Pädagogische Leitung oder betriebswirtschaftlicher Manager? Die Schulleitungen verschwinden aus den Schulhäusern.
"Was nützt ein Schulleiter, der betreibswirtschaftlich managt?", Südostschweiz, 12.11. von Stefan Schmid
Das
waren noch Zeiten, als der Schulvorsteher selber unterrichtete und nebenbei die
Primarschule leitete. Die Pausen verbrachte er im Lehrerzimmer im Kreis seiner
Kolleginnen und Kollegen, wo jeweils die neusten Entwicklungen aus der
Schulstube diskutiert wurden. Der Vorsteher war sich nicht zu schade, ab und an
die Pausenaufsicht im Schulhof zu übernehmen und persönliche Gespräche mit den
Schülern zu führen. Diese grüssten den obersten Lehrer zumeist ehrfürchtig und
freuten sich, wenn er ihren Namen kannte.
Hauptsache zentral
Das waren noch Zeiten. Immer öfter haben Schweizer Schulhäuser
keinen Schulleiter mehr, der die Schülerschaft persönlich kennt. Der Grund:
Sein Büro ist nicht mehr vor Ort. «Es gibt einen Trend zur Zentralisierung und
damit verbunden zur Erhöhung der Pensen für Schulleiter», sagt Peter Baumann,
Gesamtschulleiter im nidwaldnischen Hergiswil und Mitglied der Geschäftsleitung
des Schweizerischen Schulleiterverband (VSLCH). Die Entwicklung werde begrüsst.
«Wir brauchen professionellere Strukturen und wollen keine Rollenkonflikte
mehr», sagt Baumann. Die Ansprüche seien gestiegen, Schulleiter hätten viele
Aufgaben, die sich in den wenigsten Fällen im Nebenamt erledigen liessen. Sie
sollten sich deshalb auf ihre Führungsaufgabe konzentrieren und nicht mehr
selber – wie bisher üblich – zahlreiche Lektionen unterrichten müssen.
Ein Beispiel für die neuen Strukturen ist Münchenbuchsee im Kanton
Bern: Seit Frühjahr 2013 befinden sich die Schulleitungen der zwei
Sekundarschulen im Gemeindehaus. Früher bereits hat die Gemeinde die Leitung
der fünf Kindergärten und Primarschulhäuser zentralisiert. «Die Schulleitungen
verfügen über kurze Wege zur Gemeindeverwaltung und können auf einfache Weise
Fragen klären», sagt Pascal Lerch, für die Bildung verantwortlicher Gemeinderat:
Etwa mit der Einwohnerkontrolle Fragen zur Anmeldung von Familien, mit der
Finanzabteilung Budgetfragen oder mit der Präsidialabteilung Anstellungsfragen
oder Gemeinderatsgeschäfte. Diese Zentralisierung müsste nicht zwingend in den
Räumen der Gemeindeverwaltung sein – wichtig sei vielmehr, dass der Standort
gut erreichbar ist und die Mitglieder der Schulleitung als Team funktionieren
und Synergien genutzt werden können, sagt Bildungschef Lerch.
Manager statt Lehrer
Lehrpersonen beobachten die Entwicklung derweil mit Sorge. Eine
Lehrerin, die an einer der betroffenen Schulen unterrichtet, vermisst die
physische Präsenz des Schulleiters. «Es macht vieles komplizierter. Ein Problem
lässt sich nicht einfach so beim Kaffee besprechen, sondern man muss zum Telefon
greifen.» Ein anderer Lehrer sagt: «Die Schulleitung gehört ins Schulhaus. Was
nützt mir ein Chef, der die Probleme von Lehrern und Schülern nur vom
Hörensagen kennt und aus der Ferne nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen
die Schule managt?» Der Dachverband der Schweizer Lehrer (LCH) versteht das
Anliegen seiner Mitglieder: «Es ist wichtig, dass zwischen Leitung und
Lehrerschaft kein Vakuum entsteht und die Lehrerinnen und Lehrer angemessen
mitwirken können», sagt LCH-Zentralsekretärin Franziska Peterhans. Der Verband
wehrt sich aber nicht grundsätzlich gegen Reformen bei den Schulleitungen. Wie
eine Studie, deren Ergebnisse im Dezember vollumfänglich vorliegen werden,
zeigt, hat die Zufriedenheit der Lehrpersonen mit der Arbeit der Schulleitungen
in den letzten Jahren eher zugenommen. Es gebe aber auch Stimmen, die kritisch
und unzufrieden seien mit ihrer Schulleitung, sagt Peterhans.
Auch Peter Baumann vom Schulleiterverband sagt: «Die
Zentralisierung der Schulleitungen führt zu einem Näheverlust.» Man sei sich
dessen bewusst und versuche aktiv Gegensteuer zu geben, indem die Schulleiter
ihr Büro oft verlassen und die Schulen besuchen. Klar sei aber auch: Die
Schulen müssten sparen. Effizientere und schlankere Führungsstrukturen seien
daher unausweichlich.
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