19. April 2014

Harmos-Frust im Baselbiet

Bisher leugnete der Baselbieter Bildungsdirektor Urs Wüthrich, dass die Lehrer einen Ausstieg aus dem Bildungskonkordat befürworten. Doch das ernüchternde Resultat einer noch unveröffentlichen Umfrage unter Sek-Lehrern setzt ihn unter Druck.



Vier von fünf Seklehrern wollen raus aus Harmos, Bild: Keystone

Harmos-Frust ist bei den Lehrern grösser als bisher gedacht, Basellandschaftliche Zeitung, 17.4. von Leif Simonsen


Kurzzeitig entstand so etwas wie Verwirrung um die Haltung der Lehrer zur Bildungsharmonisierung Harmos. Vor zwei Wochen hatte sich der Lehrerverein Baselland (LVB) auf eine Umfrage unter Volksschullehrern berufen, als er sagte: Vier von fünf Lehrern wollen raus aus Harmos. Der Baselbieter SP-Bildungsdirektor und Harmos-Turbo Urs Wüthrich konterte daraufhin sinngemäss: Von dieser Umfrage halte er nicht viel, sie sei nicht repräsentativ. Er stünde in Kontakt mit den Lehrern und hätte im Grossen und Ganzen ein positives Feedback.
Zunächst schien Wüthrich recht zu behalten, als sich die Amtliche Kantonalkonferenz der Baselbieter Lehrer kurz darauf öffentlich für einen Verbleib bei Harmos starkmachte. Das Komitee «Starke Schule Baselland» machte sich verunsichert auf die Suche nach der Wahrheit. Bei den fünf Baselbieter Sekundarschulen in Gelterkinden, Liestal, Oberwil, Allschwil und Binningen schrieb es die Lehrer an und fragte nach, ob sie einen Harmos-Austritt befürworteten.
Der Rücklauf ist mit über 50 Prozent im Gegensatz zur Umfrage des LVB (etwas über 15 Prozent) beachtlich: Von den 281 angefragten Lehrern stimmten gemäss den Zahlen, die der bz vorliegen, 79,5 Prozent für einen Austritt – am stärksten ist die Kritik in Allschwil, wo über 90 Prozent einen Harmos-Austritt befürworten. Starke-Schule-Geschäftsführerin Saskia Olsson ist überzeugt: «Die Stimmbeteiligung ist sehr hoch, endlich haben wir aussagekräftige Zahlen.» Für Olsson sind diese Umfragewerte Munition. Ihr Komitee hat Ende Februar eine Initiative lanciert, welche den Harmos-Austritt des Kantons Baselland fordert.
Olsson sucht Kontakt zu Parlament
Die neuen Zahlen scheinen derweil nur einen nicht aus der Ruhe zu bringen: Bildungsdirektor Urs Wüthrich. Als er gestern mit dem Umfrageergebnis konfrontiert wurde, berief er sich abermals auf «persönliche Gespräche», die er im Rahmen von Schulbesuchen mit Lehrern geführt habe. Sie vermittelten dem Bildungsdirektor den Eindruck, dass die Lehrer weiterhin an Harmos glaubten. Gleichzeitig kann Wüthrich die Unzufriedenheit nachvollziehen. «Würde unter den Mitarbeitern von zwei fusionierenden Firmen der Privatwirtschaft eine Umfrage gemacht, dann wäre dort die Stimmung auch im Keller. So grosse Umstellungen kommen nie gut an.»
Saskia Olsson nimmt die Umfrageergebnisse zum Anlass, das Kernproblem der Bildungsharmonisierung anzupacken. In einer Medienmitteilung, welche sie demnächst verschickt, kündet sie an, den Lehrplan 21 und die Stundentafel auf die politische Agenda zu heben. Sie steht in Kontakt mit mehreren Mitgliedern der landrätlichen Bildungskommission. In den Umfragen habe sich nämlich auch gezeigt, dass Lehrplan und Stundentafel bei den Lehrern das grösste Unbehagen hervorrufen.
Kritisiert werden die neuen Kombifächer: Einzelfächer wie Geschichte und Geografie werden künftig beispielsweise zu «Räume, Zeiten, Gesellschaften» zusammengelegt – eine mittelbare Folge von Harmos. Von einem Harmos-Austritt, das weiss auch Lehrerverein-Präsident Michael Weiss, lässt sich der Baselbieter Bildungsdirektor nicht mehr überzeugen. Seine Forderung ist daher eine andere: «Wie bei den meisten grösseren Bauprojekten sollte er einen Nachtragskredit beantragen.» Damit könnten die Lehrer entlastet werden, die sich auf die neuen Sammelfächer vorbereiten müssen. «Heute bilden sie sich in der Freizeit auf die Schulumstellung weiter. Wir Lehrer fordern, dass wir dafür vom Unterricht freigestellt werden.»


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