24. November 2013

Konfliktzone Schule-Elternhaus

Jürg Brühlmann, ein Funktionär des LCH, appelliert an die gemeinsame Verantwortung von Lehrern, Kindern und Eltern für eine gute Schule. Besonders das Verhältnis von Eltern zur Schule ist komplizierter geworden. Immer häufiger holten sich Eltern die Unterstützung von Anwälten, wenn es um die Schule geht. Brühlmann sieht das Heil in gemeinsamen Schulverträgen zwischen Schülern, Lehrern und Eltern. Ja sogar die Hauswarte und die Schulleitungen machen mit. Erinnert mich an die vollmundigen Leitbilder, die vor zehn Jahren an unseren Schulen entstanden. Am Schluss lässt Brühlmann dann die Katze aus dem Sack: Eltern und Lehrer sollen sich für eine "gut ausgestattete öffentliche Schule" einsetzen. Wenn wir nach dem Debakel der Frühfremdsprachen, der "Integration" und des Lehrplans 21 etwas wissen, dann dies: Geld allein macht keine gute Schule.
Eltern sind die strategischen Partner der Volksschule. Sie können sich zwar die Schule und die Lehrperson nicht auswählen, viele sind in Schulfragen nicht einmal stimmberechtigt. Aber die meisten Eltern wollen eine gute Schule, die das Beste für ihr Kind tut. Deshalb sind sie Supporter der Schule, Interessenvertreter oder neudeutsch:stakeholder.
Die Lehrerinnen und Lehrer sind die strategischen Partner der Eltern. Sie sind vielleicht nicht erste Wahl der Eltern. Und sie können sich die Kinder in ihrer Klasse nicht aussuchen. Aber wie die Eltern wollen auch die Lehrpersonen eine gute Schule, und sie wollen das Beste für die Schulkinder tun. Deshalb sind sie Supporter der Eltern, sie sind ihre stakeholder.
Warum gibt es trotzdem immer wieder laute Klagen von Eltern und immer häufiger auch von ihren Anwälten über willkürliche Klassenzuteilungen, ungerechte Noten, einen saloppen Umgangston, rigide Strafen, über Machtausübung, Kuschelpädagogik oder falsche Methoden?
Und warum beklagen sich Lehrerinnen und Lehrer über aufsässige, abwesende, gewalttätige oder übermässig verwöhnende Eltern, die man anscheinend nur mit Bussen und Elternverträgen zur Zusammenarbeit bringen kann?
Vielleicht, weil früher alles besser war? Wohl kaum. An meinem ersten Elternabend 1979 als Lehrer im Kanton Solothurn sassen die Eltern meiner neuen Schülerinnen und Schüler eher eingeschüchtert und möglichst weit hinten an den ungewohnten Gruppentischen. Offenbar waren sie es gewohnt, brav an den frontal gestellten Pulten zu sitzen, während mein pensionierter Vorgänger, zu dem viele schon selbst in die Schule gegangen waren, die Faulheit und Dummheit der Jugend beklagte. Auch spitze Hinweise auf die Äpfel, die nicht weit vom Stamm fallen, konnte er sich dabei nicht verkneifen.
Nicht weit von dieser damaligen Schule liegt Zuchwil. Die dortige «Schulvereinbarung» hat es im Sommer bis in die Medien gebracht. Es handelt sich um einen klassischen Dreiecksvertrag: Schülerinnen und Schüler «unterstützen einander beim Lernen», «belästigen niemanden» und «erscheinen pünktlich» mit dem nötigen Material. Die Eltern sorgen für einen «ruhigen Arbeitsplatz», nehmen an den «Elternveranstaltungen» teil und «tragen die Hauptverantwortung für die berufliche Zukunft» ihres Kindes. Die Lehrpersonen sind «ein Vorbild», und sie begegnen den Schülerinnen und Schülern «mit einer positiven Grundhaltung», anerkennen «ihre Leistungen» und «üben Kritik so, dass sie die Lernenden weiterbringt». Der Hauswart «steht allen Gruppen mit Rat und Tat zur Seite», und die Schulleitung sorgt für «intensive und offene Kommunikation».
Das Dilemma ist offensichtlich: Die Schule hat es heute mit sehr unterschiedlichen Erziehungsvorstellungen zu tun und mit sehr gut informierten Eltern. Um einen funktionierenden Schulbetrieb zu gewährleisten, werden heute in immer mehr Schulen die vereinbarten Lernziele und die dafür notwendigen gegenseitigen Verpflichtungen diskutiert und vereinbart. Das ist die Umsetzung der strategischen Partnerschaft. Weniger sinnvoll wäre es, den Eltern und Kindern einseitig eine Vereinbarung vorzulegen, was sie zu Hause zu tun haben. Eine obligatorische öffentliche Schule, die nicht gewählt wird, kann keine Bedingungen stellen. Sie muss die Kinder aus dem Quartier oder Dorf aufnehmen und deren Eltern als Partner akzeptieren. Das gilt auch umgekehrt: Unterricht ist zwar ausschliesslich Sache der dafür ausgebildeten Lehrpersonen. Aber man kann sie befragen, und sie müssen ihre Tätigkeit begründen. Lehrpersonen und Erziehungsberechtigte haben also miteinander klarzukommen, auch wenn sie getrennte Zuständigkeiten haben.
Am Ende der Schulvereinbarung von Zuchwil steht: «Regeln und Verantwortlichkeiten allein machen noch keine gute Schule. Es liegt an jedem von uns, diese Schulvereinbarung mit Leben zu erfüllen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Dann ist unsere Schule ein Ort, an dem wir gerne arbeiten.» Gemeinsame Regeln und die gegenseitigen Erwartungen aller Beteiligten des Lerngeschäfts müssen immer wieder erarbeitet und geklärt werden.
So könnte sie funktionieren, die Partnerschaft: Eltern sind keine Kunden oder Kuchenbäcker, sondern informierte und eigenverantwortliche Partner im Erziehungsgeschäft. Kinder sind keine Objekte, sondern Menschen mit eigenen Vorstellungen. Und Schulen sind kein käufliches Dienstleistungsangebot, sondern die professionell geführten Lernwerkstätten unserer Gesellschaft. Und so könnte sie weiteren Nutzen bringen, die strategische Partnerschaft: Wenn sich beide erwachsenen Seiten nicht nur für das gemeinsam betreute Kind einsetzen, sondern auch für eine gut ausgestattete öffentliche Schule.
Quelle: NZZaS, So kann die Partnerschaft zwischen Eltern und Schule gelingen, 24.11. von Jürg Brühlmann

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