4. März 2014

Französisch bleibt Pflicht

Ist die Forderung der Möglichkeit zur Abwahl des Fachs Französisch ab der 8. Klasse der Sek B und C ein für die Willensnation Schweiz verhängnisvolles sprachpolitisches Sakrileg oder schlicht die sinnvolle Beseitigung einer Frustrationsquelle für schwächere Schüler? Zwischen diesen Polen hat sich am Montag der Kantonsrat bei der Beurteilung eines Postulats von Sekundarlehrer Christoph Ziegler (glp., Elgg), Michael Welz (edu., Oberembrach) und Ruth Kleiber (evp., Winterthur) bewegt. Am Ende lehnte der Rat das Postulat mit 86 zu 68 Stimmen bei 9 Enthaltungen - alle aus der SVP - ab.
Französisch bleibt Pflicht, NZZ, 4.3. von Walter Bernet

Gleich zu Beginn machte Ziegler klar, dass er keine Abschaffung des Französischunterrichts in der Sek B und C wolle. Es gehe ihm im Gegenteil um einen besseren und zielführenderen Französischunterricht. Schwache Schüler sollen gegen Ende ihrer obligatorischen Schulzeit das ungeliebte Fach abwählen können zugunsten anderer Fächer, die für sie nützlicher sind, etwa Deutsch oder Mathematik. Es gehe um im Fremdsprachenunterricht überforderte Schüler, die nur den Unterricht störten. Diese seien besser dort zu stützen, wo die Förderung auch etwas bewirke. Der Kanton Schaffhausen praktiziere das schon länger mit Erfolg so.
Mitunterzeichner Welz betonte, dass freiwilliges Französisch für jene, die dieses in der Ausbildung benötigten, ja weiterhin angeboten würde. Als wichtiger schätzte er die Computersprache Englisch ein. Ruth Kleiber hielt fest, dass auch die abwählenden Schüler vorher drei Jahre Französischunterricht hatten. Unterstützung kam von einer Mehrheit der SVP-Fraktion. Es handle sich um eine Art «Sondersetting» in den zwei obersten Klassen, bei dem mehr zeitliche Ressourcen in Deutsch und Mathematik gesteckt werden, um schlechten Schülern doch noch den Weg in eine Berufsausbildung mit Attest zu ebnen, sagte Margreth Rinderknecht (svp., Wallisellen). Und René Isler (svp., Winterthur) schaltete sich nach eigenen Worten erstmals nach 16 Jahren im Rat in eine Bildungsdebatte ein, um mit seinen praktischen Erfahrungen im Berufsbildungsbereich Industrie und Automatik für das Postulat einzutreten. Für Französisch machte sich Hans-Peter Amrein (svp., Küsnacht) stark.
Volkswille und Willensnation
Für Mattea Meyer (sp., Winterthur) wäre die Abwahlmöglichkeit eine zu grosse Verlockung. Fragwürdig sei, dass so störende Schüler einfach ausgesiebt würden. Mit Frühförderung erreiche man bezüglich späterer Berufsaussichten mehr als mit der Abwahlmöglichkeit. Vehement sprach sich auch Dieter Kläy (fdp., Winterthur) gegen die Abwahl aus. Die FDP stehe hinter der sprachpolitischen Haltung der Regierung. Das Postulat nehme den Volksentscheid für Harmos von 2008 nicht ernst. Res Marti (gp., Zürich) sagte, es gehe um die Erhaltung der Kultur der Mehrsprachigkeit. Lernziel-Befreiungen seien im Einzelfall heute schon möglich. Für Lorenz Schmid (cvp., Männedorf) und Stefan Hunger (bdp., Mönchaltorf) ist mit den Wahl-Pflichtangeboten die nötige Flexibilität bereits gegeben. Die Willensnation Schweiz brauche für ihre ständige Erneuerung Kenntnisse der andern Landessprachen. Und Hans Läubli (gp., Affoltern a. A.) fragte, ob die Postulanten wünschten, dass im Nationalrat in ein paar Jahren Englisch gesprochen werden müsse?
Auch Bildungsdirektorin Regine Aeppli wies auf die sprachpolitischen Implikationen hin. Am historischen Sprachenkompromiss von 2004, bei dem das Welschland sich mit Englisch als erster Fremdsprache in der Ostschweiz abgefunden habe, dürfe nicht gerüttelt werden. In Bern warteten viele Politiker darauf, ein Sprachengesetz zu schaffen, das Französisch an erste Stelle setzte und Abwahl ausschlösse.

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