14. April 2013

Lehrerdoktor auch in Zürich

Was Basel recht ist, ist Zürich billig. Auch an der PHZH ist nämlich ein Doktorstudium geplant. Begründet wird das Bedürfnis nach der fehlenden wissenschaftlichen Basis bei den Fachdidaktikern. 

Bald können auch Primarlehrer doktorieren. In Zürich und Basel entstehen derzeit Doktorats-Programme für Absolventen der Pädagogischen Hochschule (PH). Da das Promotionsrecht hierzulande exklusiv den Universitäten und der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) vorbehalten ist, handelt es sich bei den geplanten Vorhaben um Kooperationen zwischen der Pädagogischen Hochschule und der Universität. Diese wird über die Vergabe des Doktortitels entscheiden.
Die Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz arbeitet mit der Universität Basel zusammen. Die Pädagogische Hochschule Zürich (PHZH) mit der Universität Zürich. «Ein Kooperationsvertrag zwischen der Universität Zürich und der Pädagogischen Hochschule Zürich liegt im Entwurf vor», sagt Otfried Jarren, Prorektor Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Zürich. Dabei erhoffe er sich die finanzielle Unterstützung des Kantons, sagt Jarren. Dort hat man sich bereits Gedanken über die Kostenfolgen gemacht. «Die Finanzierung erfolgt über die Staatsbeiträge an die Hochschulen», lässt die Zürcher Bildungsdirektorin Regine Aeppli ausrichten.
Auch in Basel sollte bis zum Herbst 2014 ein anwendbares Konzept vorliegen, wie Antonio Loprieno, Rektor der Universität Basel, sagt. «In ein bis zwei Jahren kann der erste Absolvent der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz das gemeinsame Doktorats-Programm belegen.»
Doch wozu brauchen Lehrer überhaupt einen Doktortitel? Für die Beteiligten ist die Antwort klar: Im Bereich der Fachdidaktik fehlt es an qualifiziertem Nachwuchs. Die Disziplin untersucht Unterrichtsmethoden und Lernprozesse wissenschaftlich. Die Erkenntnisse fliessen in die Lehrerbildung ein. «Der Mangel an promovierten Fachdidaktikern ist eine alte Baustelle», sagt Loprieno. Bisher sei die Ausbildung in der Fachdidaktik marginalisiert worden. Man habe sehr wenig Personal, das an den Hochschulen in der Disziplin lehre und forsche. «Für den eigenen Nachwuchs gab es bisher keine eigene Ausbildung», erklärt Loprieno. Promovierte Fachdidaktiker an Schweizer Hochschulen würden darum häufig aus Deutschland stammen. Um eigenen Nachwuchs auszubilden, müsse man unbedingt den ganzen Fachbereich stärken.
In Zürich könnte das Programm in ein bis zwei Jahren mit zwölf Doktoranden starten, hofft Jarren. Einen Überschuss an Fachdidaktikern werde es so schnell nicht geben. «Fachdidaktiker tun jedem Fachbereich gut», sagt Jarren. Jede Disziplin der Universität sollte sich darüber Gedanken machen, wie fachspezifische Inhalte vermittelt werden müssten. «Von der Vermittlungsfähigkeit einer Disziplin hängt ab, ob sie Nachwuchs für das Fach begeistern kann», erklärt Jarren.
Die Einführung eines Doktorats-Programms für die Fachdidaktik bedeutet auch, dass die Forschung an der PH weiter ausgebaut wird. Eine Entwicklung, die manchen Kritikern nicht geheuer ist. Nicht nur SVP-Exponenten kritisieren die zunehmende Akademisierung der PH. Sie halten die Lehrerausbildung bereits heute für zu theorielastig. «Ich verstehe die Forschung nicht als abgehoben von der Praxis», sagt PHZH-Rektor Walter Bircher dazu. Forschung müsse der Entwicklung des Unterrichts dienen. Für Bircher ist allerdings klar: «Wer im geplanten Doktorats-Programm mitmachen will, sollte wenn immer möglich ein Lehrerdiplom mitbringen.» Auch in der Nordwestschweiz wird von den Doktoranden Unterrichtspraxis verlangt. «Die Ausbildung darf nicht nur theoretisch sein», sagt Loprieno.
«Unser Fernziel ist es, selbst Doktortitel zu vergeben», hält PHZH-Rektor Bircher fest. Mit der Kooperationslösung bleibe das Promotionsrecht zwar bei der Uni, die PHZH soll jedoch in der Titelvergabe mitentscheiden können. Jarren von der Universität Zürich warnt davor, dass die PH in Eigenregie Doktortitel vergebe. «Um die Qualität der Promotionen sicherzustellen, müsste man die Forschung noch mehr ausbauen», sagt er, was angesichts der Breite des Fächerspektrums die Kapazitäten einer Pädagogischen Hochschule übersteige. Mit Blick auf Deutschland sei das Promotionsrecht für Pädagogische Hochschulen ausserdem alles andere als erfolgversprechend: «In Deutschland hat sich der Dr. päd. nie durchgesetzt - auch weil der Titel als minderwertig gegenüber universitären Promotionen gilt.»
Quelle: NZZaS, 14.4. von Katharina Bracher

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