9. Dezember 2014

Inkompetenz und Co.

Eigentlich wollte ich mein Blogjahr bei der Südostschweiz mit ein paar zuversichtlichen Gedanken abschliessen, doch die Umstände bringen es mit sich, dass diese Kolumne nur drei Stellen enthält, die zum Lachen sind. Sie handelt im Wesentlichen von Inkompetenz, Fahrlässigkeit und Intransparenz. Doch schön der Reihe nach.
Bildungsblog Südostschweiz, 9.12. von Urs Kalberer


1. Die Inkompetenz
Die PH Graubünden hat einen neuen Rektor, und der lässt es gleich mal richtig krachen: Gian-Paolo Curcio, ein 38-jähriger Karrierist aus dem Wallis, verrät gegenüber der Südostschweiz am 8. November: „Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die darauf schliessen lassen, dass zwei Fremdsprachen zu viel wären“. Nun müsste man dem guten Mann vielleicht mal zuflüstern, dass niemand gegen zwei Fremdsprachen an der Volksschule ist. Seine Aussage ist also Wasser in den Rhein getragen. Wissenschaftlich bestens belegt ist aber der Unsinn, gleichzeitig zwei Fremdsprachen an der Primarschule lernen zu wollen. Während unsere fleissigen PH-Studenten eine Gehirnwäsche im Dauerberieselungsmodus über sich ergehen lassen müssen, hat Curcio aber immerhin Trost für alle Eltern, die sich mit dem Frühitalienisch ihrer Kinder herumschlagen. „Der Vorteil von zwei Fremdsprachen in der Primarschule liegt darin, dass die Kinder einen offenen und altersgerechten Zugang zu zwei Fremdsprachen erhalten und gleichzeitig für ihr künftiges Lernen von Sprachen motiviert werden“. Selten so gelacht. Nun aber weiter.

2. Die Fahrlässigkeit
Wenn Sie, geneigte Leser, Eltern von Kindern sind, die momentan die 1. Oberstufe besuchen, dann haben Sie sicher bemerkt, dass wir in Graubünden mit einem neuen Englischlehrmittel arbeiten. Es handelt sich dabei aber um eine Testversion, die in manchen Bereichen noch verbessert werden muss. Nun sind es zwei verschiedene Dinge, ob ich von einer Skimarke eingeladen werde, die neuen Latten Probe zu fahren oder ob mir der Kanton ein Probe-Lehrmittel vorsetzt. Letzteres ist eindeutig weniger angenehm. Trotzdem verteilt der Kanton Gratis-Testversionen von Lehrmitteln flächendeckend an alle Schulen und erklärt diese für verbindlich. Und nun kommt es ganz dick: Derselbe Jahrgang, der nun an der Oberstufe mit einem Probelehrmittel versorgt wird, hat sich bereits seit der 5. Primar mit Probelehrmitteln durchgehangelt. Die verantwortlichen Schreibtischtäter verstecken sich, das Problem wird ausgesessen. Ein schmackhaftes Menu: Mehrsprachendidaktik à la PHGR, mit sehr viel Offenheit zubereitet und als Beilage grüne Lehrmittel.

3. Die Intransparenz

In der Zwischenzeit wurde dem staunenden Publikum die 3. Version des Lehrplans 21 vorgesetzt. Zur Erinnerung: Die Schulen sollen künftig mit flächendeckenden Bildungsstandards vermessbar gemacht werden. Das bedeutet konkret schweizweite Tests, Einheitslehrmittel, weitere Stärkung der Administration.  Wogegen man sich innerhalb des Kantons heftigst wehrt (innerkantonale Vergleiche), das soll nun national plötzlich kein Problem mehr sein. Sofort stand der Lehrerverband zusammen mit dem Erziehungsdepartement bereit um dem abgeschottet erarbeiteten Projekt zu applaudieren. Man machte dies vorauseilend, um ja die Gegner meinungspolitisch abzuhängen. Von den 200‘000 Einwohnern des Kantons haben nicht 10 (zehn) die jüngste Version des Lehrplans gelesen, davon hat erst noch die Hälfte gar nichts zu sagen, weil sie Kritiker sind - und Kritikern hört man nicht zu. Diese Kritiker fordern nun, dass das Volk in Sachen Ausrichtung unseres Bildungssystems mitbestimmen soll. Kann man dagegen etwas haben? Natürlich, eine Angestellte des Basler Erziehungsdepartements vermutet, dass die Kritiker des Lehrplans einfach Angst vor Veränderungen hätten. Wer tatsächlich grosse Angst hat, das sind die Bildungsbürokraten in allen Kantonen. Ein Machtwort des Volkes könnte hier Wunder bewirken. Ach ja, zum Schluss noch etwas zum Schmunzeln von Martin Jäger:“Mit dem gemeinsamen Lehrplan erreicht man eine bessere Mobilität in der Schweiz“. 

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