Intensiv
beteiligten sich rund 100 Gäste an der Diskussion, die kürzlich an der Uni
Basel stattfand. Der Verein «Denknetz», der Entwicklungen in der Wirtschafts-,
Sozial- und Bildungspolitik aufgreift, hatte zu einer Abendveranstaltung
geladen. Es ging um den Lehrplan 21, das umstrittene Projekt, das die Lernziele
für die 21 Deutschschweizer Kantone vorgeben soll.
Scharfer
Kritiker des Lehrplans 21 ist Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaft
an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Doch auch Rudolf Künzli,
Lehrplanforscher und ehemaliger Leiter der Pädagogischen FHNW, stellt ihn
infrage, jedoch auf etwas gemässigtere Weise als Binswanger. Einheitlicher
Tenor: Der Lehrplan überfordert die Schüler, ist für Lehrkräfte kaum umsetzbar
und entfernt sich zu weit von der Kernaufgabe der Schule: dem Vermitteln von
Fachwissen.
Mathias
Binswanger argumentierte klipp und klar: «Das Wissen wird mit dem Lehrplan 21
in den Hintergrund gedrängt.» Gefördert würde stattdessen eine inhaltslose
Geschwätzkultur. Im Lehrplan sei viel die Rede von Selbstreflexion,
Eigenständigkeit sowie Beziehungs- und Konfliktfähigkeit. Doch dies seien
nichtssagende Worthülsen. Ausserdem: «Wie will man Kompetenz messen?» Da würde
eine Form von Scheinpräzision vorgegaukelt, die nie und nimmer Realität sei.
Seiner
Meinung nach will der Lehrplan 21 die Schulen zurechtstutzen auf politisch
korrektes, normiertes Mittelmass. Doch so nehme man den Lehrkräften immer mehr
Freiraum und die Lust am Unterrichten. «Wenn die Freude verdrängt wird, wird
auch die Qualität verdrängt», ist Binswanger überzeugt.
Als Binswanger jedoch den Schluss zog, dass reine
Kompetenzorientierung zu pseudokommunikativem Schwätzertum führe und den
Schülern dafür grundlegende Fähigkeiten beispielsweise in Mathematik fehlen
würden, sah sich Rudolf Künzli bemüssigt, Gegensteuer zu geben: «Der Lehrplan
21 ist eine Überforderung für die Schüler, das ist richtig. Doch er ist kein
Schrott. Da müssen wir genau sein.» Allerdings sei die Überforderung der
Schülerschaft und die Fülle des Lehrplans tatsächlich ein Problem.
Auch er
stellte jedoch fest: «Kompetenz ist so was wie eine pädagogische Bewegung
geworden.» Er ging auf die Geschichte der Bildung ein und stellte zum Schluss
seines Referats fest: «Die Politik scheut die Setzung von gemeinsamen
Rahmenbedingungen: Nicht einmal mit der Schulharmonisierung hätten so relevante
Anliegen wie die gemeinsame Einführung von Fremdsprachen, Schulzeiten und
Fächerstrukturen durchgesetzt werden können.
Zum Schluss schaltete sich auch die Zuhörerschaft in die
Diskussion ein, unter ihnen viele Lehrkräfte: «Binswanger macht es sich zu
einfach. Er war wohl schon lange nicht mehr in einer Schulstube», sagte einer
von ihnen. Gerade mit dem Kompetenzbegriff habe man nun die Chance, von der
Wortfülle wegzukommen. Doch der Lehrplan 21 erntete auch von dieser Seite nicht
viele gute Worte.
«Man
hat den Eindruck, dass man mit dem Lehrplan die Gesellschaft über unsere Jugend
umerziehen will», sagte ein Votant, der sich als Pfarrer outete.Und er fügte
hinzu: «Das Werk kommt daher wie eine Bibel.» Bedenken äusserte auch eine
Primarlehrerin: «Es scheint, dass die Schüler mit dem neuen Lehrplan nicht mehr
rechnen und lesen müssen, dafür aber operieren und benennen, erforschen und
argumentieren.» Wissen könne man aber so kaum erlangen, da gehöre nun einfach
einmal Pauken dazu.
Angesprochen wurde
ein weiteres Problem: «Gerade die zahlreichen auffälligen Kinder dürften mit
dem neuen Lehrplan überfordert sein», sagte eine Lehrerin. Diese seien auf
klare Anweisungen angewiesen. Doch der Lehrplan 21 setze ganz klar auf das
eigenständige, selbstbestimmte Lernen.Quelle: Lehrplan 21 fördert "inhaltslose Geschätzkultur", Basler Zeitung, 20.11. von Franziska Laur
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