Teamplayer versus Einzelkämpfer, Bild: jubi-te.de
Wissen, Können und Gemeinsinn - Wozu dient die Volksschule? Elsbeth Schaffner, 17.11.
Sinn und Zweck der Volksschule war die Bildung mündiger Bürger in der direkten Demokratie. Dafür wurde sie errichtet und dies ist bis heute in den kantonalen Zweckartikeln gültig festgeschrieben. Eine solche Bildung ist ausgerichtet auf das Gemeinwohl. Unser herausragendes Bildungssystem schaffte nicht nur beste Voraussetzungen im Bereich Wissen und Können, sondern legte auch Wert auf soziale Verbundenheit, Sinn für das Schöne und Freude am Leben. Wir können davon ausgehen, dass ein Zusammenwirken aller Verantwortlichen und ein gesellschaftlicher Konsens die pädagogischen Voraussetzungen für dieses qualitativ hochstehende Bildungswesen schaffen konnten. Nebst gut ausgebildeten Lehrkräften hat unter anderem das gemeinsame Lernen in Jahrgangsklassen dazu beigetragen. Mehrere Volksbegehren fordern deshalb, im neuen Lehrplan wieder die Jahrgangsziele und die Inhalte der einzelnen Fächer klar zu definieren.
Der Lehrplan 21 wird,
so wie er konzipiert ist, dazu führen, dass der Unterricht noch viel mehr als
heute auf individualisierte Lernprogramme umgestellt wird. Statt gemeinsamem
Unterricht gibt es Inputs und dem Niveau der Schüler angepasste
Arbeitsaufträge. Durch die Kompetenzorientierung besteht die Gefahr, dass
Bildung immer mehr auf messbare, „operationalisierte“ Lernziele reduziert wird.
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit im Klassenunterricht wird dadurch
entwertet. Ein Mangel an Beziehung, der zu Entmutigung, Egoismus und Vereinsamung
führen kann, wird damit in Kauf genommen. So werden viele Kinder um ihre
Chancen gebracht, indem sie die Freude am Lernen verlieren oder gar nie
erhalten. Praktiker und
Wissenschaftler warnen schon heute vor einer zunehmenden Amerikanisierung der
Bildung.
Dabei wissen
viele erfahrene Lehrerinnen und Lehrer um die Bedeutung, die eine tragfähige
Klassengemeinschaft für das einzelne Kind hat. Sie sind sich bewusst, dass das
Hineinwachsen der Kinder in unsere Kultur, das Kennen- und Schätzenlernen der
gemeinsamen Grundlagen in ihren Händen liegt. Dazu gehört auch die Neugier und
der Respekt gegenüber dem Fremden. Um diese Bildungsgrundlagen vermitteln zu
können, sind die Lehrer aber auch auf gut strukturierte Lehrmittel angewiesen,
die auf unserer Kultur basieren.
Der
sorgfältige Entwurf guter Lehrmittel, die eine Anbindung an unsere bewährte
Bildungstradition möglich machen, darf weder abgehobenen Theoretikern noch kommerzorientierten
„Bildungs“konzernen überlassen werden. Ein gutes Lehrmittel ist geprägt von der
Fachkenntnis der Autoren, ihrer Bezogenheit auf die Schüler sowie dem Wissen um
die Bedeutung, die der Inhalt für das Gemeinwohl hat. Ebenso muss die
Lehrerausbildung sowohl in fachlicher und pädagogischer Hinsicht dem
gesellschaftlichen Auftrag genügen.
Jetzt ist der
Zeitpunkt gekommen, in dem die Kantone, die ja Träger der Bildungshoheit sind,
darüber entscheiden, ob und in welcher Form sie den Lehrplan 21 übernehmen
wollen. Bisher wurde vor allem für die Ausarbeitung Personal und Geld zur
Verfügung gestellt. Ob man jedoch mit dem Produkt zufrieden sein kann und ob es
den Anforderungen an die Volksschule genügt, muss erst einmal in Ruhe
angeschaut werden. Wenn Regierungen jetzt diesen Lehrplan 21 möglichst schnell
einführen wollen, muss man sich fragen, warum eigentlich. Es gibt viele
Kritiker aus Praxis, Wissenschaft und Wirtschaft, die auf Schwachpunkte
hingewiesen und wenig Gehör gefunden haben. Diese Kritik müsste die Kantone
beschäftigen. Ein Lehrplan, der den Bestehenden ablöst, sollte auf die
anstehenden Fragen Antworten finden und beklagte Missstände beheben. Die
Verantwortlichen im Bildungswesen sind es den Kindern und ihren Eltern, den
Lehrerinnen und Lehrern und unserem Gemeinwesen schuldig, neue Konzepte für die
Volksschule umsichtig zu prüfen und demokratisch abzustützen.
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