Nach nur drei Jahren ist in Sachen Harmos Ernüchterung eingekehrt, Bild: Keystone
Es droht die Harmos-Notbremse, Basler Zeitung, 19.3. von Thomas Dähler
Der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland (LVB) stellt sich
nicht hinter die beiden Volksinitiativen der Starken Schule Baselland: Weder
zum Harmos-Austritt noch zur Sekundarlehrer-Initiative nahm der Verband gestern
bei der lange angekündigten Medienkonferenz in Liestal Stellung. Doch der
Verband übt geharnischt Kritik an der Reformpolitik von Bildungsdirektor Urs
Wüthrich. Es gebe «keinerlei Gesprächsbereitschaft» bei der Bildungs-, Kultur-
und Sportdirektion (BKSD).
«Es wäre wirklich gut, wenn die Initiative für den Austritt aus
dem Harmos-Konkordat zustande käme», sagte zwar Michael Weiss,
Interims-Präsident des Verbands. Doch dies sei keine Abstimmungsempfehlung.
Weiss sieht in der Initiative eher «eine Notbremse», wenn alle Bemühungen
scheiterten, Harmos darauf zu beschränken, die Schulsysteme der Kantone einander
anzunähern. Roger von Wartburg, designierter Nachfolger des
Interims-Präsidenten, bezeichnete die von der BKSD aufgegleisten
Umsetzungspläne für die Harmonisierung als «Etikettenschwindel». Die
Schulsysteme der Kantone würden mit den Reformen sogar weiter auseinanderdriften.
Von Wartburg befürchtet zudem, dass das «Dauerreformieren immer weitergeht».
Nur 22 Prozent für Harmos
Gemäss einer Umfrage bei den LVB-Mitgliedern sind nur noch 22
Prozent der Lehrerinnen und Lehrer für den Verbleib beim Harmos-Konkordat. 2006
sei der Harmonisierungsartikel auf Bundesebene noch auf 91 Prozent, der
Baselbieter Harmos-Beitritt 2010 auf 56 Prozent Zustimmung gestossen. «Etwas
muss mit der Art und Weise, wie hier harmonisiert wird, falsch laufen», sagte
Weiss zu dem Sinneswandel. «Das Umfrageergebnis zeigt einen tief reichenden
Vertrauensverlust unserer Mitglieder in die Bildungspolitik.» Bildungsdirektor
Wüthrichs Versprechen, die Finanzierung von Harmos sei gesichert, habe sich als
Irrtum herausgestellt. Die Lehrkräfte glaubten nicht mehr an den Sinn der
derzeitigen Reformen. Weiss: «Schulreformen, hinter denen die Lehrkräfte nicht
stehen, scheitern.»
Die Harmos-Reformen würden unter Ausschaltung der
Sozialpartnerschaft umgesetzt, versuchte der LVB-Präsident den Vertrauensverlust
zu erklären. Zurzeit müssten sich die Primarlehrer ohne jede zeitliche
Entlastung auf die Übernahme des 6. Schuljahrs vorbereiten. Ausserdem würden
viele Lehrer unbezahlte Zeit für den raschen Erwerb einer Fremdsprache
einsetzen.
Für die Sekundarlehrer seien Schnellbleichen geplant, die sie
für die neu erfundenen Kombifächer im Eiltempo vorbereiteten. Die neue
Stundentafel sieht ab 2015 die Fusion mehrerer Fächer vor: Aus Biologie, Chemie
und Physik wird «Natur und Technik», aus Geografie und Geschichte neu «Räume,
Zeiten, Gesellschaften» und aus Hauswirtschaft und Wirtschaft neu «Wirtschaft,
Arbeit, Haushalt».
Kurskorrektur bei der Ausbildung
Auch bei der umstrittenen Sekundarlehrerausbildung stellt sich
der Lehrerinnen- und Lehrerverband nicht hinter die Initiative «für kompetent
ausgebildete Lehrpersonen» (vgl. Text unten). Dennoch ist der Verband für eine
Kurskorrektur. 1156 Lehrerinnen und Lehrer unterstützten eine Neuausrichtung
der Ausbildung angehender Lehrkräfte, erklärten Lukas Aerni und Nadine Berger
als Vertreter des Komitees «Qualität an den Schulen und in der Ausbildung der
Sek-I-Lehrkräfte», das die Unterschriften gesammelt hat.
Gefordert wird, dass die neuen Kombifächer nur von
fachwissenschaftlich adäquat ausgebildeten Lehrpersonen unterrichtet werden,
dass der fachwissenschaftliche Anteil der Ausbildung angehender Sekundarlehrer
an der Pädagogischen Hochschule massiv erhöht wird und dass auch in Zukunft bei
den Teilfächern eigenständige Ausbildungen verlangt werden. Ausserdem sollen
der Studiengang an der Fachhochschule und der konsekutive Studiengang an
Universität und Fachhochschule gleichwertig anerkannt werden.
Lehrkräfte wollen Misstände beheben
Der LVB unterstützt auch ausdrücklich zwei moderate Vorstösse im
Landrat und im Basler Grossen Rat. Marc Joset (SP, BL) und Daniel Goepfert (SP,
BS) verlangen mit den Vorstössen, dass die Regierungen Synergien zwischen der
Fachhochschule und der Universität prüfen und sich bei der FHNW und der
Erziehungsdirektorenkonferenz dafür einsetzen, dass 60 Prozent der Ausbildung
auf das Fachstudium entfallen.
Bei der Starken Schule Baselland zeigte man sich gestern auf
Anfrage nicht enttäuscht, dass sich der LVB nicht ausdrücklich hinter ihre
Volksinitiativen stellt. Geschäftsleiterin Saskia Olsson erklärte, die über
1100 Unterschriften würden belegen, dass eine grosse Mehrheit der Lehrkräfte
die Missstände ebenfalls beheben wolle.
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