Die Schnüerlischrift verschwindet, NZZaS, 6.4. von René Donzé
Generationen von Schülern haben sich mehr oder weniger erfolgreich
damit abgemüht. Und noch heute gilt die vor über 60 Jahren eingeführte
Schweizer Schulschrift, auch Schnüerlischrift genannt, in 15 der 21
deutschsprachigen Kantone als Standardschrift in den Schulen. Zuerst lernen die
Schüler eine Druckschrift, in der zweiten oder dritten Klasse kommt die
Schnüerlischrift dazu.
Damit soll Schluss sein, wenn es nach der Mehrheit der Kantone und
Pädagogischen Hochschulen (PH) geht. Sie wollen sich auf eine neue Schrift
einigen, die sich schneller und einfacher erlernen lässt. Das ist das Resultat
einer Umfrage, welche eine Arbeitsgruppe der Deutschschweizer
Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) durchgeführt hat. Sie klärt im
Zusammenhang mit dem Lehrplan 21 ab, wie die Schriftenfrage geregelt werden
soll.
Zwar ist die Umfrage noch nicht ausgewertet, doch die vorliegenden
Eingaben weisen klar die Richtung: Weg von der voll verbundenen
Schnüerlischrift, hin zu einer Schrift, in der nur noch ein Teil der Buchstaben
verbunden wird.
Praktisch alle Kantone und PH sprechen sich für die Basisschrift
aus, wie sie heute schon im Kanton Luzern obligatorisch gelehrt wird. Auch der
Lehrerverband Schweiz ist für diese Variante. Dabei erlernen die Kinder zuerst
einzelne Buchstaben, die sie ab der zweiten oder dritten Klasse zum Teil
zusammenhängen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Schüler müssen nicht mehr
zwei Schriften lernen und können aus der Basisschrift ihre individuelle
Handschrift entwickeln. Eingeübt werden Bewegungen und Verbindungen, welche die
Kinder übernehmen und nach eigenem Gutdünken anpassen können. Starre Regeln
gibt es keine, oberstes Ziel ist die Lesbarkeit des Geschriebenen.
Untersuchungen in Luzern haben ergeben, dass Kinder mit der
Basisschrift leserlicher, flüssiger und auch lieber schreiben als jene, die
noch die Schweizer Schulschrift üben müssen. Für die Arbeitsgruppe ist klar,
dass die herkömmliche Schweizer Schulschrift «mit ihren komplexen Formen
überholt» ist, wie sie in ihrem Bericht schreibt.
Damit liegt sie auf derselben Linie wie D-EDK-Präsident Christian
Amsler, der schon vor einem Jahr sagte: «Die Basisschrift ist eine gute Sache
und wird wohl auch die Zukunft sein.» Auch der Verband Psychomotorik Schweiz
unterstützt diese Stossrichtung: «Der Zeitaufwand für den Erwerb dieser Schrift
wird erheblich verkürzt und steht in einem vernünftigen Verhältnis zum heutigen
Schreibverhalten», schreibt er. Vor allem auch schwächeren Schülern würde es
erleichtert, das Schreiben zu lernen, hält der Verband fest.
Die Einführung der Basisschrift ist nicht unumstritten. Die PH
Zürich ist für eine freie Wahl der Schrift. Vorgaben würden das Lernen hemmen,
teilt sie mit. Die PH Thurgau will bei der Blockschrift bleiben. Danach sollen
die Schüler über Bewegungsübungen an eine teilverbundene Schrift herangeführt
werden: «Das Ziel ist dasselbe wie mit der Basisschrift, der Weg ist einfach
ein anderer», sagt der Thurgauer Schriftdidaktiker Bruno Mock. Der Kanton
Zürich will keinen Schrifttyp favorisieren. «Es ist wichtig, dass sich die
Kantone auf eine gemeinsame Schrift verständigen. Welche dies sein wird, ist
aus unserer Sicht nicht so zentral», sagt Volksschulamtschef Martin
Wendelspiess.
Als Nächstes wird die Arbeitsgruppe den Schlussbericht verfassen.
Im Juni entscheiden die Erziehungsdirektoren über das weitere Vorgehen. Dass
die Schrift im Lehrplan 21 festgeschrieben wird, ist eher unwahrscheinlich. Da
haben sich die meisten Kantone und PH dagegen ausgesprochen. Die Schriftfrage
dürfte separat geregelt werden.
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