Wüthrich stellt sich vor seine Mitarbeiter im Departement, Bild: Roland Schmid
Regierungsschelte zeigt Wirkung, Basler Zeitung, 3.9. von Daniel Wahl
Der Druck,
den Regierungsrat Urs Wüthrich mit der gestrigen Mitteilung an das ganze
Schulpersonal des Kantons Baselland inklusive Medien gegenüber den aufmüpfigen
Vorstandsmitgliedern des Komitees Starke Schule Baselland aufgebaut hat und die
Ankündigung, rechtliche Schritte einzuleiten, scheinen ihre Wirkung nicht zu
verfehlen. Die beiden Allschwiler Lehrer, die im Komitee Starke Schule
Baselland für den Ausstieg aus Harmos kämpfen, zeigen sich eingeschüchtert:
«Die Mitglieder des Vorstands des Komitees Starke Schule Baselland möchten wie
bereits letzte Woche auch heute keine Stellungnahme betreffend den Inhalt des
Gesprächs zwischen den Chefbeamten der BKSD und dem Komitee abgeben. Das
Schreiben von Jeannine Schwald und Michael Pedrazzi, welches der BaZ offensichtlich
zugespielt wurde, war für die Bildungskommission bestimmt», heisst es.
Wüthrich
kündigte unter dem Titel «STOPP der öffentlichen Verunglimpfung» in einem
zweiseitigen Schreiben rechtliche Schritte gegenüber den beiden Sekundarlehrern
Jeannine Schwald und Michael Pedrazzi an, weil sie Wüthrichs Chefbeamten
kritisiert hatten, man würde sie mundtot machen, man sei als Stiefelabtreter
benutzt worden.
Diese
Kritik richtete sich nach einem Gespräch vor den Sommerferien an Wüthrichs
Chefbeamten Markus Stauffenegger, Leiter Amt für Volksschule und Alberto
Schneebeli, Projektleiter Bildungsharmonisierung. Der an der Sitzung anwesende
Generalsekretär Roland Plattner war von der Kritik explizit ausgenommen. Das
Schreiben gelangte über die Bildungskommission zu den Chefbeamten und drang
erst am Samstag via BaZ an die Öffentlichkeit.
Die gestrige
Mitteilung, die Wüthrichs Generalsekretär Roland Plattner aufsetzte, verdient
es indessen, genauer unter die Lupe genommen zu werden. So suggeriert die
Bildungsdirektion im Schreiben, die beiden Lehrer hätten am gemeinsamen
Gespräch vor den Sommerferien vordergründig gute Miene gemacht und seien
hinterhältig an die Medien gelangt. Dieser Darstellung der Bildungsdirektion
widerspricht Bildungspolitiker und Landrat Jürg Wiedemann (Grüne) vehement:
«Ich kenne Jeannine Schwald und Michael Pedrazzi. Das sind hochintegre
Personen. Auch Saskia Olsson von Starke Schule Baselland, die am Gespräch
zugegen war und den Sachverhalt bestätigte, ist wie die beiden Lehrer weit
davon entfernt, etwas aufzubauschen. Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt,
dass sie die Wahrheit sagen.»
Kampf gegen Ideologie
Hintergrund
der Auseinandersetzung ist eine 72-seitige Broschüre mit dem Titel
«Pädagogische Kooperation». Sie wird von der Starken Schule Baselland als
«rückwärtsgerichtetes Manifest nach DDR-Ideologie» disqualifiziert, worauf die
Lehrer zum Gespräch nach Liestal geladen wurden. In der gestrigen
Medienmitteilung rudert Wüthrich in Bezug auf die Verbindlichkeit der Broschüre
zurück: Diese habe der Kanton Zug erarbeitet und sei lediglich als
Hilfestellung gedacht. Eine kreative Interpretation. Im Vorwort der Broschüre,
die unter dem Logo der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion firmiert, schreibt
der Bildungsdirektor: «Die pädagogische Kooperation ist eine Voraussetzung für
eine erfolgreiche Schule für alle» – «unabhängig von Modeströmungen».
Wie gegen
die Lehrer vorgegangen wird, lässt Wüthrich noch offen: «Dies ist zur Zeit in
Prüfung.» Jedenfalls sieht er – erst nachdem die Kritik an die Öffentlichkeit
gelangte – durch «nicht belegte Verunglimpfung die Mitarbeiter meiner Direktion
in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt».
Darf Kritik
an Chefbeamten nicht mehr geäussert werden? «Ich wünsche mir ein
Demokratiesystem, in dem sich politisch engagierte Personen, die insbesondere
aktive Vorstandarbeit leisten, frei äussern können», sagt Landrat Wiedemann.
Wüthrich sieht indessen die Meinungsäusserungsfreiheit nicht verletzt: «In
meiner langjährigen beruflichen Erfahrung als Gewerkschafter und Vorsteher der
BKSD konnte ich mich immer wieder davon überzeugen, dass es keine Berufsgruppe
gibt, die vergleichbare Mitwirkungsrechte in Anspruch nehmen kann.»
Zur Affäre sind zwei Leserbriefe in der Basler Zeitung erschienen.
AntwortenLöschenLehrpersonen haben nicht nur die Aufgabe, ihren Schülerinnen und Schülern Stoffinhalt zu vermitteln, sondern sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern: Hinterfragen, argumentieren, sich entschlossen und pointiert äussern sowie die eigene Position vertreten, dies sind nur einige Beispiele. Meinungsfreiheit ist in unserem Bildungssystem ein wichtiger Wert, der auf keiner Stufe angetastet werden darf. Chefbeamten der Bildungsdirektion, welche meinen, sie können Lehrpersonen mit Argumenten einschüchtern und sie dadurch zum Schweigen bringen, fehlt es an Anstand und Demokratieverständnis. Dieses Verhalten ist verwerflich und hat in unserem Bildungssystem nichts zu suchen.
Regina Werthmüller-Tschopp, Sissach, Landrätin Grüne BL
Das Komitee «Starke Schule Baselland» nimmt das legitime Recht in Anspruch, auf demokratischem Weg die Schullandschaft im Kanton Basel-Landschaft in jene Bahnen zu lenken, die die Qualität unserer Volksschule, insbesondere der Sekundarschule, gewährleistet und angesagte Reformen, die keinen ersichtlichen Mehrwert zum Wohle der Schülerinnen und Schüler generiert, zu stoppen. Schon lange bevor der Slogan von der «Guten Schule Baselland» Einzug im Sprachgebrauch fand, war unsere Schule ein gute Schule. Gebetsmühlenartig wird von der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion BL (BKSD) via Schulleitungen die Lehrerschaft dahingehend orientiert, dass die zum Harmos-Konkordat eingeleiteten Reformen auf gutem Weg seien. Die Schulleitungen ihrerseits arbeiten unaufhörlich an der Umsetzung der Vorgaben. Die Kritik, die nicht nur im Kanton Basel-Landschaft zu Harmos aufflammt, will man partout nicht zur Kenntnis nehmen. Die Fachausbildung der zukünftigen Sekundarlehrkräfte und die Zusatzausbildungen in den Sammelfächern («Natur und Technik» oder «Räume, Zeiten, Gesellschaften») wird einen massiven Verlust an Unterrichtsqualität nach sich ziehen. Dies anzusprechen und zu thematisieren, ist Aufgabe unter anderem von engagierten Pädagogen, die sich tagtäglich vor Ort mit dem Bildungswahnsinn von Leuten fernab jeglicher Schulzimmerrealität auseinandersetzen müssen.
Dass jetzt sogar Leute aus dem Vorstand des Initiativkomitees, ironischerweise zwei Pädagogen, unter Druck gesetzt werden, ist eines demokratischen Staatswesens unwürdig. Was bezweckt die BKSD damit? Könnte es sein, dass die BKSD merkt, dass der Reformzug, der rollt, zu schnell unterwegs ist oder eine Abzweigung verpasst hat?
Hansueli Schaub, Pratteln, Mitglied Initiativ¬komitee Starke Schule Baselland