5. November 2014

Pisa verändert Schulen

Studien zu Pisa-Tests fliessen im Kanton St. Gallen in Schulentwicklung und Lehrerbildung ein. Das zeigten der Bildungschef und der Rektor der PH auf.




St. Galler Schüler sind sehr gut in Mathematik, gut in Naturwissenschaften und zwischen gut und genügend im Lesen, Bild: Reto Martin

Pisa verändert Schulen, St. Galler Tagblatt, 5.11. von Fritz Bichsel


«Trottel» oder «Musterschüler»? – Diese Extreme zu den Resultaten der Schweizer Schüler standen im «Blick» zum ersten Pisa-Test, als es ums Lesen ging, und jetzt in unserer Zeitung (Ausgabe vom 24. September) zum jüngsten Vergleich zwölf Jahre später in Mathematik. Das wertet Bildungswissenschafter Christian Brühwiler als übertriebene Interpretation. Er leitet das Institut der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG), das an der Auswertung von Zusatzerhebungen in Kantonen beteiligt ist und deren Ergebnisse für den Kanton St.Gallen vertieft analysierte.
Dabei zeigte sich: St.Galler Schülerinnen und Schüler sind am Ende der Volksschule sehr gut in Mathematik, gut in Naturwissenschaften sowie zwischen gut und genügend im Lesen, in allen diesen Bereichen etwas besser als der Schweizer Durchschnitt und über die zwölf Jahre stabil auf diesem Niveau. «Pisa löste in der Schweiz erste vergleichende Leistungsmessungen aus, stärkte Kompetenzorientierung und war Wegbereiter für eine Harmonisierung» sagt Christian Brühwiler am Schlussanlass für Lehrkräfte und weitere Interessierte. «Pisa misst aber nur Teilaspekte von Bildungszielen, weshalb sich Bildungspolitik nicht einseitig an diesen Tests orientieren kann.»
«Schüler bleiben konstant gut»
Für Regierungsrat Stefan Kölliker als Leiter des Bildungsdepartements sind die Resultate der vertieften Studien im Kanton «ein Grund zum Loben». Das hohe Niveau seit Jahren widerspreche «klar der landläufigen Meinung, die Schülerinnen und Schüler würden immer schlechter». Der Bericht der Wissenschafter bestärkt den Bildungschef, «als zentrales Anliegen die Lehrpersonen zu stärken.» Handlungsbedarf sieht er beim Fördern von Schülern mit schwieriger sozialer Herkunft oder Migrationshintergrund – trotz vergleichsweise guter St.Galler Resultate in diesem Bereich. Als Ansatz zur Anhebung der tiefen Maturaquote sollen «überdurchschnittlich begabte Schüler aus bildungsfernen Schichten noch besser motiviert werden für einen gymnasialen Abschluss oder die Berufsmaturität».
Der Bericht zeigt nur einen geringen Anteil an Aufgaben mit Bezug zur Lebenswelt. Das bedauert der Bildungschef, und er erhofft sich hier «eine Verschiebung zugunsten des Praxisbezugs mit dem kompetenzorientierten Lehrplan 21». Weil Realschüler in einzelnen Bereichen höhere Fähigkeiten haben als Sekundarschüler und sogar Gymnasiasten, kann sich Stefan Kölliker vorstellen, «den Schulträgern für die Zukunft mehrere Oberstufenmodelle zur Verfügung zu stellen».
PHSG-Rektor Erwin Beck stellt in der Zeit der Pisa-Tests Bewegung in der Schule fest: neue Anwendungsfelder für Mathematik, Entwicklung von Aufgaben zur kognitiven Aktivierung der Lernenden, neue Unterrichtsformen und weiteres. Was davon Pisa bewirkt habe, sei Spekulation. Sicher habe Pisa «positive Bildungsdiskussionen ausgelöst, Bedarf für mehr Durchlässigkeit auf der Oberstufe bestätigt und gezeigt: Im Kanton St.Gallen haben wir gute Lehrerinnen und Lehrer.»
Mit oder ohne Pisa weiter?
Die vertiefte Analyse der Pisa-Tests wird jetzt im Kanton St.Gallen abgelöst durch eine weitere Fächer umfassende Überprüfung der Grundkompetenzen von Schülern. Erwin Beck wäre nicht unglücklich, «wenn wir nun auch die Beteiligung an Pisa mindestens einige Jahre aussetzen würden». Der Wissenschafter Christian Brühwiler hingegen empfiehlt «an dieser Möglichkeit zum Vergleich auf internationaler Ebene festzuhalten».


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