Quelle: NZZ, 19.4.
Dass sich die Lehrerverbände vom nun
beendeten Projekt der Bildungsdirektion zur Entlastung der Lehrerschaft
enttäuscht oder gar empört zeigen, ist nachvollziehbar («Stille Beerdigung»,
NZZ 11. 4. 14). Schon vor Einführung der zahlreichen Schulreformen warnten
Fachleute davor, dass sich verschiedene Vorhaben nicht ohne weiteres
durchsetzen lassen würden, dass andere sich bestimmt nicht bewähren und dass
die Folgen allzu forschen Vorgehens viel zu wenig überdacht würden.
Die Warner haben recht bekommen. Es ist nun
vor allem die Lehrerschaft, welche unter verfehlten Strukturen und Abläufen
leidet und die schliesslich die Suppe auszulöffeln hat. Die gerade kürzlich
bekanntgewordene erschreckend hohe Quote von Abgängen junger Lehrpersonen hat
sicher auch mit diesen Unzulänglichkeiten zu tun.
Drei Teilgebiete seien kurz erwähnt: Wenn
schon die Lektionenzahl nicht vermindert werden kann, sollte man bei den
unzähligen Konferenzen, schulhausinternen Arbeitsgruppen, Q-Tagen,
Koordinationsgesprächen usw. radikal abbauen. Solche oft unnützen Belastungen
der Lehrpersonen fressen Zeit und Energie weg, die anderweitig besser gebraucht
werden könnten.
Vom Sorgenkind Integration schon gar nicht zu
sprechen. Mit der Aufhebung der Kleinklassen nahm die Belastung der Klassenlehrkräfte
vielerorts markant zu, obwohl die Integration bei betroffenen Kindern gar nicht
immer gute Resultate zeitigt.
Und geradezu ein Hohn ist das Projekt «Fokus
starke Lernbeziehungen», mit dem die Anzahl der an einer Klasse unterrichtenden
Lehrpersonen verkleinert werden soll.
Zuerst haben die pädagogischen Hochschulen
und die Bildungsdirektion das Schlamassel selber angerichtet mit der völlig
verfehlten Einführung von «Fächergruppenlehrkräften» und immer mehr im
täglichen Unterricht mitwirkenden Begleitpersonen, was sich bekanntermassen
ungünstig auf die Kinder auswirkt. Dann aber gleist man, statt Fehler
zuzugeben, mit hochtrabenden Worten ein «Projekt» auf, mit dem der
unausweichliche Rückwärtsgang beschönigt werden soll. Aber auch das bringt
leider herzlich wenig Entlastung für die Lehrerschaft und zeigt nur, wie
unüberlegt gewisse Teilkonzepte gestaltet wurden.
Hans-Peter Köhli, Zürich
Der Bildungsrat erklärt das Projekt Be-/Entlastung für
Lehrpersonen als abgeschlossen. Endlich wieder einmal ein Projekt, das zu einem
Ende kommt. Oder: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Das muss sich der Bildungsrat zum Abschluss des Projekts gedacht haben.
Wir erinnern uns: Man war sich einig, dass Klassenlehrpersonen zu
stark belastet sind und Lösungen zur Entlastung gesucht werden müssen. Ein
vielversprechender Anfang wurde gemacht, indem verschiedene Akteure im
Schulfeld sich am runden Tisch zusammengesetzt und Lösungswege diskutiert
haben. Eigentlich wäre zu erwarten, dass es weiterginge. Stattdessen wird das
Projekt kurzerhand als erfolgreich bezeichnet und abgeschlossen.
Damit sind die Hoffnungen der Lehrpersonen auf echte Verbesserung
der Arbeitsbedingungen einmal mehr enttäuscht worden. Im Beschluss wird betont,
dass mehrere Entlastungsmassnahmen umgesetzt seien. Zwei davon seien hier
erwähnt: Die Mitarbeiterbeurteilung (MAB) wurde mit dem Verzicht auf das
dreiseitige Dossier vereinfacht. Dennoch bindet die MAB im Verhältnis zum
Nutzen immer noch zu viele Ressourcen. Im Weiteren soll die Beurteilung der
Sprachen dadurch vereinfacht sein, dass die differenzierte Beurteilung nur noch
einmal im Jahr im Zeugnis festgehalten wird. Die notwendigen Daten und
Grundlagen müssen dennoch übers ganze Jahr erhoben werden.
Unter dem Strich bleibt faktisch wenig wirksame Entlastung.
Eigentlich ist gar nichts abgeschlossen: Die Belastung der Lehrpersonen an der
Volksschule, insbesondere der Klassenlehrpersonen, nimmt aus meiner Wahrnehmung
als Schulischer Heilpädagoge stetig zu. Was wirklich zu einer Entlastung führen
würde, nämlich die Reduktion der Pensen der Klassenlehrpersonen, wird aus
Kostengründen nicht in Betracht gezogen.
Köbi Moser, Mettmenstetten
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