Das Bundesgericht unterstützt den integrativen Untericht behinderter Kinder, Bild: Karin Hofer
Eltern müssen nicht zahlen, NZZ, 4.12. von Katharina Fontana
Sollen behinderte Kinder in einer Regelklasse unterrichtet
werden, auch wenn sie dazu auf eine umfassende individuelle Betreuung
angewiesen sind? Dürfen die Kantone dem integrativen Unterricht Grenzen setzen?
Mit diesen Fragen hat sich am Donnerstag die II. Öffentlichrechtliche Abteilung
des Bundesgerichts an einer Sitzung befasst. Zu beurteilen war ein Fall aus dem
Kanton Aargau. Ein heute 15-jähriger Junge mit Autismus-Störung wurde 2009 in
die Regelklasse in Brugg eingeschult. Er wurde wöchentlich mit 18
Assistenzlektionen unterstützt. Braucht ein Kind im Aargau zusätzliche
Unterstützung, wird es in einer Sonderschule unterrichtet. 2012 beschloss die
Schulpflege, dass das Kind eine vollumfängliche Betreuung benötige. Auf Drängen
der Eltern wurde der Besuch der Regelklasse dennoch verlängert, unter der
Bedingung, dass sie die Zusatzstunden selber finanzierten. Die Eltern lehnten
dies ab, fanden bei den Aargauer Behörden aber kein Gehör.
Anders beim
Bundesgericht: Dieses hat die Beschwerde der Eltern mit 3 zu 2 Stimmen
gutgeheissen. Die Verfassung gebe allen Kindern einen Anspruch auf
unentgeltlichen Unterricht. Folglich könne die Schule für ein behindertes Kind,
das in die Regelklasse aufgenommen worden sei, keine Kostenbeteiligung
verlangen, befand die Mehrheit. Auch rügte sie, dass die Aargauer Behörden die
Interessen des Kindes, dessen Unterricht in der Regelklasse von den Lehrern
unterstützt werde, ausgeblendet hätten. Die Minderheit wandte vergeblich ein,
dass die Sonderschule, in die der Junge eigentlich gehörte, unentgeltlich sei
und die Verfassung damit eingehalten werde. Wenn der Staat dem Wunsch der
Familie nachkomme und das Kind freiwillig in der Regelklasse behalte, müsse er
dies nicht unentgeltlich tun.
Ob das Urteil über den Einzelfall hinaus Auswirkungen haben
wird, ist schwer abzuschätzen, da die Erwägungen der Mehrheit nicht eindeutig
waren. Dass das internationale Recht (namentlich die Uno-Konvention über die
Rechte von Behinderten, die seit Mai 2014 für die Schweiz gilt) und das
nationale Recht eine Präferenz für den integrativen Unterricht enthalten, ist
unbestritten. Ein Teil der Bundesrichter scheint nun daraus einen
Rechtsanspruch für behinderte Kinder abzuleiten, wenn immer möglich
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