8. Dezember 2014

Eltern müssen nicht zahlen

Wird ein behindertes Kind in einer Regelklasse unterrichtet, müssen die Eltern nichts daran zahlen. Unklar ist, ob das Bundesgericht behinderten Kindern einen Anspruch auf integrativen Unterricht geben will.



Das Bundesgericht unterstützt den integrativen Untericht behinderter Kinder, Bild: Karin Hofer

Eltern müssen nicht zahlen, NZZ, 4.12. von Katharina Fontana


Sollen behinderte Kinder in einer Regelklasse unterrichtet werden, auch wenn sie dazu auf eine umfassende individuelle Betreuung angewiesen sind? Dürfen die Kantone dem integrativen Unterricht Grenzen setzen? Mit diesen Fragen hat sich am Donnerstag die II. Öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts an einer Sitzung befasst. Zu beurteilen war ein Fall aus dem Kanton Aargau. Ein heute 15-jähriger Junge mit Autismus-Störung wurde 2009 in die Regelklasse in Brugg eingeschult. Er wurde wöchentlich mit 18 Assistenzlektionen unterstützt. Braucht ein Kind im Aargau zusätzliche Unterstützung, wird es in einer Sonderschule unterrichtet. 2012 beschloss die Schulpflege, dass das Kind eine vollumfängliche Betreuung benötige. Auf Drängen der Eltern wurde der Besuch der Regelklasse dennoch verlängert, unter der Bedingung, dass sie die Zusatzstunden selber finanzierten. Die Eltern lehnten dies ab, fanden bei den Aargauer Behörden aber kein Gehör.
Anders beim Bundesgericht: Dieses hat die Beschwerde der Eltern mit 3 zu 2 Stimmen gutgeheissen. Die Verfassung gebe allen Kindern einen Anspruch auf unentgeltlichen Unterricht. Folglich könne die Schule für ein behindertes Kind, das in die Regelklasse aufgenommen worden sei, keine Kostenbeteiligung verlangen, befand die Mehrheit. Auch rügte sie, dass die Aargauer Behörden die Interessen des Kindes, dessen Unterricht in der Regelklasse von den Lehrern unterstützt werde, ausgeblendet hätten. Die Minderheit wandte vergeblich ein, dass die Sonderschule, in die der Junge eigentlich gehörte, unentgeltlich sei und die Verfassung damit eingehalten werde. Wenn der Staat dem Wunsch der Familie nachkomme und das Kind freiwillig in der Regelklasse behalte, müsse er dies nicht unentgeltlich tun. 
Ob das Urteil über den Einzelfall hinaus Auswirkungen haben wird, ist schwer abzuschätzen, da die Erwägungen der Mehrheit nicht eindeutig waren. Dass das internationale Recht (namentlich die Uno-Konvention über die Rechte von Behinderten, die seit Mai 2014 für die Schweiz gilt) und das nationale Recht eine Präferenz für den integrativen Unterricht enthalten, ist unbestritten. Ein Teil der Bundesrichter scheint nun daraus einen Rechtsanspruch für behinderte Kinder abzuleiten, wenn immer möglich


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