27. Juli 2014

"Der Lehrplan 21 droht abzustürzen"

In einem Kommentar äussert sich Anja Burri zur Vorgehensweise bei der Erstellung des Lehrplans 21. Eine echte Diskussion liessen die Macher nicht zu. Jetzt findet die Debatte verzögert statt, und die Kritiker sind gezwungen, zu drastischen Mitteln zu greifen.




"Die Gegner - auch namhafte Wissenschaftler - warnen vor einem Bildungsabbau", Bild: Tages Anzeiger

Vorsicht, Absturzgefahr! Tages Anzeiger, 26.7., Kommentar von Anja Burri


Der Lehrplan 21 soll eine längst überfällige Harmonisierung bringen: Endlich würden für alle Deutschschweizer Schulkinder die gleichen Lernziele gelten. Weil sie wussten, dass ein solches Werk unzählige ­Begehrlichkeiten weckt, wollten die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren (D-EDK) ein unkoordiniertes ­Jekami vermeiden. Hinter verschlossenen Türen ­erarbeiteten Fachleute die Lernziele. Nur während ein paar Monaten hatte die Öffentlichkeit Gelegenheit, Kritik zu äussern. Die Rechnung schien aufzugehen: Die überwiegende Mehrheit der Rückmeldungen sei positiv, vermeldete die D-EDK unlängst. Man werde die wichtigsten Kritikpunkte berücksichtigen und den Lehrplan anpassen. Eine echte Diskussion liessen die Lehrplanmacher mit diesem Zeitplan nicht zu.
Jetzt findet die Debatte verzögert statt, und die Kritiker sind gezwungen, zu drastischen Mitteln zu greifen. Sie schliessen sich zusammen und lancieren Volksinitiativen. Es ist kein Zufall, dass viele nun wieder aktiv werden, die bereits das Konkordat Harmos zur Schulharmonisierung bekämpften. Das sollte die Bildungsbürokraten aufrütteln: Harmos wurde in ­sieben Kantonen abgelehnt. In zwei weiteren steht das Konkordat nun mit den Initiativen auf der Kippe.
Die Lehrplangegner sind längst nicht nur Ewiggestrige und Religiöse, die sich an der Sexualkunde oder dem Genderbegriff stören. Vielen geht es um eine grundsätzliche Debatte über die Ausrichtung der Volksschule. Sie beobachten die immer neuen ­Reformen mit Unbehagen. Aus ihrer Sicht ist die Kompetenz­orientierung, die der Lehrplan einführt, keine harmlose Anpassung an die moderne Pädagogik, wie es die Lehrplanmacher darstellen. Die Gegner – auch namhafte Wissenschaftler – warnen vor einem Bildungsabbau wie in Nordamerika. Dort wurden die von der OECD propagierten Standards, die sich nach den Bedürfnissen der Wirtschaft richten, bereits eingeführt. Wer es sich in den USA leisten kann, schickt sein Kind in eine Privatschule. Es ist nicht bewiesen, dass hier dasselbe passieren wird. Aber wenn sich die Bildungsdirektoren weiter weigern, auf Augenhöhe mit den Kritikern zu diskutieren, droht der Totalabsturz.


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