2. August 2014

Auch Schweizer-Hochdeutsch ist nicht minderwertig

Linguistikprofessorin Helen Christen plädiert dafür, unsere Mundarten Anderssprachigen gegenüber selbstbewusst als normale informelle Alltagssprache zu vermitteln. Sie thematisiert auch «die sprachlichen Konsequenzen der vermehrten Präsenz von Hochdeutsch in der Deutschschweiz». Ihre Ausführungen möchte ich durch zwei meines Erachtens bedenkliche Konsequenzen ergänzen: Es gibt immer mehr Schweizerinnen und Schweizer, die sich ihres gerollten Rs schämen und meinen, sie müssten das Zäpfchen-R verwenden, wenn sie Hochdeutsch sprechen; eine Umstellung, die auch bei den «Modellsprechern» von Radio und Fernsehen meist aufgesetzt wirkt. Noch befremdlicher finde ich die zunehmend praktizierte Unart, das R als A auszusprechen oder ganz zu verschlucken. Im Bestreben, das Hochdeutsch der (Nord-)Deutschen nachzuahmen, verwenden mehr und mehr auch gebildete Schweizerinnen und Schweizer in der indirekten Rede fälschlicherweise den Konjunktiv II - z. B. er sagte, er wäre (statt sei) krank.

Ich meine nicht, dass wir unser Schweizer-Hochdeutsch wie Dürrenmatt zelebrieren sollten, aber wir sollten es ohne lächerliche Verrenkungen selbstbewusst verwenden, denn nicht nur unsere Dialekte sind «nicht minderwertig» (Christen), sondern auch unser Schweizer-Hochdeutsch.
Leserbrief, NZZ, 2.8. von Manfred Kämpfen

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