Vier von fünf Seklehrern wollen raus aus Harmos, Bild: Keystone
Harmos-Frust ist bei den Lehrern grösser als bisher gedacht, Basellandschaftliche Zeitung, 17.4. von Leif Simonsen
Kurzzeitig entstand so
etwas wie Verwirrung um die Haltung der Lehrer zur Bildungsharmonisierung
Harmos. Vor zwei Wochen hatte sich der Lehrerverein Baselland (LVB) auf eine
Umfrage unter Volksschullehrern berufen, als er sagte: Vier von fünf Lehrern
wollen raus aus Harmos. Der Baselbieter SP-Bildungsdirektor und Harmos-Turbo
Urs Wüthrich konterte daraufhin sinngemäss: Von dieser Umfrage halte er nicht
viel, sie sei nicht repräsentativ. Er stünde in Kontakt mit den Lehrern und
hätte im Grossen und Ganzen ein positives Feedback.
Zunächst schien Wüthrich
recht zu behalten, als sich die Amtliche Kantonalkonferenz der Baselbieter
Lehrer kurz darauf öffentlich für einen Verbleib bei Harmos starkmachte. Das
Komitee «Starke Schule Baselland» machte sich verunsichert auf die Suche nach
der Wahrheit. Bei den fünf Baselbieter Sekundarschulen in Gelterkinden,
Liestal, Oberwil, Allschwil und Binningen schrieb es die Lehrer an und fragte
nach, ob sie einen Harmos-Austritt befürworteten.
Der Rücklauf ist mit
über 50 Prozent im Gegensatz zur Umfrage des LVB (etwas über 15 Prozent)
beachtlich: Von den 281 angefragten Lehrern stimmten gemäss den Zahlen, die der
bz vorliegen, 79,5 Prozent für einen Austritt – am stärksten ist die Kritik in
Allschwil, wo über 90 Prozent einen Harmos-Austritt befürworten.
Starke-Schule-Geschäftsführerin Saskia Olsson ist überzeugt: «Die
Stimmbeteiligung ist sehr hoch, endlich haben wir aussagekräftige Zahlen.» Für
Olsson sind diese Umfragewerte Munition. Ihr Komitee hat Ende Februar eine
Initiative lanciert, welche den Harmos-Austritt des Kantons Baselland fordert.
Olsson sucht Kontakt zu
Parlament
Die neuen Zahlen
scheinen derweil nur einen nicht aus der Ruhe zu bringen: Bildungsdirektor Urs
Wüthrich. Als er gestern mit dem Umfrageergebnis konfrontiert wurde, berief er
sich abermals auf «persönliche Gespräche», die er im Rahmen von Schulbesuchen mit
Lehrern geführt habe. Sie vermittelten dem Bildungsdirektor den Eindruck, dass
die Lehrer weiterhin an Harmos glaubten. Gleichzeitig kann Wüthrich die
Unzufriedenheit nachvollziehen. «Würde unter den Mitarbeitern von zwei
fusionierenden Firmen der Privatwirtschaft eine Umfrage gemacht, dann wäre dort
die Stimmung auch im Keller. So grosse Umstellungen kommen nie gut an.»
Saskia Olsson nimmt die
Umfrageergebnisse zum Anlass, das Kernproblem der Bildungsharmonisierung
anzupacken. In einer Medienmitteilung, welche sie demnächst verschickt, kündet
sie an, den Lehrplan 21 und die Stundentafel auf die politische Agenda zu
heben. Sie steht in Kontakt mit mehreren Mitgliedern der landrätlichen
Bildungskommission. In den Umfragen habe sich nämlich auch gezeigt, dass
Lehrplan und Stundentafel bei den Lehrern das grösste Unbehagen hervorrufen.
Kritisiert werden die
neuen Kombifächer: Einzelfächer wie Geschichte und Geografie werden künftig
beispielsweise zu «Räume, Zeiten, Gesellschaften» zusammengelegt – eine
mittelbare Folge von Harmos. Von einem Harmos-Austritt, das weiss auch
Lehrerverein-Präsident Michael Weiss, lässt sich der Baselbieter
Bildungsdirektor nicht mehr überzeugen. Seine Forderung ist daher eine andere:
«Wie bei den meisten grösseren Bauprojekten sollte er einen Nachtragskredit
beantragen.» Damit könnten die Lehrer entlastet werden, die sich auf die neuen
Sammelfächer vorbereiten müssen. «Heute bilden sie sich in der Freizeit auf die
Schulumstellung weiter. Wir Lehrer fordern, dass wir dafür vom Unterricht
freigestellt werden.»
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