Uhr. Mit dem steigenden Angebot von
Wahlfächern wurden diese dann vereinzelt vorverlegt. Anschliessend wurde der
Samstag schulfrei, was den Stundenplan unter der Woche weiter füllte. Doch
das Problem ist nicht der schulfreie Samstag. Die Schüler haben zu viele
Lektionen und dies ist leider eine Folge von Konzeptlosigkeit und
Fehlplanung auf Stufe der Bildungsadministration.
So ist denn ein
späterer Morgen erst möglich, wenn endlich Konzepte für eine Straffung der
Lektionszahl vorliegen. Doch daran wagt man in EDK-Kreisen gar nicht zu denken.
Zu viel hat man in oberflächliche Kompetenzformulierungen – sprich Lehrplan 21
– gesteckt.
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