Schülerin mit Kopftuch im Chemieunterricht, Bild: Thomas Trutschel
Grünes Licht für Kleiderregeln, St. Galler Tagblatt, 4.11. von Andri Rostetter
Die Befürworter von Bekleidungsvorschriften an der Volksschule
können einen Teilerfolg verbuchen: Die St.Galler Regierung zeigt sich offen für
eine gesetzliche Regelung. Die Regierung beantragt dem Kantonsrat, eine
entsprechende Motion von SVP-Kantonsrat Mike Egger gutzuheissen.
Egger hatte die Regierung
bereits im September 2013 in einer Motion aufgefordert, Grundlagen für
Bekleidungsvorschriften an der Volksschule zu schaffen. Auslöser des Vorstosses
war unter anderem die öffentliche Debatte über das Kopftuch-Verbot an einer
Schule in Bürglen im Juli 2013. Das Bundesgericht hatte das Verbot später
wieder aufgehoben.
Auftrag zur Wertevermittlung
In ihrer Begründung weist
die Regierung auf die besondere Stellung der öffentlichen Volksschule innerhalb
des Staates hin. Die Schule müsse nicht nur Wissen und Kompetenzen vermitteln,
sondern habe auch einen Auftrag zur Wertevermittlung, Sozialisation und
Integration. Damit bereite sie die Kinder auf die Tolerierung
verfassungsmässiger Rechte vor – und dazu gehöre eben nicht nur die
Religionsfreiheit, sondern auch Rechtsgleichheit, Gleichstellung der
Geschlechter und weitere Merkmale des demokratischen Rechtsstaates. «Die
Öffentlichkeit des Schulbetriebs erträgt nicht den gleichen Anspruch des
Individuums auf Beliebigkeit, Selbstverwirklichung und Partikularismus wie die
allgemeine Öffentlichkeit», schreibt die Regierung. Für die Schule dürfe deshalb
eine höhere Kompromissbereitschaft gefordert werden als «für die Strasse». Mit
anderen Worten: Bekleidungsvorschriften können auch vorsehen, dass im
Unterricht gewisse Kleidungsstücke untersagt werden können.
Dass die Regierung damit
nicht nur Kopftücher im Visier hat, zeigt sich in der Wortwahl: Allfällige
Vorschriften können sich demnach auch auf «ablenkende oder irritierende
Kleidungsstücke» beziehen. Eine ähnliche Formulierung verwendete auch Egger in
seinem Vorstoss: Er forderte ein Verbot für «unziemliche Bekleidung,
demonstrative Symbole und Kopfbedeckungen» während des Unterrichts.
Konzentration auf Unterricht
Die Regierung sieht in
einem Verbot für bestimmte Kleidungsstücke auch eine Chance für die Schule:
Werte und Ziele wie Transparenz, Toleranz, Offenheit und weltanschauliche
Neutralität könnten damit besser erreicht werden. Zudem sei die Konzentration
auf den Unterricht eher gewährleistet. Gleichzeitig müsse bei allfälligen
Vorschriften aber die Verhältnismässigkeit gewahrt werden, insbesondere mit
Blick auf die Grundrechte. Damit macht die Regierung klar, dass
Bekleidungsvorschriften für die Volksschule nicht losgelöst von der
Rechtsprechung erlassen werden sollen. Denn gerade was Religionsfreiheit und
Rechtsgleichheit betreffe, sei die Thematik auf juristischer Ebene nicht
abgeschlossen.
Zumindest im Kanton St.
Gallen wird die Debatte diese Woche vorangetrieben: Am Freitag behandelt das
Verwaltungsgericht die Beschwerde im Kopftuch-Fall der Schule St. Margrethen.
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