5. August 2014

Weniger Schüler und mehr Lehrer

Die Schülerzahlen im Kanton Aargau sind in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen, während die Zahl der Lehrer stieg? Warum ist dies so? Ein wichtiger Grund liegt bei den zwei Fremdsprachen in der Primarschule, die im Normalfall von unterschiedlichen Lehrkräften unterrichtet werden.


Sparpolitiker wollen wissen, weshalb es immer mehr Lehrer braucht. Bild: Aargauer Zeitung

Mehr Lehrer für weniger Schüler: Hat der Aargau gar keinen Lehrermangel? Aargauer Zeitung, 5.8. von Urs Moser


Über das Sparprogramm des Kantons Aargau wurde und wird nach der Sommerpause im Parlament wieder heftig und emotional diskutiert. Besonders umstritten sind Sparmassnahmen im Bildungswesen. Für die einen sind sie ein unverzeihlicher Fehler. Für die Sparapostel darf es aber auch hier kein Tabu geben. Eines ihrer Argumente in der Debatte: Angesichts des Wachstums des Schulapparats bei tendenziell sinkenden Schülerzahlen müsse es erlaubt sein, auch hier das eine oder andere zu hinterfragen.
Die eben vom Kanton veröffentlichte Lehrkräfte- und Schulstatistik scheint genau dieses Argument zu untermauern. Im Jahr 2000 hatten im Aargau in der Volksschule exakt 5971 Lehrkräfte unterrichtet. Im letzten Jahr waren es 6705. Ein beachtlicher Anstieg um über 12 Prozent, während die Zahl der Schüler von 64'848 auf 58'535 um 10 Prozent zurückgegangen ist.
Sogar zu viele Lehrkräfte?
Das scheinbare Missverhältnis relativiert sich zwar, wenn man nicht die Gesamtzahl der Lehrkräfte – sie arbeiten zu einem grossen Teil Teilzeit, der Beschäftigungsgrad liegt bei durchschnittlich 68 Prozent – betrachtet, sondern ihre Pensen auf Vollzeitstellen umrechnet: Dann beträgt die Zunahme im Vergleich zum Jahr 2000 nämlich nur 1,5 Prozent. Aber auch so ist das Wachstum noch beeindruckend. Letztes Jahr kamen ziemlich genau 13 Schüler auf ein Lehrer-Vollpensum, im Jahr 2000 waren es noch fast 15. Wäre dieses Verhältnis stabil geblieben, käme man heute mit über 400 Vollpensen weniger als damals aus statt mit 65 mehr, mit fast 600 Lehrkräften weniger statt über mit 700 mehr.
Gibt es am Ende nicht zu wenig, sondern sogar zu viele Lehrkräfte? «Sicher nicht», widerspricht der Aargauer SP-Bildungspolitiker (und Lehrer) Thomas Leitch. Die Steigerung trotz gesunkener Schülerzahlen ist für ihn einfach begründbar: Da seien zum Beispiel der Fremdsprachenunterricht bereits in der Primarschule und die mit der Reform «Stärkung der Volksschule» eingeführten Zusatzlektionen für besonders belastete Schulen, die mehr Lehrpersonal benötigen. Und der Bedarf an Lehrkräften sinke nicht automatisch, wenn die Schülerzahlen zurückgehen, denn man könne nicht nach Belieben Klassen zusammenlegen.
Weniger Lohn, ...
Zu viele Lehrer? Auf die gleiche Frage antwortet der SVP-Fraktionschef und Gemeindeammann Andreas Glarner ebenso entschieden mit Ja, wie der SP-Politiker den Verdacht von sich weist: Seit er vor 17 Jahren als Gemeinderat anfing, habe sich in Oberwil-Lieli die Zahl der Lehrpersonen mehr als verdoppelt. «Da kann doch etwas nicht stimmen», findet Glarner. Ein Grund für ihn: «Die Löhne sind offensichtlich zu hoch.» Sonst könnten es sich nicht immer mehr Lehrer – hauptsächlich Lehrerinnen – leisten, mit einem Teilpensum zu unterrichten, so Glarner.
... grössere Klassen
Wieder rückgängig machen würde er auch die auf das neue Schuljahr in Kraft tretende Reduktion der maximalen Klassengrösse an der Primarschule von 28 auf 25 Schüler. Die durchschnittliche Klassengrösse wird damit etwa bei 18 Schulkindern liegen. Das sei flexibler zu handhaben, fordert der Aargauer SVP-Politiker: Bei einer schwierigen Klasse könnten tatsächlich bereits 15 Schüler für eine Lehrkraft zu viel sein, in anderen Fällen könnten es aber auch mehr als 25 sein.
Im Gegenzug zur Reduktion der maximalen Klassengrösse wird mit dem Sparpaket die Mindestgrösse von zwölf auf 15 Schüler angehoben. Der Kanton Aargau will damit fast zwei Millionen sparen. Wie weit sich die Beschlüsse gegenseitig neutralisieren, konnte das Aargauer Bildungsdepartement gestern nicht beziffern. Was die Entwicklung der Lehrerpensen betrifft, stützt Sprecherin Sascha Giger die Darstellung des linken Bildungspolitikers: Wohl seien die Klassengrössen gesunken, aber eben nicht so tief, dass deswegen weniger Klassen geführt und Lehrerpensen eingespart werden konnten. Weiter verweist sie auf eine Verordnungsänderung von 2012, mit der die für ein Vollpensum erforderliche Lektionenzahl reduziert wurde.


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