Bald können auch Primarlehrer doktorieren. In Zürich und Basel
entstehen derzeit Doktorats-Programme für Absolventen der Pädagogischen
Hochschule (PH). Da das Promotionsrecht hierzulande exklusiv den Universitäten
und der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) vorbehalten ist, handelt
es sich bei den geplanten Vorhaben um Kooperationen zwischen der Pädagogischen
Hochschule und der Universität. Diese wird über die Vergabe des Doktortitels
entscheiden.
Die
Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz arbeitet mit der
Universität Basel zusammen. Die Pädagogische Hochschule Zürich (PHZH) mit der
Universität Zürich. «Ein Kooperationsvertrag zwischen der Universität Zürich
und der Pädagogischen Hochschule Zürich liegt im Entwurf vor», sagt Otfried
Jarren, Prorektor Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Zürich.
Dabei erhoffe er sich die finanzielle Unterstützung des Kantons, sagt Jarren.
Dort hat man sich bereits Gedanken über die Kostenfolgen gemacht. «Die
Finanzierung erfolgt über die Staatsbeiträge an die Hochschulen», lässt die
Zürcher Bildungsdirektorin Regine Aeppli ausrichten.
Auch in Basel
sollte bis zum Herbst 2014 ein anwendbares Konzept vorliegen, wie Antonio
Loprieno, Rektor der Universität Basel, sagt. «In ein bis zwei Jahren kann der
erste Absolvent der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz das gemeinsame
Doktorats-Programm belegen.»
Doch
wozu brauchen Lehrer überhaupt einen Doktortitel? Für die Beteiligten ist die
Antwort klar: Im Bereich der Fachdidaktik fehlt es an qualifiziertem Nachwuchs.
Die Disziplin untersucht Unterrichtsmethoden und Lernprozesse wissenschaftlich.
Die Erkenntnisse fliessen in die Lehrerbildung ein. «Der Mangel an promovierten
Fachdidaktikern ist eine alte Baustelle», sagt Loprieno. Bisher sei die
Ausbildung in der Fachdidaktik marginalisiert worden. Man habe sehr wenig
Personal, das an den Hochschulen in der Disziplin lehre und forsche. «Für den
eigenen Nachwuchs gab es bisher keine eigene Ausbildung», erklärt Loprieno.
Promovierte Fachdidaktiker an Schweizer Hochschulen würden darum häufig aus
Deutschland stammen. Um eigenen Nachwuchs auszubilden, müsse man unbedingt den
ganzen Fachbereich stärken.
In Zürich
könnte das Programm in ein bis zwei Jahren mit zwölf Doktoranden starten, hofft
Jarren. Einen Überschuss an Fachdidaktikern werde es so schnell nicht geben.
«Fachdidaktiker tun jedem Fachbereich gut», sagt Jarren. Jede Disziplin der
Universität sollte sich darüber Gedanken machen, wie fachspezifische Inhalte
vermittelt werden müssten. «Von der Vermittlungsfähigkeit einer Disziplin hängt
ab, ob sie Nachwuchs für das Fach begeistern kann», erklärt Jarren.
Die
Einführung eines Doktorats-Programms für die Fachdidaktik bedeutet auch, dass
die Forschung an der PH weiter ausgebaut wird. Eine Entwicklung, die manchen
Kritikern nicht geheuer ist. Nicht nur SVP-Exponenten kritisieren die
zunehmende Akademisierung der PH. Sie halten die Lehrerausbildung bereits heute
für zu theorielastig. «Ich verstehe die Forschung nicht als abgehoben von der
Praxis», sagt PHZH-Rektor Walter Bircher dazu. Forschung müsse der Entwicklung
des Unterrichts dienen. Für Bircher ist allerdings klar: «Wer im geplanten
Doktorats-Programm mitmachen will, sollte wenn immer möglich ein Lehrerdiplom
mitbringen.» Auch in der Nordwestschweiz wird von den Doktoranden
Unterrichtspraxis verlangt. «Die Ausbildung darf nicht nur theoretisch sein»,
sagt Loprieno.
«Unser
Fernziel ist es, selbst Doktortitel zu vergeben», hält PHZH-Rektor Bircher
fest. Mit der Kooperationslösung bleibe das Promotionsrecht zwar bei der Uni,
die PHZH soll jedoch in der Titelvergabe mitentscheiden können. Jarren von der
Universität Zürich warnt davor, dass die PH in Eigenregie Doktortitel vergebe.
«Um die Qualität der Promotionen sicherzustellen, müsste man die Forschung noch
mehr ausbauen», sagt er, was angesichts der Breite des Fächerspektrums die
Kapazitäten einer Pädagogischen Hochschule übersteige. Mit Blick auf
Deutschland sei das Promotionsrecht für Pädagogische Hochschulen ausserdem
alles andere als erfolgversprechend: «In Deutschland hat sich der Dr. päd. nie
durchgesetzt - auch weil der Titel als minderwertig gegenüber universitären
Promotionen gilt.»
Quelle: NZZaS, 14.4. von Katharina Bracher
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