In Graubünden toben erbitterte,
innerromanische Kämpfe. So umschreibt es zumindest der neue Bündner
Bildungsdirektor Martin Vogel (sp.). Das innerromanische Zerwürfnis wurzelt im
Entscheid, von 2007 bis 2015 in rätoromanischen Bündner Schulen die
Einheitssprache Rumantsch Grischun als Unterrichtssprache einzuführen. Die fünf
traditionellen, lokal verankerten Idiome des Rätoromanisch wären damit zumindest
schulisch in den Hintergrund getreten. Doch heute unterrichtet nicht einmal die
Hälfte aller Schulen in der Einheitssprache. Einige blieben von Anfang an beim
lokalen Idiom oder kippten Rumantsch Grischun nach kurzer Zeit wieder aus dem
Lehrplan und zogen die alten Lehrmittel im lokalen Idiom wieder aus der
Schublade.
«Rumantsch Grischun als Unterrichtssprache ist
gescheitert», sagt Bildungsdirektor Vogel jetzt zur «NZZ am Sonntag». Es ist
eine erste, ernüchternde Bilanz, die er nach zehn Monaten im Amt zum Dossier
Rätoromanisch zieht. In den Jahren nach der Einführung der Einheitssprache habe
sich ein grosser Unwillen in den Gemeinden zusammengebraut, sagt Vogel. Es sei
zu einer Welle von Volksbegehren gekommen, welche die Rückkehr zum lokalen Idiom
forderten. Dabei sei es zu heftigen Grabenkämpfen unter den Romanen gekommen.
«Die einen glauben, dass Rätoromanisch nur zu retten sei, wenn Rumantsch
Grischun als Einheitssprache gefördert werde. Die anderen fürchten sich davor,
dass auf diese Weise die traditionellen Idiome aussterben», sagt Vogel, der
selbst zum deutschsprechenden Teil der Bevölkerung gehört. Der Streit, meint
Martin Vogel, schade besonders der Solidarität der nichtromanischen Steuerzahler
mit der romanischen Bevölkerung: «Deutsch-Bündner goutieren diese Grabenkämpfe
nicht.» Zurzeit brauche es Lehrmittel in acht Sprachen: Auf Deutsch,
Italienisch, in den fünf Idiomen des Kantons und auf Rumantsch Grischun. Das sei
schwer nachvollziehbar für den Rest der Bevölkerung.
Zusätzlich befeuert wird der Sprachenkampf nun
von einer Studie, welche die Universität Freiburg vergangene Woche präsentiert
hat. Sie befasst sich mit den Sprachkompetenzen von Primarschülern, die in
Rumantsch Grischun oder in einem der Idiome unterrichtet wurden. Das Ergebnis:
Idiome und Einheitssprache sind als Unterrichtssprache zwar gleichwertig, wenn
es um den schriftlichen Ausdruck und Lesekompetenzen geht - mündlich ausdrücken
können sich aber Schüler, die im Idiom unterrichtet wurden, um einiges
besser.
In das Projekt Rumantsch Grischun hat der
Kanton gemäss einer Grobschätzung des Amts für Kultur 7,3 Millionen Franken
gesteckt. Gemeinden, die bei der Einführung der Einheitssprache einen
Sondereffort leisteten, erhielten insgesamt 1,7 Millionen Franken
Extra-Zuwendungen vom Kanton. NZZaS, 30.10. von Katharina Bracher
Ooops! Da ist der NZZaS ein ziemlicher Lapsus passiert. Nicht nur, dass sie den Namen des Bündner Regierungsrats verwechselte ... Die Südostschweiz von heute spricht von einer fahrlässigen Verkürzung der Aussage Jägers. Dieser dementierte den Bericht der NZZaS und hielt fest an seiner ursprünglich gemachten Aussage. Diese lautet:"Die Idee, dass sich alle romanischsprachigen Gemeinden freiwillig für Rumantsch Grischun als Unterrichtssprache an den Schulen entscheiden, ist gescheitert." Es könne keine Rede davon sein, die rätoromanische Schriftsprache wieder aus den Schulzimmern zu verbannen, stellt der Bündner Bildungschef Martin Jäger klar.
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