31. August 2014

"Wir werden zwei Fremdsprachen durchsetzen"

Christoph Eymann will "in der Sache hart" bleiben. Im Interview zeigt er sich zuversichtlich, eine Lösung für den Sprachenstreit zu finden. 



"Den Sprachenunterricht zu vereinheitlichen ist ein Verfassungsauftrag", Bild: Sonntagszeitung

"Wir werden zwei Fremdsprachen durchsetzen", Sonntagszeitung, 31.8. von Nadja Pastega

Herr Eymann, laut Anhängern des Frühfranzösisch steht der nationale Zusammenhalt auf dem Spiel. Unser Test zeigt aber: Längst nicht alle Deutschschweizer können Französisch und umgekehrt. Die Schweiz existiert trotzdem.
Die Kantone sind nicht verantwortlich für die Sprachkenntnisse der Bewohner. Die Romands stört es auch nicht, wenn Deutschschweizer nicht gut Französisch können.
Sondern?
Man empfindet es als Affront, wenn offizielle Stellen am Sprachenunterricht schrauben, das Frühfranzösisch kippen und man sich nicht mehr um die Sprache des Nachbarn kümmert.
Thurgau und Nidwalden tun genau das, und die EDK ist machtlos.
Diese Kantone verstossen gegen die Verfassung. Der Bildungsartikel, den das Volk mit über 80 Prozent Ja-Stimmen angenommen hat, schreibt die Vereinheitlichung der wichtigen Schulbereiche vor. 2004 haben sich die Kantone darauf geeinigt, an der Primarschule zwei Fremdsprachen zu unterrichten, davon eine Landessprache.
Daran halten Sie fest?
Ja. Den Sprachenunterricht zu vereinheitlichen, ist ein Verfassungsauftrag. Wir wollen die Strategie mit zwei Fremdsprachen in der Primarschule durchsetzen, mit Vorteil innerhalb der EDK, notfalls aber auch mithilfe des Bundes. Wir haben eine gute Stimmung in der EDK. Aber wir können und werden in der Sache hart sein, wenn es anders nicht geht.
Dazu fehlt Ihnen die Handhabe. Die EDK kann keine Sanktionen ergreifen. Brauchen Sie mehr Kompetenzen?
Ich glaube nicht, dass es eine Mehrheit dafür gibt, dass die EDK Sanktionen ergreifen könnte. Ich halte das auch nicht für wünschenswert. Die Sanktionen muss gemäss Verfassung der Bund ergreifen.
Gilt das Sprachen-Harmoniserungsdekret auch für Kantone, die bei Harmos nicht mitmachen?
Ja, es kann keiner kommen und sagen, er mache bei Harmos nicht mit und darum gelte die Verfassung nicht für ihn.
Diese Woche hat sich auch das Parlament eingeschaltet. Mitglieder der nationalrätlichen Bildungskommission wollen per Gesetz Frühfranzösisch oder eine andere Landessprache vorschreiben. Das ist nochmals ein anderes Modell als jenes der EDK.
Es ist die Freiheit des Parlaments, Vorstösse zu lancieren. Ich habe dafür Verständnis. Die Nebenwirkung wird aber sein, dass sich die Fronten noch mehr verhärten und sich der politische Links-rechts-Graben wie auch das Spannungsfeld zwischen Bund und Kantonen verstärkt. Das ist kontraproduktiv und unerwünscht. 
Tatsache ist aber, dass Sie es nicht geschafft haben, die EDK-Strategie durchzusetzen.
Wenn man jetzt so tut, als habe die EDK versagt, kommt dieser Vorwurf viel zu früh. In der Bildung fällt man Entscheide aufgrund von Fakten und nicht aufgrund einer aufgeheizten Stimmung. Die EDK muss und wird diese Fakten 2015 vorlegen. An unserer Sitzung Ende Oktober werden wir den Dialog suchen. Auch Bundesrat Alain Berset ist eingeladen. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden.
Das Gegenteil ist der Fall, der Sprachenstreit eskaliert. Warum?
Es wurde in die Welt gesetzt, dass die Kinder mit zwei Fremdsprachen überfordert seien. Dafür gibt es keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis. Ich mache die gegenteilige Erfahrung, dass Kinder sehr gerne Fremdsprachen lernen.
Es ist doch so, dass jeder Erzeihungsdirektor macht, was er will. Einige Deutschschweizer Kanonte unterrichten in der Primarschule zuerst Französisch, andere Englisch.
Zürich ist damls vorgeprescht und hat gesagt, wir fangen mit Englisch an. Dass man sich seinerzeit nicht darauf einigen konnte, welche Sprache zuerst unterrichtet wird, ist ein enormer Schönheitsfehler, ein Versagen der EDK. Das gebe ich zu.
Für Eltern mit schulpflichtigen Kindern ist es damit weiterhin schwierig, über die Kantonsgrenze zu zügeln. Das ist doch kein Zustand. 
Da Modell 3/5, also die erste Fremdsprache ab der 3. Klasse zu unterrichten, die zweite ab der 5. Klasse, werden wir durchsetzen.Mehr bringt man nicht zustande. Dass alle mit Französisch anfangen , ist illusorisch.
Braucht es ein Bundesamt für Volksschule, damit an den Schweizer Schulen endlich ein einheitlicher Unterricht stattfindet?
Nein, ich glaube nicht. Das würde auch nicht funktionieren. Dafür ist der Föderalismus in der Schweiz zu stark. 

1 Kommentar:

  1. Die Verfassung schreibt eine Vereinheitlichung der wichtigsten Schulbereiche vor. Eymann sagt, dazu gehörten zwei Primarfremdsprachen. Ist aus Sicht einer Vereinheitlichung nicht wichtiger, dass überall mit der gleichen Fremdsprache begonnen wird? Ich vermute, dass genau dies der Volkswille ist, der hinter dem Bildungsartikel steht. Wenn wir dies nicht schaffen, dann ist es doch müssig, darüber zu streiten, wann genau der Beginn des Fremdsprachenunterrichts ist - von Harmonisierung kann dann ja sowieso nicht mehr gesprochen werden.

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