3. Juni 2014

Zuerst Ziele klar deklarieren

Unzweifelhaft können zu grosse Klassen an der Volksschule das Unterrichten erschweren. Für einen modernen, individualisierenden, der heutigen Vielfalt im Klassenzimmer gerecht werdenden Unterricht bilden Gruppen von begrenzter Grösse eine Grundvoraussetzung. Über den richtigen Grenzwert kann man sich streiten. Gerne werden Studien zitiert, die ihn bei rund 30 Schülerinnen und Schülern ansetzen. Damit wäre der Kanton Zürich fein raus aus den Debatten über die Verkleinerung der Schulklassen. Nur 132 Zürcher Volksschulklassen zählen im Kanton Zürich 26 oder mehr Kinder und Jugendliche.
Warum die Frage der zu grossen Klassen dennoch viele Eltern, Lehrkräfte und Schulbehörden umtreibt, ist schwer zu sagen. Sie scheint eine einfache Messgrösse für ein Unbehagen zu sein, das sehr mannigfaltige Ursachen und unterschiedliche Träger haben kann. Eltern haben das Gefühl, dass ihren Kindern zu wenig Aufmerksamkeit zukommt. Lehrer fühlen sich mit der grossen Spannweite der Ansprüche überfordert. Schulbehörden, die eigentlich lieber kleine Klassen hätten, können ihre guten Absichten wegen Sachzwängen nicht genügend umsetzen.
Quelle: NZZ, 3.6. von Walter Bernet

Zur Bekämpfung dieses Unbehagens stehen im Kanton Zürich nach dem gestrigen Vorentscheid des Kantonsrats zwei Vorschläge zur Debatte: eine Volksinitiative, die die Klassengrösse strikt auf 20 Schülerinnen und Schüler beschränken will, und ein Gegenvorschlag, der 100 zusätzliche Lehrerstellen im kantonalen Pool schaffen will, die von den Schulbehörden bei Bedarf beansprucht werden könnten. Der erste Vorschlag operiert mit der Giesskanne und würde geschätzte 120 Millionen Franken kosten, der zweite lässt eine gezieltere Unterstützung zu und würde Kanton und Gemeinden mit rund 15 Millionen Franken belasten.

Beide sind abzulehnen. Beim ersten Vorschlag stehen Aufwand und Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis, beim zweiten ist der Nutzen nicht genügend geklärt. Denn die einfache Gleichung mehr Lehrkräfte = mehr Qualität geht nicht auf. Es handelt sich um einen typischen politischen Kompromiss, bei dem die Kosten einigermassen vertretbar erscheinen, der Nutzen aber vor allem in einer die Gemüter beruhigenden Wirkung liegt. Will man etwas für die Unterrichtsqualität tun oder einfach die Lehrer entlasten? Darüber müsste man sich zuerst klar werden. Fest steht: Für beides spielt die Klassengrösse nicht die wichtigste Rolle.

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