24. Februar 2013

Schulleiter brauchen pädagogische Erfahrungen


Welche Qualifikationen müssen Schulleiter mitbringen? Am kommenden Sonntag äussern sich die Zürcher Stimmbürger zu dieser Frage. Der Regierungsrat will, dass Schulleiter künftig auch dann eingestellt werden können, wenn sie kein Lehrerdiplom besitzen. Diese Änderung des Personalrechts für Volksschullehrer sorgte für Ärger im Kantonsrat - worauf Lehrerverbände und Gewerkschaften das Referendum ergriffen. Nun erhalten die Gegner der neuen Regelung Auftrieb aus der Pädagogik-Forschung.
«Gute Schulleiter zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein hohes Professionswissen über den Unterricht mitbringen», sagt Professor Stephan Huber, Leiter des Instituts für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie an der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz Zug. Er ist Verfasser einer internationalen Studie über Schulleitung, die erstmals auch Arbeitsbedingungen und Aufgabengebiete von Deutschschweizer Schulleitern empirisch erforscht. Zu diesem Thema liegen noch wenig wissenschaftliche Erkenntnisse vor, denn in der Schweiz kennt man Schulleitungen erst seit ein paar Jahren.
«Ein Grossteil der Arbeit von Schulleitern besteht aus Organisations- und Verwaltungsaufgaben», sagt Forscher Huber (siehe Grafik). Für die meisten anderen Aufgaben, etwa Coaching und die Führung des Lehrkörpers, sei aber pädagogisches Wissen gefragt. «Die Akzeptanz bei den Lehrpersonen hängt stark davon ab, ob jemand Ahnung hat von den Problemen des Unterrichts», sagt Huber weiter. In vielen Kantonen haben Schulleiter an kleinen Schulen noch ein relativ grosses Unterrichtspensum. «Eine Schule leiten heisst vor allem auch pädagogisch leiten», lautet Hubers Schlussfolgerung. Der Schweizer Schulleiter-Verband sieht das differenzierter. «In den allermeisten Fällen braucht es als Schulleiter eine pädagogische Ausbildung», sagt Peter Baumann vom Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz. Trotzdem könne er Ausnahmen nicht absolut ausschliessen. «In der Realität wird es aber auch mit der neuen Regelung kaum Schulleiter geben, die keinen pädagogischen Hintergrund haben», sagt Baumann. Der Zürcher Schulleiter-Verband hat aus ähnlichen Gründen die Stimmfreigabe für die Abstimmung beschlossen. «Ein Schulleiter, der nichts von Pädagogik versteht, ist ohnehin nicht lange Schulleiter», sagt dessen Präsident Peter Gerber. Es gebe heute schon Schulen in der Schweiz, die von Personen geführt würden, die keinen pädagogischen Hintergrund hätten. «Das ist besonders in grossen Schulen möglich, wo sich die Schulleitung aus zwei Personen zusammensetzt. Die eine übernimmt die betriebswirtschaftliche, die andere die pädagogische Leitung», sagt Gerber. Und gewisse administrative Tätigkeiten könnte auch ein Assistent machen. Hubers Umfrage ergab diesbezüglich, dass Schulleiter 38 Prozent ihrer Arbeitszeit in die Organisation stecken. «Darunter sind auch Arbeiten, die an Sekretariate delegierbar wären», sagt Huber.
Laut Huber besteht noch viel «Potenzial für die weitere Professionalisierung» der Führungspersonen an Schulen. Er empfiehlt, dass ein Schulleiter einen Masterstudiengang (MAS) in Bildungs- oder Schulmanagement absolvieren sollte. Ein Certificate of Advanced Studies (CAS) in «Führen einer Bildungsorganisation», der heutige Standardkurs für Schulleiter, sei lediglich eine gute Ausgangsbasis.
Die Zürcher Schulleiter finden die Ausbildung auch verbesserungswürdig, aber: «Einen Master zwingend vorzuschreiben, fände ich im Moment noch übertrieben», sagt Gerber. Um eine so zeitintensive Weiterbildung auf sich zu nehmen, seien die Anreize zu gering: Die Arbeitsbelastung der Schulleiter sei sehr hoch, was sich aber nicht in der Differenz zum Lehrerlohn zeige. Der Forscher bestätigt diesen Eindruck: «12 Prozent der befragten Schulleiter zeigen starke Anzeichen einer emotionalen Erschöpfung», sagt Huber. Damit habe diese Berufsgruppe durchaus ein hohes Burnout-Risiko.
Quelle: Schulleiter brauchen pädagogische Erfahrungen, NZZaS, 24.2. von Katharina Bracher

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