Diese Woche hat der Schweizer
Lehrerverband LCH seine Position am Lehrplan 21 veröffentlicht. Diese fiel
deutlich und kritisch aus. Der Dachverband von 33 Lehrerorganisationen stellt
sich zwar grundsätzlich hinter das Werk, welches die Bildung in der Volksschule
aller 21 deutschsprachigen Kantone harmonisieren soll. Er sei jedoch überladen
und schwer verständlich. Schwächere Schüler könnten überfordert werden. Der LCH
fordert unter anderem klare Mindestansprüche an die Schüler, weniger
Kompetenzziele sowie nur eine obligatorische Fremdsprache in der Primarschule.
Für eine Gruppe von Lehrern um
den Bieler Alain Pichard hat der Dachverband zu wenig deutliche Worte gewählt.
«Der Verband ist viel zu wenig kritisch», sagt Pichard. Der einst grüne und nun
grünliberale Bieler Stadtparlamentarier hatte sich vor einigen Jahren als
linker Kritiker der Bildungsbürokratie einen Namen gemacht. Vor rund zehn
Jahren organisierte er die Opposition gegen die neue Schülerbeurteilung
«Schübe» im Kanton Bern mittels aufwendigem Bewertungssystem. Rund 3000 Lehrer
unterstützten «Schübe halt!» und brachten das System zu Fall.
Nun
schwebt dem streitbaren Lehrer auf nationaler Ebene Ähnliches vor. Er hat ein
Memorandum gegen den Lehrplan aufgesetzt und will dieses breit abstützen. «Das
monumentale Regelwerk schrammt an der Praxis vorbei», kritisiert Pichard den
Lehrplan. Auf 550 Seiten werden mehrere tausend Kompetenzen aufgelistet, die
die Kinder während der obligatorischen Schulzeit erwerben sollten. Überfordert
würden nicht nur Schüler und Lehrer, sondern auch die öffentlichen Finanzen.
«Hier werden einmal mehr Weichen gestellt, ohne dass die Konsequenzen absehbar
sind», sagt Pichard. Er möchte, dass «nochmals bei null begonnen wird».
Pichard hat das Netzwerk seiner
Berner Gruppe reaktiviert und weiter ausgebaut. Unterstützt wird er unter
anderem von Sekundarlehrer Urs Kalberer aus Landquart (GR), welcher den
reformkritischen Internetblog «Schule Schweiz» betreibt. Sukkurs kommt auch vom
Basler SP-Grossrat und Gymnasiallehrer Daniel Goepfert. Ihn stört die
Kompetenzorientierung des Lehrplans. «Ich mache mir Sorgen um die Bildung der
Schülerinnen und Schüler», sagt Goepfert. Wenn kein Fachwissen mehr
vorgeschrieben werde, dann könne er auch nicht darauf aufbauen.
Ähnlich argumentiert der
ehemalige Zürcher EVP-Kantonsrat und Bildungsrat Hanspeter Amstutz: «Die
Kompetenzen müssen an Inhalte festgemacht werden und in einfacher und
verständlicher Form den Hintergrund des Lernens bilden», sagt Amstutz.
Allerdings stehe er nur teilweise hinter dem Memorandum.
Und Sekundarlehrer Andreas Aebi
aus Langnau (BE) sagt: «Als Praktiker benötige ich einen kurzen, klaren,
lesbaren Rahmenlehrplan, in welchem die wichtigsten gemeinsamen
Unterrichtsinhalte verbindlich festgelegt sind.» Bis zum 9. Dezember will
Pichard das Memorandum von 550 Lehrern unterzeichnet haben und veröffentlichen.
Beat
Zemp, Präsident des LCH, nimmt die Kritik von Pichards Gruppe gelassen. Der
Dachverband müsse die Rückmeldungen aller Stufen und Regionen berücksichtigen.
«Das ergibt logischerweise eine weniger pointierte Stellungnahme», sagt Zemp.
Mit seinen zehn Forderungen habe der LCH indes klar aufgezeigt, wo der Lehrplan
verbessert werden müsse. «Mit Fundamentalkritik und einem Memorandum mehr
kommen wir keinen Schritt weiter», so Zemp.
Er setzt auf
Zusammenarbeit, zumal sich abzeichnet, dass die Bedenken der Lehrerinnen und
Lehrer bei der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz D-EDK ernst
genommen werden. Schon letzte Woche sagte der Schaffhauser Erziehungsdirektor
und Präsident der D-EDK, Christian Amsler, man würde nochmals über die Bücher
gehen, «sollte sich zeigen, dass der Lehrplan überladen ist». Er könne sich
eine Aufteilung in A- und B-Stoffe vorstellen. Auch der Berner
Erziehungsdirektor Bernhard Pulver zeigt sich diskussionsbereit: «Es kann sein,
dass der Lehrplan zu engmaschig ist.» Allerdings habe er auch viele positive
Rückmeldungen von Lehrern erhalten, sagt Pulver.Quelle: Die Basis muckt auf, NZZaS 24.11. von René Donzé
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen