21. Januar 2014

Schüler wissen mehr als Lehrer

Pädagogen, die frisch von der Fachhochschule kommen, wissen manchmal weniger als ihre Schüler. "An der Pädagogischen Fachhochschule Nordwestschweiz wird eindeutig zu wenig Fachausbildung, jedoch zu viel Didaktik und allgemeine Pädagogik doziert", sagt Grossrat Daniel Goepfert (SP), Erstunterzeichner des breit abgestützten parlamentarischen Vorstosses. Dieser fordert, dass der Anteil der fachspezifischen Ausbildung auf 60 Prozent erhöht wird.
Politiker sind mit Lehrerausbildung unzufrieden, Basler Zeitung, 21.1. von Franziska Laur



«Lehrer, die von der Fachhochschule kommen, haben häufig zu wenig fundiertes Wissen», sagt die Basler SP-Grossrätin Sibylle Benz. Es brauche dringend eine intensivere Zusammenarbeit mit der Universität.
Tatsächlich kommt es in Klassenzimmern der Region Nordwestschweiz immer wieder vor, dass Französischlehrer die Fremdsprache nicht beherrschen, die sie unterrichten sollen. Oder es stehen Mathematiklehrer vor der Klasse, denen die Schüler den Unterrichtsstoff erklären müssen. Deshalb haben Bildungspolitiker der beiden Basel in ihren Parlamenten je einen Anzug eingereicht, der für eine bessere Fachausbildung der Sek-I-Lehrkräfte sorgen soll.
«An der Pädagogischen Fachhochschule Nordwestschweiz wird eindeutig zu wenig Fachausbildung, jedoch zu viel Didaktik und allgemeine Pädagogik doziert», sagt Grossrat Daniel Goepfert (SP), Erstunterzeichner des breit abgestützten parlamentarischen Vorstosses. «Wir fordern, dass die fachspezifische Ausbildung auf 60 Prozent erhöht wird.» Die Lehrpersonen müssten deutlich mehr Wissen haben als heute, damit sie auch fähig seien, Fragen der Schüler zu beantworten.
Baselbieter ziehen nach
Die Unterzeichner wollen daher vom Regierungsrat wissen, ob er bereit ist, vertiefte Zusammenarbeitsformen und Synergien zwischen Pädagogischer Fachhochschule und Universitäten zu prüfen. «Dabei soll aber eine Qualitätssteigerung erfolgen», sagt Goepfert. Kostspielige Doppelspurigkeiten müssten vermieden werden.
«An der Pädagogischen Fachhochschule wird zu viel Theorie und zu wenig Fachwissen doziert», sagt auch Marc Joset, Baselbieter Landrat und ehemaliger Sekundarlehrer. Er hat ein Postulat mit denselben Forderungen auch im Parlament des Kantons Baselland eingereicht. Der Sozialdemokrat hat seine Sekundarlehrerausbildung an den Universitäten Basel und Freiburg gemacht und sieht einen himmelweiten Unterschied zur heutigen Ausbildung. In Freiburg beispielsweise finden heute noch rund 50 Prozent der Ausbildung im fachwissenschaftlichen Bereich statt. «Die Universität und die Fachhochschule müssen mehr zusammenarbeiten», fordert er. An der Fachhochschule Nordwestschweiz liege dieser Anteil bei 25 Prozent, und dies könne fatale Auswirkungen haben. «Wenn ein Lehrer fachlich nicht ganz sattelfest ist, wird das von den Schülern sofort ausgenützt», sagt er.
Uni-Ausbildung in Freiburg
Tatsächlich ist der Kanton Freiburg der einzige Kanton der deutschen und zweisprachigen Schweiz, der die volle Sekundarlehrerausbildung auf Universitätsniveau anbietet. Dort ist ein wichtiges Element des Sek-I-Studienprogramms der frühe Einsatz in der Praxis. Schon im ersten Semester stehen die Studierenden vor Klassen – wie im Programm der Fachhochschule Nordwestschweiz auch.
Doch im Unterschied zum hiesigen Studiengang besteht derjenige der Universität Freiburg zu rund der Hälfte aus fachwissenschaftlicher Ausbildung. Dieser Studiengang ziehe angehende Pädagogen aus der ganzen Schweiz an, sagt der Ausbildungsverantwortliche Lorenz Wepf. Lediglich ein Drittel der Studenten stammt aus Freiburg, der Rest kommt aus anderen Kantonen.
Aargauer Bildungspolitik winkt ab
Bildungspolitiker Marc Joset hofft jedoch, dass eine ähnlich lautende Interpellation in allen vier Nordwestschweizer Kantonen eingereicht wird – immerhin wird die Ausbildung auch gemeinsam getragen. Diese Hoffnung dürfte jedoch enttäuscht werden.
Manfred Dubach ist Aargauer SP-Grossrat und Präsident der Interparlamentarischen Kommission der Fachhochschule Nordwestschweiz. «Die Konzepte für die Ausbildung werden auf Bundesebene definiert. Da ist es wenig zielführend, auf kantonaler Ebene zu intervenieren», sagt er. Natürlich sei heute die pädagogische und psychologische Ebene in der Ausbildung ausgebaut worden. Doch die Frage sei, in welchem Zug man unterrichte. Wenn eine Lehrperson in einem Leistungszug mit schwächeren Schülern unterrichte, könne dies durchaus ein Vorteil sein.

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