Unzweifelhaft können zu grosse Klassen an der
Volksschule das Unterrichten erschweren. Für einen modernen,
individualisierenden, der heutigen Vielfalt im Klassenzimmer gerecht werdenden
Unterricht bilden Gruppen von begrenzter Grösse eine Grundvoraussetzung. Über
den richtigen Grenzwert kann man sich streiten. Gerne werden Studien zitiert,
die ihn bei rund 30 Schülerinnen und Schülern ansetzen. Damit wäre der Kanton
Zürich fein raus aus den Debatten über die Verkleinerung der Schulklassen. Nur
132 Zürcher Volksschulklassen zählen im Kanton Zürich 26 oder mehr Kinder und
Jugendliche.
Warum die Frage der zu grossen Klassen dennoch
viele Eltern, Lehrkräfte und Schulbehörden umtreibt, ist schwer zu sagen. Sie
scheint eine einfache Messgrösse für ein Unbehagen zu sein, das sehr
mannigfaltige Ursachen und unterschiedliche Träger haben kann. Eltern haben das
Gefühl, dass ihren Kindern zu wenig Aufmerksamkeit zukommt. Lehrer fühlen sich
mit der grossen Spannweite der Ansprüche überfordert. Schulbehörden, die eigentlich
lieber kleine Klassen hätten, können ihre guten Absichten wegen Sachzwängen
nicht genügend umsetzen.
Quelle: NZZ, 3.6. von Walter Bernet
Zur Bekämpfung dieses Unbehagens stehen im Kanton
Zürich nach dem gestrigen Vorentscheid des Kantonsrats zwei Vorschläge zur
Debatte: eine Volksinitiative, die die Klassengrösse strikt auf 20 Schülerinnen
und Schüler beschränken will, und ein Gegenvorschlag, der 100 zusätzliche
Lehrerstellen im kantonalen Pool schaffen will, die von den Schulbehörden bei
Bedarf beansprucht werden könnten. Der erste Vorschlag operiert mit der
Giesskanne und würde geschätzte 120 Millionen Franken kosten, der zweite lässt
eine gezieltere Unterstützung zu und würde Kanton und Gemeinden mit rund 15
Millionen Franken belasten.
Beide sind abzulehnen. Beim ersten Vorschlag stehen
Aufwand und Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis, beim zweiten ist der
Nutzen nicht genügend geklärt. Denn die einfache Gleichung mehr Lehrkräfte =
mehr Qualität geht nicht auf. Es handelt sich um einen typischen politischen
Kompromiss, bei dem die Kosten einigermassen vertretbar erscheinen, der Nutzen
aber vor allem in einer die Gemüter beruhigenden Wirkung liegt. Will man etwas
für die Unterrichtsqualität tun oder einfach die Lehrer entlasten? Darüber
müsste man sich zuerst klar werden. Fest steht: Für beides spielt die
Klassengrösse nicht die wichtigste Rolle.
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