9. Dezember 2014

Rentner im Schulzimmer

In Muttenz unterstützen zwölf Senioren Lehrkräfte in Primarschule und Kindergarten - ein erfolg. Peter Aebi ist einer davon und findet, dass der Kontakt zu den Kindern eine Bereicherung für sein Leben sei. 




Die Schüler hoffen, dass Peter Aebi (links) noch lange bleibt, Bild: Nicole Nars-Zimmer

Weiterhin engagiert: als Rentner zurück in die Primarschule, Basellandschaftliche Zeitung, 8.12. von Tobias Gfeller


Lehrer Serge Dobler verteilt seinen Schülerinnen und Schülern im Schulhaus Breite in Muttenz eine Schreibaufgabe. Es wird still gearbeitet. Manchmal kommt ein Kind zu ihm und stellt eine konkrete Frage. Ist Serge Dobler gerade in ein Gespräch verwickelt, fragen die Kinder auch mal Peter Aebi, ob sie mit ihren Gedanken auf dem richtigen Weg sind. Seit Sommer 2013 ist der 72-jährige Muttenzer aus der Klasse nicht mehr wegzudenken. «Es freut uns, wenn er da ist. Wir mögen ihn sehr», sagt der 10-jährige Fabio. Seine Klassenkameraden stimmen ihm nickend und strahlend zu. Peter Aebi ist einer von zwölf Senioren, die in Muttenz in Kindergärten und Primarschulen im Unterricht mitwirken. «Ich bin kein Lehrerersatz», stellt der Rentner klar. «Ich sehe mich mehr als Assistent und Sekretär.» Und das ist er mit grosser Leidenschaft. Und das spüren die Kinder. Sie gehen zu ihm, wenn sie mal Hilfe brauchen. Er leistet Hilfe, wenn Lehrer Dobler gerade nicht kann.
Donnerstags begleitet Aebi die Klasse ins Hallenbad. Anschliessend ist er auch im Klassenzimmer mit dabei. Je nach Lektionsgestaltung von Serge Dobler wird Peter Aebi mehr oder weniger aktiv gebraucht. Seine Präsenz alleine wirkt schon auf die Klasse, wie die Schüler selber bestätigen. «Es ist tendenziell ruhiger, wenn Herr Aebi da ist», sagen sie einhellig. Zwischen Serge Dobler und Peter Aebi gibt es vor dem Unterricht keine Besprechungen. Er müsse stets flexibel sein, beschreibt der Rentner sein wichtigstes Attribut im Unterricht. «In gewissen Bereichen kann ich die Kinder mehr unterstützen, in anderen halt weniger.» Eine spezielle Ausbildung hat er nicht. Es sind mehr charakterliche Eigenschaften, die für diese Aufgabe nötig sind.

Als Pensionierter weiter engagiert

Alle Parteien profitieren. «Ich bleibe wachsam und bekomme mit, wie sich die Jungen heutzutage entwickeln», verrät Peter Aebi. Der Kontakt zu den Kindern sei eine Bereicherung für sein Leben, auch wenn er bereits drei Enkel hat, mit denen er viel Zeit verbringt. «Nach der Pensionierung ist man plötzlich aus dem ganzen Prozess raus. Wenn man noch gesund ist und finanziell keine Sorgen hat, kann man sich doch weiterhin engagieren.» Peter Aebis grösste Stärke sind seine Vitalität und Sportlichkeit. Er geht auf Exkursionen, Velotouren und Schulreisen mit, war im Schullager dabei, begleitet die Klasse in den Schwimmunterricht und manchmal auch ins Turnen. Wenn die Klasse ins Theater geht, muss Lehrer Serge Dobler keine Eltern anrufen, um eine Begleitung zu finden: Peter Aebi ist dabei.
Die Grundvoraussetzung, damit die Zusammenarbeit zwischen Lehrperson und Senior passt, sei das gegenseitige Vertrauen, erklärt Serge Dobler. «Ich gebe ihm alle Freiheiten und richte mich nicht speziell nach ihm. Wir haben zu Beginn klar festgelegt, wie wir uns das vorstellen und was wir voneinander erwarten. Es braucht eine klare Kommunikation und Transparenz.»
Angeregt hat das Projekt «Senioren in Muttenzer Primarschulen» Schulleiterin Regula Meschberger. Sie kam erst vor wenigen Jahren aus Birsfelden, wo sie das Gleiche bereits 2008 erfolgreich lanciert hatte. Auch in Muttenz ist das Projekt ein Erfolg. Interessierte Senioren können sich noch immer melden. Meschberger unterstreicht das «riesige Potenzial» dieser Zusammenarbeit. «Es besteht keine rechtliche Bindung. Das würde nicht dem Projekt entsprechen», so Meschberger. Gerade heute, wo Grosseltern aufgrund der gestiegenen Mobilität auch mal weiter weg wohnen oder gar in einem anderen Land leben, sei die Beziehung zu älteren Menschen wichtig für Kinder. Die Senioren können zu Beginn ihre Präferenzen angeben. Eher das Spielen mit den Kleinsten im Kindergarten oder doch das aktive Leben in der Mittelstufe. Bei Peter Aebi und der Klasse von Serge Dobler hat es von Anfang an gepasst. «Wir hoffen, dass er auch noch in der sechsten Klasse nach den Sommerferien mit dabei ist», sagt Henna. Und wiederum nicken ihre Klassenkameraden.


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