28. Juni 2017

Fremdsprachen-Lehrmittel weiterhin in der Kritik

Nach dem neuen Französischbuch steht nun auch das neue Englischlehrmittel «New World» in der Kritik. Eine Umfrage in verschiedenen Kantonen ergab etwa, dass schwache Schüler damit überfordert sind.
Jetzt wird auch das Englischbuch kritisiert, Berner Zeitung, 24.6. von Marius Aschwanden


Die Wogen gingen hoch, als vor bald zwei Jahren die ersten Schüler in die Oberstufe kamen, die bereits von der dritten anstelle der fünften Klasse Französischunterricht hatten. Sie konnten nicht etwa besser, sondern schlechter Franz als ihre Vorgänger. Bis heute hat sich daran kaum etwas geändert. Die Schuld geben Eltern, Lehrer und Bildungsexperten den neuen Lehrmitteln «Mille Feuilles» und «Clin d’œil». Mit diesen büffeln die Kinder nicht mehr vorwiegend Grammatik, sondern sollen die Sprache spielerisch erkunden.

Nach der gleichen Didaktik wird im Kanton Bern seit 2013 auch Englisch unterrichtet. Lange Zeit blieb es in diesem Fach aber trotz ebenfalls neuem Lehrmittel ruhig. Nun jedoch wird auch daran Kritik laut – und sie unterscheidet sich kaum von jener im Französisch: Schwache Schüler sind mit den Inhalten überfordert, Lehrer müssen zusätzliches Übungsmaterial selber herstellen, der Aufbau der Grammatik ist zu wenig klar, der Wortschatz zu wenig alltagstauglich oder der Onlinezugang zu umständlich. Zu diesem Schluss jedenfalls kommen die Lehrerverbände der Kantone Bern, Solothurn, Basel-Land, Basel-Stadt und Graubünden in einer Umfrage zum Lehrmittel «New World».

Tieferes Sprachniveau
Die von den Lehrern verorteten Mängel bleiben nicht ohne Folgen auf das Wissen der Jugendlichen: Die Umfrage ergab auch, dass die Lehrpersonen das Können ihrer Schützlinge insbesondere im Bereich Schreiben als «mittel» bis «schlecht» einstufen. Die Grammatikkenntnisse oder das Wissen über die sprachliche Struktur beurteilen sie sogar mehrheitlich als «schlecht».

Trotzdem will Franziska Schwab, Leiterin Pädagogik bei Bildung Bern, nicht schwarzmalen. «Eine Mehrheit der befragten Lehrpersonen im Kanton Bern ist grundsätzlich zufrieden mit dem neuen Lehrmittel», sagt sie. So seien die Schüler auch nicht per se schlechter als jene, die mit dem vorangehenden Schulbuch unterrichtet worden sind. Heute hätten die Jugendlichen etwa weniger Hemmungen, mit der Sprache umzugehen und seien in Lesen, Hören und Sprechen auf einem guten Niveau.

Dasselbe sagen Verfechter der neuen Didaktik seit Längerem auch über die Französischkenntnisse der Schülerinnen und Schüler. Für Schwab ist die Situation in den beiden Fremdsprachen aber nicht eins zu eins vergleichbar. «Französischlernen wird von vielen Jugendlichen als anstrengend oder sogar qualvoll angesehen, während die englische Sprache in ihrer Kultur bereits stark verankert ist.» Entsprechend falle es vielen Jugendlichen trotz allfälligen Mängeln im Lehrmittel leichter, Englisch zu lernen.

Verlag hat reagiert
Weshalb die Kritik an «New World» erst zwei Jahre nach dem Aufschrei um die Franz-Lehrmittel kommt, erklärt Schwab mit der ebenfalls um zwei Jahre späteren Einführung des Englisch-Lehrmittels. «Die Lehrpersonen merken erst nach einer gewissen Zeit, was in einem neuen Buch fehlt oder ob Teile schlecht aufgebaut sind», sagt sie.

Die Berufsverbände haben ihre Kritik mitsamt Verbesserungswünschen vor kurzem dem Klett und Balmer-Verlag mitgeteilt, der «New World» herausgibt. Mittlerweile hat auch ein Treffen zwischen den Parteien stattgefunden. Der Verlag hat den Verbänden dabei aufgezeigt, welche Optimierungsmassnahmen ergriffen werden. Erarbeitet würde derzeit etwa zusätzliches Übungsmaterial. Zudem werde der kritisierte Onlinezugang vereinfacht. Betreffend der Alltagstauglichkeit des Wortschatzes hingegen, kündigt das Unternehmen keine Änderungen an.


Franziska Schwab macht sich denn auch keine Illusionen: «Eine Überarbeitung braucht Zeit. Für uns ist aber wichtig, dass etwas geht.» Klar sei zudem, dass niemand zurück zum alten Lehrmittel wolle. 

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