Gleichschaltung des Unterrichts nach DDR-Manier? Bild: Basellandschaftliche Zeitung
Frontalangriff auf Bildungsdirektor Urs Wüthrich, Basler Zeitung, 8.5. von Boris Gygax
Das Komitee Starke
Schule Baselland fährt rhetorisch schweres Geschütz gegen die Bildungsdirektion
auf. Von «Ideologie nach DDR-Manier» ist in einem Communiqué die Rede, von
einer «Demontage des Schulsystems», «Gleichschaltung» und «Meinungsdiktatur».
Zu guter Letzt fordert es nichts weniger als den Rücktritt des Bildungsdirektors
Urs Wüthrich: «Das Komitee Starke Schule Baselland befürwortet einen möglichst
schnellen Wechsel an der Spitze der Bildungsdirektion.»
Anlass für den neusten
Aufreger ist die Broschüre «Pädagogische Kooperation» der Bildungsdirektion.
Zurzeit beraten die Schulleitungen darüber, wie die Lehrer künftig
zusammenarbeiten sollen. Das Ziel: Die Teamarbeit soll einheitlich geregelt
werden. Konkret: Die Arbeitsteilung unter den Lehrern und die Art der
Vermittlung der Inhalte werden festgelegt. Was bisher die Lehrer organisieren
konnten, wird nach den Wünschen der Bildungsdirektion standardisiert. Jede
Schulleitung soll in Zukunft ein Modell bestimmen, nach dem sich die Lehrkräfte
zu richten haben.
Damit missachte der
Kanton die Grundrechte der Lehrperson in ihrer methodischen und didaktischen
Unterrichtstätigkeit, findet Michael Pedrazzi, Vorstandsmitglied des Komitees
Starke Schule Baselland. Im Bildungsgesetz sei die freie Gestaltung des
Unterrichts innerhalb der Lehrpläne und des Schulprogramms verankert. «Was
bleibt uns Lehrern noch, wenn wir den Unterricht nach einem Schema X gestalten
müssen?», fragt sich der Sekundarlehrer. Zudem würden Lehrer mit der Vorgabe
unter Druck gesetzt: «Wer sich nicht fügen will, dem droht die Kündigung.»
«Niveaulose Verlautbarung»
Diese
«Zwangsvereinheitlichung» sei ein Frontalangriff auf ein funktionierendes
Bildungssystem, legt Pedrazzi nach. Die heutige Zusammenarbeit zwischen den
Lehrpersonen funktioniere ausgezeichnet. Werde eine Regelung in das
Schulprogramm integriert, komme dies einer Überwachung der Unterrichtsmethoden
gleich, «einer Lehrtätigkeit à la DDR-Arbeitsbrigaden». Darum sei der harsche
Begriff gerechtfertigt, findet Geschichtslehrer Pedrazzi.
Bildungsdirektor Urs
Wüthrich möchte sich zu diesen Vorwürfen gar nicht erst erklären. «Aus Respekt
gegenüber den zahlreichen Lehrpersonen, die mit hoher Professionalität und
grossem Engagement ihre anspruchsvolle Aufgabe erfüllen, beteilige ich mich
nicht an der öffentlichen Diskussion über diese absolut niveaulose Verlautbarung»,
sagt er auf Anfrage. Gerne hätte die BaZ von ihm gewusst, was die
Bildungsdirektion mit dieser Broschüre genau beabsichtigt und wie verbindlich
die Vorgaben sein werden. Offensichtlich scheint darüber keine Klarheit zu
herrschen.
Michael Weiss, interimistischer
Präsident des Lehrervereins (LVB), kritisierte die Broschüre bereits, nachdem
sie im November zufällig in seine Hände geraten war. Er schrieb im Januar in
der Verbandszeitschrift: «Die Broschüre überschreitet die Grenzen des
Vernünftigen und Notwendigen.» Zudem würde der Lehrerberuf dadurch weiter an
Attraktivität verlieren, die Lehrer würden zu «Standardtrainern» degradiert und
das vorgesehene Konzept missachte die Authentizität der Lehrpersonen, die zu
den «allerwichtigsten Bedingungen für ein erfolgreiches Lehren gehören».
Heute sieht er die ganze
Angelegenheit etwas gelassener. Durch die Wegleitung schlage die
Bildungsdirektion lediglich Modelle vor, «mehr darf es auch nicht sein», betont
Weiss. Das Papier sei lediglich eine Art von Orientierungshilfe. So habe es
jedenfalls Bildungsdirektor Urs Wüthrich an der LVB-Delegiertenversammlung im
April dargestellt. «Hier werde ich ihn beim Wort nehmen». Ganze anders
Pedrazzi: Auf den 72 Seiten tauchen die Begriffe «Verankerung» und «Verbindlichkeiten»
immer wieder auf. Er befürchtet, dass ein dogmatischer Paradigmenwechsel durch
die Hintertüre eingeführt werde.
Drei Monate für eine
Antwort
Schon an der
Delegiertenversammlung des LVB Anfang April sorgte dieser Punkt für
Verunsicherung. Damals wurde Thomas von Felten, Harmos-Mandatsleiter der
Sekundarstufe 1, mit der Frage konfrontiert, ob Lehrern gekündigt werden könne,
wenn sie das beschlossene Modell der Schulleitung nicht mittragen würden. Nur
zögerlich bestätigte dies von Felten.
Es ist nicht das erste
Mal, dass es im Projekt Bildungsharmonisierung diesbezüglich an klarer
Kommunikation und Transparenz mangelt. Weiss forderte schon im Dezember 2013
eine Stellungnahme des Bildungsdirektors, wie verbindlich die Broschüre sei.
Eine Antwort erhielt er an der erwähnten Veranstaltung des LVB im April.
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