4. November 2014

Bekleidungsvorschriften für St. Galler Schulen

Die St. Galler Regierung hat einen Vorstoss gutgeheissen, der die Bekleidungsvorschriften an der Volksschule gesetzlich regeln will. Massgeblich für das Gesetz sollen aber die Gerichtsurteile zu den hängigen Kopftuch-Fällen sein.




Schülerin mit Kopftuch im Chemieunterricht, Bild: Thomas Trutschel

Grünes Licht für Kleiderregeln, St. Galler Tagblatt, 4.11. von Andri Rostetter


Die Befürworter von Bekleidungsvorschriften an der Volksschule können einen Teilerfolg verbuchen: Die St.Galler Regierung zeigt sich offen für eine gesetzliche Regelung. Die Regierung beantragt dem Kantonsrat, eine entsprechende Motion von SVP-Kantonsrat Mike Egger gutzuheissen.
Egger hatte die Regierung bereits im September 2013 in einer Motion aufgefordert, Grundlagen für Bekleidungsvorschriften an der Volksschule zu schaffen. Auslöser des Vorstosses war unter anderem die öffentliche Debatte über das Kopftuch-Verbot an einer Schule in Bürglen im Juli 2013. Das Bundesgericht hatte das Verbot später wieder aufgehoben.

Auftrag zur Wertevermittlung

In ihrer Begründung weist die Regierung auf die besondere Stellung der öffentlichen Volksschule innerhalb des Staates hin. Die Schule müsse nicht nur Wissen und Kompetenzen vermitteln, sondern habe auch einen Auftrag zur Wertevermittlung, Sozialisation und Integration. Damit bereite sie die Kinder auf die Tolerierung verfassungsmässiger Rechte vor – und dazu gehöre eben nicht nur die Religionsfreiheit, sondern auch Rechtsgleichheit, Gleichstellung der Geschlechter und weitere Merkmale des demokratischen Rechtsstaates. «Die Öffentlichkeit des Schulbetriebs erträgt nicht den gleichen Anspruch des Individuums auf Beliebigkeit, Selbstverwirklichung und Partikularismus wie die allgemeine Öffentlichkeit», schreibt die Regierung. Für die Schule dürfe deshalb eine höhere Kompromissbereitschaft gefordert werden als «für die Strasse». Mit anderen Worten: Bekleidungsvorschriften können auch vorsehen, dass im Unterricht gewisse Kleidungsstücke untersagt werden können.
Dass die Regierung damit nicht nur Kopftücher im Visier hat, zeigt sich in der Wortwahl: Allfällige Vorschriften können sich demnach auch auf «ablenkende oder irritierende Kleidungsstücke» beziehen. Eine ähnliche Formulierung verwendete auch Egger in seinem Vorstoss: Er forderte ein Verbot für «unziemliche Bekleidung, demonstrative Symbole und Kopfbedeckungen» während des Unterrichts.

Konzentration auf Unterricht

Die Regierung sieht in einem Verbot für bestimmte Kleidungsstücke auch eine Chance für die Schule: Werte und Ziele wie Transparenz, Toleranz, Offenheit und weltanschauliche Neutralität könnten damit besser erreicht werden. Zudem sei die Konzentration auf den Unterricht eher gewährleistet. Gleichzeitig müsse bei allfälligen Vorschriften aber die Verhältnismässigkeit gewahrt werden, insbesondere mit Blick auf die Grundrechte. Damit macht die Regierung klar, dass Bekleidungsvorschriften für die Volksschule nicht losgelöst von der Rechtsprechung erlassen werden sollen. Denn gerade was Religionsfreiheit und Rechtsgleichheit betreffe, sei die Thematik auf juristischer Ebene nicht abgeschlossen.
Zumindest im Kanton St. Gallen wird die Debatte diese Woche vorangetrieben: Am Freitag behandelt das Verwaltungsgericht die Beschwerde im Kopftuch-Fall der Schule St. Margrethen.


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