Ist die Forderung der Möglichkeit zur Abwahl des Fachs Französisch ab
der 8. Klasse der Sek B und C ein für die Willensnation Schweiz
verhängnisvolles sprachpolitisches Sakrileg oder schlicht die sinnvolle Beseitigung
einer Frustrationsquelle für schwächere Schüler? Zwischen diesen Polen hat sich
am Montag der Kantonsrat bei der Beurteilung eines Postulats von Sekundarlehrer
Christoph Ziegler (glp., Elgg), Michael Welz (edu., Oberembrach) und Ruth
Kleiber (evp., Winterthur) bewegt. Am Ende lehnte der Rat das Postulat mit 86
zu 68 Stimmen bei 9 Enthaltungen - alle aus der SVP - ab.
Französisch bleibt Pflicht, NZZ, 4.3. von Walter Bernet
Gleich zu Beginn machte Ziegler klar, dass er keine Abschaffung des
Französischunterrichts in der Sek B und C wolle. Es gehe ihm im Gegenteil um
einen besseren und zielführenderen Französischunterricht. Schwache Schüler
sollen gegen Ende ihrer obligatorischen Schulzeit das ungeliebte Fach abwählen
können zugunsten anderer Fächer, die für sie nützlicher sind, etwa Deutsch oder
Mathematik. Es gehe um im Fremdsprachenunterricht überforderte Schüler, die nur
den Unterricht störten. Diese seien besser dort zu stützen, wo die Förderung
auch etwas bewirke. Der Kanton Schaffhausen praktiziere das schon länger mit
Erfolg so.
Mitunterzeichner Welz betonte, dass freiwilliges Französisch für jene,
die dieses in der Ausbildung benötigten, ja weiterhin angeboten würde. Als
wichtiger schätzte er die Computersprache Englisch ein. Ruth Kleiber hielt
fest, dass auch die abwählenden Schüler vorher drei Jahre Französischunterricht
hatten. Unterstützung kam von einer Mehrheit der SVP-Fraktion. Es handle sich
um eine Art «Sondersetting» in den zwei obersten Klassen, bei dem mehr
zeitliche Ressourcen in Deutsch und Mathematik gesteckt werden, um schlechten
Schülern doch noch den Weg in eine Berufsausbildung mit Attest zu ebnen, sagte
Margreth Rinderknecht (svp., Wallisellen). Und René Isler (svp., Winterthur)
schaltete sich nach eigenen Worten erstmals nach 16 Jahren im Rat in eine
Bildungsdebatte ein, um mit seinen praktischen Erfahrungen im
Berufsbildungsbereich Industrie und Automatik für das Postulat einzutreten. Für
Französisch machte sich Hans-Peter Amrein (svp., Küsnacht) stark.
Volkswille
und Willensnation
Für Mattea Meyer (sp., Winterthur) wäre die Abwahlmöglichkeit eine zu
grosse Verlockung. Fragwürdig sei, dass so störende Schüler einfach ausgesiebt
würden. Mit Frühförderung erreiche man bezüglich späterer Berufsaussichten mehr
als mit der Abwahlmöglichkeit. Vehement sprach sich auch Dieter Kläy (fdp.,
Winterthur) gegen die Abwahl aus. Die FDP stehe hinter der sprachpolitischen
Haltung der Regierung. Das Postulat nehme den Volksentscheid für Harmos von
2008 nicht ernst. Res Marti (gp., Zürich) sagte, es gehe um die Erhaltung der
Kultur der Mehrsprachigkeit. Lernziel-Befreiungen seien im Einzelfall heute
schon möglich. Für Lorenz Schmid (cvp., Männedorf) und Stefan Hunger (bdp.,
Mönchaltorf) ist mit den Wahl-Pflichtangeboten die nötige Flexibilität bereits
gegeben. Die Willensnation Schweiz brauche für ihre ständige Erneuerung
Kenntnisse der andern Landessprachen. Und Hans Läubli (gp., Affoltern a. A.)
fragte, ob die Postulanten wünschten, dass im Nationalrat in ein paar Jahren
Englisch gesprochen werden müsse?
Auch Bildungsdirektorin Regine Aeppli wies auf die sprachpolitischen
Implikationen hin. Am historischen Sprachenkompromiss von 2004, bei dem das
Welschland sich mit Englisch als erster Fremdsprache in der Ostschweiz
abgefunden habe, dürfe nicht gerüttelt werden. In Bern warteten viele Politiker
darauf, ein Sprachengesetz zu schaffen, das Französisch an erste Stelle setzte
und Abwahl ausschlösse.
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