10. Dezember 2014

Am häufigsten Schwierigkeiten mit der Schulleitung

Eine Befragung zeigte auf, dass viele Lehrkräfte unzufrieden sind. Lucretia Emma-Ruffner berät Lehrerinnen und Lehrer. Und sagt, was im Berufsalltag die grössten Schwierigkeiten sind.




Lucretia Emma-Ruffner arbeitet als Schulpraxisberaterin und Supervisorin, Bild: zvg

"Offiziell haben Lehrer auch vier Wochen Ferien", Tages Anzeiger, 10.12. von Anja Burri


Heute arbeiten rund 70 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer mit einem reduzierten Pensum. Ist ein Vollzeitpensum in der Schule heute eigentlich noch zu leisten? 
Viele Lehrkräfte brauchen einfach mehr Zeit, um einen Ausgleich zu finden. Meistens ist dies möglich, wenn man in einem Pensum von 80 oder 90 Prozent arbeitet. Zu mir in die Beratung kommen oft auch Lehrpersonen, die sich sehr engagieren, um ihrem Idealbild des Lehrerberufes gerecht zu werden. Da kann es gut sein, dass eine solche Lehrperson weit über 100 Prozent leistet. Diese Lehrkräfte sind Burn-out-gefährdet. Um dieser Gefahr vorzubeugen, kommt es oft zu Pensumsreduktionen.
Was ist so belastend am Berufsalltag der Lehrerinnen und Lehrer? 
Am häufigsten höre ich von Schwierigkeiten mit den Schulleitungen. Viele Lehrkräfte fühlen sich von diesen Vorgesetzten nicht genügend geschätzt. Manche kommen in die Beratung, weil sie im Mitarbeitergespräch eine vernichtende Kritik erhielten. Auch die Zusammenarbeit im Lehrerkollegium erleben viele als belastend.
Das sind doch alles Probleme, die eigentlich gar nichts mit dem Lehrerberuf zu tun haben. 
Das stimmt. Das Unterrichten ist ja auch die Leidenschaft der Lehrerinnen und Lehrer. Die Zusammenarbeit mit den Berufskollegen ist neu. Lehrer sind traditionell Einzelkämpfer. Nun ist es plötzlich so, dass häufig noch eine zweite Lehrperson im Schulzimmer steht. Daran mussten sich in den letzten Jahren viele gewöhnen. Zudem sind geleitete Schulen eine jüngere Entwicklung.
Gemäss der Umfrage des Lehrerverbandes sind viele Lehrer unzufrieden mit den vielen Schulreformen. 
In meinem Beratungsalltag sind Reformen eher kein Thema. Wenn ich an Schulen Weiterbildungen gebe, spüre ich die Reformmüdigkeit oft. Und zwar in Form des stillen Widerstandes. 
Das müssen Sie erklären. 
Es gibt zwei verschiedene Typen: Der erste lässt die Weiterbildung still über sich ergehen und beteiligt sich möglichst nicht am Kurs. Der zweite Typ fällt auf mit Äusserungen wie «Früher war alles besser».
Sind ältere oder jüngere Lehrer reformmüde? 
Für die älteren ist die Situation viel schwieriger. Sie mussten viele Reformen umsetzen und neue Haltungen einnehmen. Dies kann bei älteren Lehrpersonen Widerstand hervorrufen. Die jüngeren Lehrpersonen sind dank kürzlicher Absolvierung der Pädagogischen Hochschule näher an den Thematiken der aktuellen Zeit dran.
Müssen Sie als Beraterin Ihren Klienten oft raten, den Lehrerberuf aufzugeben? 
Nein. Das kommt wirklich selten vor.
Gemäss der Studie des Lehrerverbandes bemängeln auch viele Lehrpersonen das Verhältnis von Arbeitszeit und Erholungszeit. Wie kommt ein Lehrer, der 13 Wochen Ferien hat, zu so einer Aussage? 
Also, zuerst muss ich klarstellen: Diese berühmten 13 Wochen sind natürlich keine Ferien, das ist unterrichtsfreie Zeit, in der man sich auf den Unterricht vorbereiten, sich weiterbilden oder sonstige Arbeiten erledigen muss. Offiziell Ferien haben Lehrer auch vier Wochen. Die Arbeit des Lehrers ist sehr ungleich verteilt. Zum Beispiel im Januar und Februar stehen Zeugnisse und Übertrittsgespräche an. In dieser Zeit haben viele Lehrer 60-Stunden-Wochen. Danach folgt vielleicht wieder eine etwas ruhigere Zeit, in der man während zweier Wochen vorbereiten kann. Dieses Wechselbad ist extrem anstrengend für Geist und Körper. Das wird oft unterschätzt.
Trotz einiger Kritik – viele Lehrkräfte würden wieder denselben Beruf wählen. Was mögen Lehrer an ihrem Beruf? 
Das Schulegeben. Sie haben eine grosse Leidenschaft, die Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern. Als Lehrer begleitet man ein Kind über Monate oder Jahre und sieht bei den meisten Fortschritte. Das ist enorm befriedigend. Viele sind mit einem grossen Organisationstalent gesegnet, das sie als Lehrperson ausleben können. Zudem bietet der Lehrerberuf immer noch viel Gestaltungsspielraum, die Eigenverantwortung ist gross. Das alles macht den Beruf so attraktiv. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen