Die letzte WM in Südafrika lag zeitlich günstiger als Brasilien, Bild: Stefan Schaufelberger
Nachts mitfiebern, morgens büffeln, Thurgauer Zeitung, 27.5. von Inge Staub
Im Thurgau ist es ebenfalls
möglich, Lektionen zu verschieben. «Das ist Sache der einzelnen
Schulgemeinden», sagt Walter Berger. Der Chef des kantonalen Amtes für
Volksschule steht der Idee, später mit dem Unterricht zu beginnen, allerdings
skeptisch gegenüber. «Die WM ist nicht unbedingt ein Anlass, der Absenzen
rechtfertigt», sagt er. Angesichts der modernen technischen Möglichkeiten, sei
es nicht erforderlich, den Stundenplan auf den Kopf zu stellen. Fussballfans
könnten Spiele, die nach 22 Uhr ausgetragen werden, aufnehmen.
Eine Umfrage unserer
Zeitung ergab, dass Thurgauer Schulen keine Rücksicht auf nicht ausgeschlafene
Schüler nehmen werden. An der Kantonsschule Frauenfeld werden pro Woche rund
1600 Lektionen erteilt. Zudem hat die Schule zu wenige Spezialräume für
Informatik, Chemie, Biologie, Physik, Bildnerisches Gestalten, Werken. «Auch
pflegen wir vielfältige Unterrichtsformen, was zu einem komplexen und vollen
Stundenplan führt. Wir haben also gar keine Möglichkeiten, im grösseren Stil
Lektionen zu verschieben», sagt Rektor Hanspeter Hitz.
Leistung
erbringen
Auch an der Kanti
Romanshorn wird, wie Rektor Alois Krähenmann informiert, aus denselben Gründen
nach Stundenplan unterrichtet. Die Kantonsschulen vergleichen sich mit
Lehrbetrieben. «Unsere Schülerinnen und Schüler müssen analog Lehrlingen und
Berufstätigen ihre Leistung erbringen, unabhängig von ihrer
Freizeitbetätigung», sagt Arno Germann, Rektor der Kanti Kreuzlingen.
Das Bildungszentrum für
Technik in Frauenfeld kennt ebenfalls kein Pardon. Rektor René Strasser: «Auf
Grund des Bildungsauftrages können wir es uns nicht leisten, Lektionen zu
streichen.» Selbst die Schülerinnen und Schüler der Thurgauer Sportschulen
müssen um 7.25 Uhr zum Unterricht erscheinen. Die Nationale Elitesportschule
Thurgau (NET) verschiebt grundsätzlich für Sportevents keine Lektionen. «Sonst
ist ein ordentliches Schuljahr nicht mehr möglich, weil über 80 WM-Events in
verschiedenen Sportarten pro Jahr stattfinden», teilt Gesamtleiter und
Geschäftsführer Mirko Spada mit. Es gibt an der NET eine Ausnahme. Qualifiziert
sich ein Schweizer Team für einen Final, dann prüft die Schule, ob der
Unterricht kurzfristig verschoben werden kann.
Die Sekundarschule Bürglen
wird von 160 Schülerinnen und Schülern besucht. Obwohl zwei Sportschulen
integriert sind, zeigt auch Bürglen Langschläfern während der WM die gelbe
Karte. «Der Unterricht geht für alle vor», sagt Schulpräsident Rolf Gmünder.
Auch wenn die Schulen ihren
Normalbetrieb weiterführen, so macht sich doch mancher Lehrer Sorgen, dass das
eine oder andere Kind übermüdet zur Schule kommen könnte. Gebi Matthey, Rektor
der Schule Kurzdorf in Frauenfeld, machte in der «Elternpost» auf diese
Problematik aufmerksam. Er schlägt Eltern vor, mit ihren Kindern im voraus zu
definieren, welchen Matsch sie sehen dürfen und um welche Uhrzeit Zapfenstreich
ist. «Trotz der WM müssen sie ihre Leistung bringen.»
«Da müssen wir
durch»
Wie halten es die Eltern
mit der Absicht der Schulen, während des Fussball-Events, der vom 12. Juni bis
13. Juli dauert, nicht von ihrem Programm abzuweichen? «Ich kann das verstehen»,
sagt Jacqueline Egli vom Elternrat Steckborn. «Vor den Sommerferien läuft so
viel in den Schulen. Diese können gar nicht auf alles Rücksicht nehmen.» Als
Mutter von sechs fussballbegeisterten Jungs weiss sie, dass bei den Schülern
sicher das Fussballfieber ausbrechen wird. Sie hat dennoch keine Bedenken, dass
mögliche Prüfungen vermasselt werden. Jacqueline Egli ist überzeugt: «Die
Schüler wissen: Da müssen wir jetzt durch.»
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