8. Oktober 2013

Fehlende demokratische Legitimation zur Abschaffung der Kleinklassen

In einem Kommentar kritisiert Roland Stark das Vorgehen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt bei der Umsetzung der integrativen Förderung.
Es ist sicher gut, wenn in einem Departement, das für die Bildung zuständig ist, die beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Sprache mächtig sind. Akrobatische Fähigkeiten oder gar die Kunst des verbalen Schleiertanzes werden allerdings nicht erwartet. In einer Medienmitteilung vom 29. August 2013 lesen wir (nicht zum ersten Mal), die Schulen des Kantons Basel-Stadt hätten den Integrationsauftrag mit dem Beitritt zum Konkordat Sonderpädagogik und dem revidierten Schulgesetz erhalten. Die erforderliche Umstellung, durch Parlament und Volk abgesegnet, geschehe jedoch «behutsam» und «Schritt für Schritt.»
Tatsache ist: Die vom Erziehungsdepartement verkündeten Erfolgsmeldungen haben mit der Realität im schulischen Alltag nur wenig zu tun. Die bereits vollzogenen und die angekündigten Massnahmen wie die Liquidation der Kleinklassen, die Abschaffung der Einführungsklassen an der Primarschule, die Reorganisation beim Logopädischen Dienst, bei der Psychomotorik und bei der Sprachheilschule werden von der betroffenen Lehrerschaft und von diversen Fachinstanzen überwiegend negativ beurteilt. Die «behutsamen Schritte» führen nicht zu einer Verbesserung des Förderangebots für die schwächeren Schüler, sondern vor allem zu einer gewaltigen Vermehrung des bürokratischen Aufwandes für die unterrichtenden und beurteilenden Personen.
Entgegen der Behauptung des Erziehungs­departements gibt es für den massivsten Einschnitt, die Abschaffung der Kleinklassen, keinerlei demokratische Legitimation. Der verhängnisvolle Beschluss wurde im Erziehungsrat gefällt, wohlverstanden gegen den fast geschlossenen Widerstand der Lehrerschaft und ohne vorhergehende seriöse pädagogische Diskussion. Nur so ist zu erklären, dass sich die Wirtschaftsverbände viele Jahre später in der Vernehm­lassung zum Sonderschulkonkordat gegen die Abschaffung der Kleinklassen wandten, ohne zu merken, dass diese gar nicht mehr existierten.
Alle Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Es war (fast) allen Fachleuten klar, dass verhaltensauffälligen, lerngestörten, sozial, oft auch sprachlich und kulturell noch nicht integrierten Kindern eine besonders geförderte Schulentwicklung geboten werden musste. Die Kleinklassen stellten sicher, dass die Zusammensetzung der Klasse über einen längeren Zeitraum stabil und vertraut gehalten wurde und damit genügend Zeit für die gesamte Persönlichkeits­entwicklung des Kindes zur Verfügung stand. Eine ständige personale Veränderung des Klassenverbandes und eine damit zwangsläufig verbundene Unruhestiftung konnten vermieden werden.
Die Volksschule war «ein Ort der Förderung möglichst aller Kinder und Jugendlichen», lange bevor diese Selbstverständlichkeit in der oben erwähnten Medienerklärung zur Neuigkeit auf­geblasen wurde. Qualität gab es schon vor dem «Qualitätsmanagement», individuelle Förderung schon ohne die Modebegriffe «Ressource», «Coaching-Angebot» oder «Know-how-Transfer».

Die Bedenken der Lehrerschaft werden noch immer nicht ernst genommen und mit Bequemlichkeit und fehlender Flexibilität erklärt. Dabei steht bei der grossen Mehrheit der Lehrkräfte und vielen besorgten Eltern ausschliesslich das Wohl der Kinder im Vordergrund. Der starken und der schwächeren.
Quelle: Schule als Unruhestifter, Basler Zeitung, 8.10. von Roland Stark

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