29. Juni 2013

Noch ist nichts bewiesen

Michael Schoenenberger kommentiert die Offenlegung des Lehrplan 21-Entwurfs.
Die Harmonisierung der Schule, besonders auch der Ziele der Bildungsstufen, ist als Auftrag an die Kantone in der Bundesverfassung verankert. Selbst hartgesottene Föderalisten haben sich diesem Willen unterzuordnen. Dem Lehrplan 21 kommt bei der Erfüllung des Verfassungsauftrags zentrale Bedeutung zu – und es ist in diesem Sinne zu hoffen, dass die Implementierung in den Kantonen und Schulen gelingt.
Die Lehrplan-Entwickler legen ein sehr umfassendes und modern konzipiertes Dokument vor. Die Ziele der Volksschule werden benannt. Bisher war ein Lehrplan nicht das erste Arbeitsinstrument von Lehrpersonen. Das könnte sich ändern. Der Lehrplan 21 wird die Mobilität von Familien wie Lehrpersonen erleichtern. Das ist ein weiteres Plus. Ob er die Volksschule an sich besser macht, wird sich weisen müssen. Immerhin wird die Latte hoch angesetzt. Einige Schülerinnen und Schüler werden jedoch Mühe haben, die Mindestansprüche zu erfüllen. Offen ist, was mit ihnen geschehen soll.
Etwas verfrüht kommen die Lobhudeleien auf die Kompetenzorientierung. Das Wissen an sich bleibt zwar wichtig, noch wichtiger wird aber dessen Anwendung. Es besteht die Gefahr, dass das Faktenwissen in den Hintergrund rückt. Die Welt allerdings wird nicht neu erfunden: Auch in Zeiten des Internets haben jene die Nase vorn, die sich mehr Wissen – besonders auch Faktenwissen – angeeignet haben. Schlau und gebildet ist nicht, wer am besten weiss, welchen Knopf er drücken muss.
Das Thema «Nachhaltigkeit» ist zwar kein tragender Pfeiler des Lehrplans 21. Man fragt sich trotzdem, ob hier nicht überbordet wird. Sollen die Knirpse schon von Anfang an auf ein korrektes politisches Verhalten getrimmt werden? Die Schule soll die Vielfalt des Denkens fördern, nicht die Einheitlichkeit. Ideologien der Gleichmacherei haben im Lehrplan jedenfalls nichts zu suchen.
Quelle: NZZ, 29.6.

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