Sparpolitiker wollen wissen, weshalb es immer mehr Lehrer braucht. Bild: Aargauer Zeitung
Mehr Lehrer für weniger Schüler: Hat der Aargau gar keinen Lehrermangel? Aargauer Zeitung, 5.8. von Urs Moser
Über das Sparprogramm des Kantons Aargau wurde und wird nach der
Sommerpause im Parlament wieder heftig und emotional diskutiert. Besonders
umstritten sind Sparmassnahmen im Bildungswesen. Für die einen sind sie ein
unverzeihlicher Fehler. Für die Sparapostel darf es aber auch hier kein Tabu
geben. Eines ihrer Argumente in der Debatte: Angesichts des Wachstums des
Schulapparats bei tendenziell sinkenden Schülerzahlen müsse es erlaubt sein,
auch hier das eine oder andere zu hinterfragen.
Die
eben vom Kanton veröffentlichte Lehrkräfte- und Schulstatistik scheint genau
dieses Argument zu untermauern. Im Jahr 2000 hatten im Aargau in der
Volksschule exakt 5971 Lehrkräfte unterrichtet. Im letzten Jahr waren es 6705.
Ein beachtlicher Anstieg um über 12 Prozent, während die Zahl der Schüler von 64'848
auf 58'535 um 10 Prozent zurückgegangen ist.
Sogar zu viele Lehrkräfte?
Das
scheinbare Missverhältnis relativiert sich zwar, wenn man nicht die Gesamtzahl
der Lehrkräfte – sie arbeiten zu einem grossen Teil Teilzeit, der
Beschäftigungsgrad liegt bei durchschnittlich 68 Prozent – betrachtet, sondern
ihre Pensen auf Vollzeitstellen umrechnet: Dann beträgt die Zunahme im
Vergleich zum Jahr 2000 nämlich nur 1,5 Prozent. Aber auch so ist das
Wachstum noch beeindruckend. Letztes Jahr kamen ziemlich genau 13 Schüler auf
ein Lehrer-Vollpensum, im Jahr 2000 waren es noch fast 15. Wäre dieses
Verhältnis stabil geblieben, käme man heute mit über 400 Vollpensen weniger als
damals aus statt mit 65 mehr, mit fast 600 Lehrkräften weniger statt über mit
700 mehr.
Gibt
es am Ende nicht zu wenig, sondern sogar zu viele Lehrkräfte? «Sicher nicht»,
widerspricht der Aargauer SP-Bildungspolitiker (und Lehrer) Thomas Leitch. Die
Steigerung trotz gesunkener Schülerzahlen ist für ihn einfach begründbar: Da
seien zum Beispiel der Fremdsprachenunterricht bereits in der Primarschule und
die mit der Reform «Stärkung der Volksschule» eingeführten Zusatzlektionen für
besonders belastete Schulen, die mehr Lehrpersonal benötigen. Und der Bedarf an
Lehrkräften sinke nicht automatisch, wenn die Schülerzahlen zurückgehen, denn
man könne nicht nach Belieben Klassen zusammenlegen.
Weniger Lohn, ...
Zu
viele Lehrer? Auf die gleiche Frage antwortet der SVP-Fraktionschef und
Gemeindeammann Andreas Glarner ebenso entschieden mit Ja, wie der SP-Politiker
den Verdacht von sich weist: Seit er vor 17 Jahren als Gemeinderat anfing, habe
sich in Oberwil-Lieli die Zahl der Lehrpersonen mehr als verdoppelt. «Da kann
doch etwas nicht stimmen», findet Glarner. Ein Grund für ihn: «Die Löhne sind
offensichtlich zu hoch.» Sonst könnten es sich nicht immer mehr Lehrer –
hauptsächlich Lehrerinnen – leisten, mit einem Teilpensum zu unterrichten, so
Glarner.
... grössere Klassen
Wieder
rückgängig machen würde er auch die auf das neue Schuljahr in Kraft tretende Reduktion
der maximalen Klassengrösse an der Primarschule von 28 auf 25 Schüler. Die
durchschnittliche Klassengrösse wird damit etwa bei 18 Schulkindern liegen. Das
sei flexibler zu handhaben, fordert der Aargauer SVP-Politiker: Bei einer
schwierigen Klasse könnten tatsächlich bereits 15 Schüler für eine
Lehrkraft zu viel sein, in anderen Fällen könnten es aber auch mehr als 25
sein.
Im
Gegenzug zur Reduktion der maximalen Klassengrösse wird mit dem Sparpaket die
Mindestgrösse von zwölf auf 15 Schüler angehoben. Der Kanton Aargau will
damit fast zwei Millionen sparen. Wie weit sich die Beschlüsse gegenseitig
neutralisieren, konnte das Aargauer Bildungsdepartement gestern nicht
beziffern. Was die Entwicklung der Lehrerpensen betrifft, stützt Sprecherin
Sascha Giger die Darstellung des linken Bildungspolitikers: Wohl seien die
Klassengrössen gesunken, aber eben nicht so tief, dass deswegen weniger Klassen
geführt und Lehrerpensen eingespart werden konnten. Weiter verweist sie auf
eine Verordnungsänderung von 2012, mit der die für ein Vollpensum erforderliche
Lektionenzahl reduziert wurde.
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