14. Juni 2014

Entlastung zahlt sich aus

Was erhält man, wenn ein Lehrer unter eine Dampfwalze gerät? Einen farbigen Ferienprospekt. Der Witz ist alt. Aber hartnäckig hält sich der Verdacht, dass dessen Aussage wahr ist: Lehrerinnen und Lehrer sind Ferientechniker mit ihren 13 Wochen Urlaub. Nun zeigt sich mit den neuen Zahlen, dass der Stammtisch falsch liegt. Lehrerinnen und Lehrer sind besonders häufig von Burn-out betroffen. In Deutschland zum Beispiel scheiden Lehrpersonen im Schnitt zehn Jahre vor dem regulären Pensionsalter aus dem Dienst aus. In der Schweiz ist das Problem nicht minder gravierend. In der Stadt Zürich werden jedes Jahr viele Lehrpersonen wegen ihres Stresses IV-abhängig. Innert fünf Jahren sind so rund 400 Arbeitsjahre verloren ­gegangen, und der Invalidenversicherung sind Kosten in Millionenhöhe entstanden.
Kommentar von Daniel Schneebeli, Tages Anzeiger, 14.6.


Natürlich gibt es in anderen Berufen auch Burn-out, wir kennen sie aus Bundesbern: Natalie Rickli, Yvan Perrin, Rolf Schweiger. Doch Lehrer sind weit überdurchschnittlich betroffen. Der Lieblingsgrund, den Lehrpersonen angeben, ist die Belastung durch Schulreformen: neue Unterrichtsformen, Kooperation mit anderen Lehrern, mehr Zusammenarbeit mit den Eltern, Integration von schwierigen Schülern. Doch der Lehrerberuf war schon vor allen Reformen ein Verschleissjob. Wer mit Kindern oder – noch anstrengender – mit Teenagern arbeitet, weiss: Jeden Morgen muss man die Zügel vor der Klasse neu in die Hände nehmen, eine Anlaufzeit hinter dem Computer gibt es nie, und am Abend kann es nach einem schlechten Tag ganz schön weiterarbeiten im Kopf.

Nun fordern die Lehrer tiefere Unterrichtsverpflichtungen. Diese Forderung ist verständlich und auch gerechtfertigt. Im internationalen Vergleich müssen Schweizer Lehrer viel unterrichten. Die Chancen, dass die Politik das nötige Geld für tiefere Pensen ­lockermacht, sind gering. Doch bevor die Politiker im Ratssaal den Nein-Knopf drücken, sollten sie bedenken: In erster Linie kommt es den Kindern zugute, wenn sie von einer gesunden Lehrperson unterrichtet werden. Zudem ist es finanziell interessant, wenn weniger Lehrer krankgeschrieben werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen