In einem Kommentar kritisiert Roland Stark das Vorgehen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt bei der Umsetzung der integrativen Förderung.
Es ist
sicher gut, wenn in einem Departement, das für die Bildung zuständig ist, die
beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Sprache mächtig
sind. Akrobatische Fähigkeiten oder gar die Kunst des verbalen Schleiertanzes
werden allerdings nicht erwartet. In einer Medienmitteilung vom 29. August 2013
lesen wir (nicht zum ersten Mal), die Schulen des Kantons Basel-Stadt hätten
den Integrationsauftrag mit dem Beitritt zum Konkordat Sonderpädagogik und dem
revidierten Schulgesetz erhalten. Die erforderliche Umstellung, durch Parlament
und Volk abgesegnet, geschehe jedoch «behutsam» und «Schritt für Schritt.»
Tatsache
ist: Die vom Erziehungsdepartement verkündeten Erfolgsmeldungen haben mit der
Realität im schulischen Alltag nur wenig zu tun. Die bereits vollzogenen und
die angekündigten Massnahmen wie die Liquidation der Kleinklassen, die
Abschaffung der Einführungsklassen an der Primarschule, die Reorganisation beim
Logopädischen Dienst, bei der Psychomotorik und bei der Sprachheilschule werden
von der betroffenen Lehrerschaft und von diversen Fachinstanzen überwiegend
negativ beurteilt. Die «behutsamen Schritte» führen nicht zu einer Verbesserung
des Förderangebots für die schwächeren Schüler, sondern vor allem zu einer
gewaltigen Vermehrung des bürokratischen Aufwandes für die unterrichtenden und
beurteilenden Personen.
Entgegen
der Behauptung des Erziehungsdepartements gibt es für den massivsten
Einschnitt, die Abschaffung der Kleinklassen, keinerlei demokratische
Legitimation. Der verhängnisvolle Beschluss wurde im Erziehungsrat gefällt,
wohlverstanden gegen den fast geschlossenen Widerstand der Lehrerschaft und
ohne vorhergehende seriöse pädagogische Diskussion. Nur so ist zu erklären,
dass sich die Wirtschaftsverbände viele Jahre später in der Vernehmlassung zum
Sonderschulkonkordat gegen die Abschaffung der Kleinklassen wandten, ohne zu
merken, dass diese gar nicht mehr existierten.
Alle
Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Es war (fast) allen Fachleuten klar,
dass verhaltensauffälligen, lerngestörten, sozial, oft auch sprachlich und
kulturell noch nicht integrierten Kindern eine besonders geförderte Schulentwicklung
geboten werden musste. Die Kleinklassen stellten sicher, dass die
Zusammensetzung der Klasse über einen längeren Zeitraum stabil und vertraut
gehalten wurde und damit genügend Zeit für die gesamte Persönlichkeitsentwicklung
des Kindes zur Verfügung stand. Eine ständige personale Veränderung des
Klassenverbandes und eine damit zwangsläufig verbundene Unruhestiftung konnten
vermieden werden.
Die
Volksschule war «ein Ort der Förderung möglichst aller Kinder und
Jugendlichen», lange bevor diese Selbstverständlichkeit in der oben erwähnten
Medienerklärung zur Neuigkeit aufgeblasen wurde. Qualität gab es schon vor dem
«Qualitätsmanagement», individuelle Förderung schon ohne die Modebegriffe
«Ressource», «Coaching-Angebot» oder «Know-how-Transfer».
Die
Bedenken der Lehrerschaft werden noch immer nicht ernst genommen und mit
Bequemlichkeit und fehlender Flexibilität erklärt. Dabei steht bei der grossen
Mehrheit der Lehrkräfte und vielen besorgten Eltern ausschliesslich das Wohl
der Kinder im Vordergrund. Der starken und der schwächeren.
Quelle: Schule als Unruhestifter, Basler Zeitung, 8.10. von Roland Stark
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