Eltern sind die strategischen
Partner der Volksschule. Sie können sich zwar die Schule und die Lehrperson
nicht auswählen, viele sind in Schulfragen nicht einmal stimmberechtigt. Aber
die meisten Eltern wollen eine gute Schule, die das Beste für ihr Kind tut.
Deshalb sind sie Supporter der Schule, Interessenvertreter oder neudeutsch:stakeholder.
Die
Lehrerinnen und Lehrer sind die strategischen Partner der Eltern. Sie sind
vielleicht nicht erste Wahl der Eltern. Und sie können sich die Kinder in ihrer
Klasse nicht aussuchen. Aber wie die Eltern wollen auch die Lehrpersonen eine
gute Schule, und sie wollen das Beste für die Schulkinder tun. Deshalb sind sie
Supporter der Eltern, sie sind ihre stakeholder.
Warum
gibt es trotzdem immer wieder laute Klagen von Eltern und immer häufiger auch
von ihren Anwälten über willkürliche Klassenzuteilungen, ungerechte Noten,
einen saloppen Umgangston, rigide Strafen, über Machtausübung, Kuschelpädagogik
oder falsche Methoden?
Und
warum beklagen sich Lehrerinnen und Lehrer über aufsässige, abwesende,
gewalttätige oder übermässig verwöhnende Eltern, die man anscheinend nur mit
Bussen und Elternverträgen zur Zusammenarbeit bringen kann?
Vielleicht,
weil früher alles besser war? Wohl kaum. An meinem ersten Elternabend 1979 als
Lehrer im Kanton Solothurn sassen die Eltern meiner neuen Schülerinnen und
Schüler eher eingeschüchtert und möglichst weit hinten an den ungewohnten
Gruppentischen. Offenbar waren sie es gewohnt, brav an den frontal gestellten
Pulten zu sitzen, während mein pensionierter Vorgänger, zu dem viele schon
selbst in die Schule gegangen waren, die Faulheit und Dummheit der Jugend
beklagte. Auch spitze Hinweise auf die Äpfel, die nicht weit vom Stamm fallen,
konnte er sich dabei nicht verkneifen.
Nicht
weit von dieser damaligen Schule liegt Zuchwil. Die dortige «Schulvereinbarung»
hat es im Sommer bis in die Medien gebracht. Es handelt sich um einen
klassischen Dreiecksvertrag: Schülerinnen und Schüler «unterstützen einander
beim Lernen», «belästigen niemanden» und «erscheinen pünktlich» mit dem nötigen
Material. Die Eltern sorgen für einen «ruhigen Arbeitsplatz», nehmen an den
«Elternveranstaltungen» teil und «tragen die Hauptverantwortung für die
berufliche Zukunft» ihres Kindes. Die Lehrpersonen sind «ein Vorbild», und sie
begegnen den Schülerinnen und Schülern «mit einer positiven Grundhaltung»,
anerkennen «ihre Leistungen» und «üben Kritik so, dass sie die Lernenden
weiterbringt». Der Hauswart «steht allen Gruppen mit Rat und Tat zur Seite»,
und die Schulleitung sorgt für «intensive und offene Kommunikation».
Das
Dilemma ist offensichtlich: Die Schule hat es heute mit sehr unterschiedlichen
Erziehungsvorstellungen zu tun und mit sehr gut informierten Eltern. Um einen
funktionierenden Schulbetrieb zu gewährleisten, werden heute in immer mehr
Schulen die vereinbarten Lernziele und die dafür notwendigen gegenseitigen
Verpflichtungen diskutiert und vereinbart. Das ist die Umsetzung der
strategischen Partnerschaft. Weniger sinnvoll wäre es, den Eltern und Kindern
einseitig eine Vereinbarung vorzulegen, was sie zu Hause zu tun haben. Eine
obligatorische öffentliche Schule, die nicht gewählt wird, kann keine
Bedingungen stellen. Sie muss die Kinder aus dem Quartier oder Dorf aufnehmen
und deren Eltern als Partner akzeptieren. Das gilt auch umgekehrt: Unterricht
ist zwar ausschliesslich Sache der dafür ausgebildeten Lehrpersonen. Aber man
kann sie befragen, und sie müssen ihre Tätigkeit begründen. Lehrpersonen und
Erziehungsberechtigte haben also miteinander klarzukommen, auch wenn sie
getrennte Zuständigkeiten haben.
Am Ende
der Schulvereinbarung von Zuchwil steht: «Regeln und Verantwortlichkeiten
allein machen noch keine gute Schule. Es liegt an jedem von uns, diese
Schulvereinbarung mit Leben zu erfüllen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Dann
ist unsere Schule ein Ort, an dem wir gerne arbeiten.» Gemeinsame Regeln und
die gegenseitigen Erwartungen aller Beteiligten des Lerngeschäfts müssen immer
wieder erarbeitet und geklärt werden.
So könnte sie
funktionieren, die Partnerschaft: Eltern sind keine Kunden oder Kuchenbäcker,
sondern informierte und eigenverantwortliche Partner im Erziehungsgeschäft.
Kinder sind keine Objekte, sondern Menschen mit eigenen Vorstellungen. Und
Schulen sind kein käufliches Dienstleistungsangebot, sondern die professionell
geführten Lernwerkstätten unserer Gesellschaft. Und so könnte sie weiteren
Nutzen bringen, die strategische Partnerschaft: Wenn sich beide erwachsenen
Seiten nicht nur für das gemeinsam betreute Kind einsetzen, sondern auch für
eine gut ausgestattete öffentliche Schule.Quelle: NZZaS, So kann die Partnerschaft zwischen Eltern und Schule gelingen, 24.11. von Jürg Brühlmann
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