28. Mai 2014

Fussball-WM: Da müssen wir durch

Schüler und Lehrer fiebern der kommenden Fussball-Weltmeisterschaft entgegen. In der Schweiz wird in den Medien dazu klar kommuniziert, dass keine Lektionsverschiebungen vorgesehen seien. Ganz anders geht z.B. Deutschland mit dem Riesen-Event um. In mehreren deutschen Bundesländern, darunter Baden-Württemberg, erlauben die Kultusministerien, dass die Schulen Lektionen verschieben. Sie wollen verhindern, dass Schüler verschlafen zum Unterricht erscheinen.



Die letzte WM in Südafrika lag zeitlich günstiger als Brasilien, Bild: Stefan Schaufelberger

Nachts mitfiebern, morgens büffeln, Thurgauer Zeitung, 27.5. von Inge Staub


Im Thurgau ist es ebenfalls möglich, Lektionen zu verschieben. «Das ist Sache der einzelnen Schulgemeinden», sagt Walter Berger. Der Chef des kantonalen Amtes für Volksschule steht der Idee, später mit dem Unterricht zu beginnen, allerdings skeptisch gegenüber. «Die WM ist nicht unbedingt ein Anlass, der Absenzen rechtfertigt», sagt er. Angesichts der modernen technischen Möglichkeiten, sei es nicht erforderlich, den Stundenplan auf den Kopf zu stellen. Fussballfans könnten Spiele, die nach 22 Uhr ausgetragen werden, aufnehmen.
Eine Umfrage unserer Zeitung ergab, dass Thurgauer Schulen keine Rücksicht auf nicht ausgeschlafene Schüler nehmen werden. An der Kantonsschule Frauenfeld werden pro Woche rund 1600 Lektionen erteilt. Zudem hat die Schule zu wenige Spezialräume für Informatik, Chemie, Biologie, Physik, Bildnerisches Gestalten, Werken. «Auch pflegen wir vielfältige Unterrichtsformen, was zu einem komplexen und vollen Stundenplan führt. Wir haben also gar keine Möglichkeiten, im grösseren Stil Lektionen zu verschieben», sagt Rektor Hanspeter Hitz.
Leistung erbringen
Auch an der Kanti Romanshorn wird, wie Rektor Alois Krähenmann informiert, aus denselben Gründen nach Stundenplan unterrichtet. Die Kantonsschulen vergleichen sich mit Lehrbetrieben. «Unsere Schülerinnen und Schüler müssen analog Lehrlingen und Berufstätigen ihre Leistung erbringen, unabhängig von ihrer Freizeitbetätigung», sagt Arno Germann, Rektor der Kanti Kreuzlingen.
Das Bildungszentrum für Technik in Frauenfeld kennt ebenfalls kein Pardon. Rektor René Strasser: «Auf Grund des Bildungsauftrages können wir es uns nicht leisten, Lektionen zu streichen.» Selbst die Schülerinnen und Schüler der Thurgauer Sportschulen müssen um 7.25 Uhr zum Unterricht erscheinen. Die Nationale Elitesportschule Thurgau (NET) verschiebt grundsätzlich für Sportevents keine Lektionen. «Sonst ist ein ordentliches Schuljahr nicht mehr möglich, weil über 80 WM-Events in verschiedenen Sportarten pro Jahr stattfinden», teilt Gesamtleiter und Geschäftsführer Mirko Spada mit. Es gibt an der NET eine Ausnahme. Qualifiziert sich ein Schweizer Team für einen Final, dann prüft die Schule, ob der Unterricht kurzfristig verschoben werden kann.
Die Sekundarschule Bürglen wird von 160 Schülerinnen und Schülern besucht. Obwohl zwei Sportschulen integriert sind, zeigt auch Bürglen Langschläfern während der WM die gelbe Karte. «Der Unterricht geht für alle vor», sagt Schulpräsident Rolf Gmünder.
Auch wenn die Schulen ihren Normalbetrieb weiterführen, so macht sich doch mancher Lehrer Sorgen, dass das eine oder andere Kind übermüdet zur Schule kommen könnte. Gebi Matthey, Rektor der Schule Kurzdorf in Frauenfeld, machte in der «Elternpost» auf diese Problematik aufmerksam. Er schlägt Eltern vor, mit ihren Kindern im voraus zu definieren, welchen Matsch sie sehen dürfen und um welche Uhrzeit Zapfenstreich ist. «Trotz der WM müssen sie ihre Leistung bringen.»
«Da müssen wir durch»

Wie halten es die Eltern mit der Absicht der Schulen, während des Fussball-Events, der vom 12. Juni bis 13. Juli dauert, nicht von ihrem Programm abzuweichen? «Ich kann das verstehen», sagt Jacqueline Egli vom Elternrat Steckborn. «Vor den Sommerferien läuft so viel in den Schulen. Diese können gar nicht auf alles Rücksicht nehmen.» Als Mutter von sechs fussballbegeisterten Jungs weiss sie, dass bei den Schülern sicher das Fussballfieber ausbrechen wird. Sie hat dennoch keine Bedenken, dass mögliche Prüfungen vermasselt werden. Jacqueline Egli ist überzeugt: «Die Schüler wissen: Da müssen wir jetzt durch.»

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