Sieger der Stunde: Landrat Jürg Wiedemann (Grüne) brachte zwei Parlamentarische Initiativen durch. Bild: Moira Mangione
Lehrplan 21: Jetzt redet der Landrat mit, Basler Zeitung, 3.10. von Thomas Dähler
Rückschlag
für die Anhänger des Lehrplans 21: Der Baselbieter Landrat hat gestern in
Liestal mit grosser Mehrheit und gegen den Willen der Regierung zwei
Parlamentarische Initiativen überwiesen, mit denen sich der Rat die Mitsprache
bei der Einführung des Lehrplans der Deutschschweizer
Erziehungsdirektorenkonferenz im Baselbiet sichert. Damit sind die Einführung
des neuen Lehrplans und die Inkraftsetzung der neuen Stundentafel mindestens
bis zum definitiven Entscheid über die beiden Parlamentarischen Initiativen
blockiert. Fürs Erste wird sich jetzt die Bildungs-, Kultur- und
Sportkommission mit dem Lehrplan 21 befassen.
Der
Parlamentarier, der die Diskussion über den Lehrplan 21 ins Parlament getragen
hat, ist gestern mit Hemd und Krawatte im Rat erschienen. Für einen Grünen wie
Jürg Wiedemann ist dies nicht alltäglich. Nicht alltäglich ist aber auch, dass
ein Landrat gleich zwei Parlamentarische Initiativen im Rat durchbringt und
damit dem Bildungsdirektor die Federführung über das Dossier entzieht.
Zumindest vorerst: Die Absicht, den Lehrplan über einen eiligen Entscheid des
Bildungsrats einzuführen, ist jetzt nicht mehr opportun.
«Neue Sammelfächer führen zu Bildungsabbau»
Bereits zu
Beginn der Landratssitzung entbrannte eine Diskussion um die Absetzung der
beiden Initiativen von der Traktandenliste. Sie scheiterte an der
Geschäftsordnung, die dies verbietet. In der Debatte um die Initiativen wehrten
sich die Sozialdemokraten zusammen mit ihrem Bildungsdirektor gegen die
Einmischung des Landrats. Der Lehrplan 21 sei zu wichtig, als dass er allein
den Experten überlassen werden könne, lautete das Hauptargument für die
Initiative Nummer eins, die den Entscheid über den Lehrplan 21 und dessen
Einführung dem Parlament überträgt.
«Die neuen
Sammelfächer führen zu einem Bildungsabbau», argumentierte Wiedemann zugunsten
der Initiative Nummer zwei, mit der Einzelfächer wie Geschichte, Geografie oder
Biologie im Gesetz festgeschrieben werden sollen. Bei beiden Initiativen wird
der Landrat nach der Behandlung durch die Kommission den abschliessenden
Entscheid fällen. Schon jetzt ist aber klar, dass es bei einem Ja im Landrat zu
einer Volksabstimmung kommen wird, denn die Sozialdemokraten dürften das Quorum
dafür zusammenbringen.
Mitte-Parteien nicht einig
In der Sache
fielen gestern im Rat harte Worte zum bisherigen Verlauf der Lehrplan-Debatte.
Paul Wenger (SVP) sagte: «Wir wollen keine Volksschule, bei der das Volk nicht
mitreden kann.» Und Michael Herrmann (FDP) kritisierte, dass der Lehrplan 21
nur von Experten im stillen Kämmerlein diskutiert wurde: «Damit schafft man
kein Vertrauen.» Monica Gschwind (FDP) warf dem Bildungsdirektor vor, er wolle
sich hinter dem Bildungsrat verstecken.
Dagegen
wehrte sich Christoph Hänggi (SP). Die Kompetenzabtretung an den Landrat sei
nicht durchdacht. «Soll in Zukunft bei jeder Lehrplanänderung der Landrat
mitreden?», fragte er. Regula Meschberger, die den Lehrplan 21 «nicht
revolutionär» findet, meinte, es sei seltsam, dass sich der Landrat eine
Entscheidungskompetenz holen wolle, die das Volk dem Parlament nicht habe
übertragen wollen.
Die
Mitte-Parteien waren sich in der Frage nicht einig, stimmten schliesslich aber
mehrheitlich zu. Die Grünen stellten sich hinter ihren Fraktionskollegen
Wiedemann, behielten sich aber vor, nach der Beratung in der Kommission später
eventuell anders zu entscheiden.
Lehrerausbildung ungelöst
Bei der
Debatte über die Einführung der Sammelfächer verliefen die Fronten ähnlich.
Sabrina Corvini (CVP) wies zusätzlich darauf hin, dass bei der Einführung der
neuen Fächer auch die ungelösten Fragen um die Ausbildung der Lehrkräfte und
die Entscheide der Nachbarkantone eine Rolle spielten.
Regierungsrat
Urs Wüthrich wehrte sich vergeblich gegen die beiden Initiativen und warf der
Mehrheit im Rat vor, den Volksentscheid von 2010 zu umgehen. Vergeblich: Mit 55
zu 28 und 56 zu 27 stimmte der Rat den beiden Initiativen zu. Diskussionslos
überwiesen wurde eine Petition, mit der die allfällige Einführung von
Sammelfächern an hohe Qualitätskriterien gebunden werden soll.
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