8. Mai 2016

Keine Ausnahmen für muslimische Kinder

Wenn am 6. Juni der Ramadan beginnt, ist die Ʈhurgauer Erziehungsdirektorin Monika Knill (SVP) gerüstet. Ihr Volksschulamt hat klare Direktiven für den muslimischen Fastenmonat erlassen: An den Ʈhurgauer Schulen wird es keine Islam-Sonderregelungen geben.



















Monika Knill geht weiter als andere Kantone, Bild: Reto Martin
Koch- und Turnunterricht auch während des Ramadan, Sonntagszeitung, 8.5. von Nadja Pastega

Das hält das «Merkblatt zu Schule und Ramadan» fest, das Knills Schulbehörde in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Ʈhurgau erarbeitet hat. Die zweiseitigen behördlichen Anweisungen enthalten «Regeln» für den Umgang mit muslimischen Schülern, die aus religiösen Gründen fasten. Wörtlich heisst es darin: «Die Dispensation vom Unterricht in einzelnen Fächern ist während des Monats Ramadan nicht möglich, auch nicht von den Fächern Hauswirtschaȑ (Kochen), Turnen und Schwimmen.»

Bei Absenz «eventuellen Notenabzug in Kauf nehmen»
Die Logik des Ʈhurgauer Ramadan-Papiers ist einfach: Fasten während der Schulzeit ist zu akzeptieren – aber kein Grund, den Stundenplan abzuspecken. Wer im Turnunterricht an einer Sportprüfung nicht teilnimmt, muss «einen eventuellen Notenabzug in Kauf nehmen», steht im neuen Regelblatt. Dagegen könne auf das «Einfordern von Extremleistungen» während des Ramadan verzichtet werden. Normalbetrieb soll auch im Fach Hauswirtschaft herrschen. Fastende Schülerinnen und Schüler müssen nicht nur in den Ʈheorieunterricht, sondern sich auch «aktiv am Kochen beteiligen». Nur während der Mahlzeiten gibt es Ausnahmen: Schulen sollen die Möglichkeit bieten, sich «anderweitig zu beschäftigen». Diese Regeln gelten gemäss Merkblatt «in angepasstem Sinn» auch für Klassenlager und andere schulische Anlässe mit Essenszubereitung.

Damit geht der Ʈhurgau weiter als andere Kantone, die Dispensationen von einzelnen Fächern erlauben. Nicht zum ersten Mal stellt sich Erziehungsdirektorin Knill gegen den schulpolitischen Mainstream. Der Ʈhurgau ist der Kanton, der das Frühfranzösisch aus der Primarschule kippen will und damit für Aufregung bis ins Büro von Bundesrat Alain Berset sorgt.

Während des Ramadan dürfen gläubige Muslime von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang weder essen noch trinken. Die Pflicht des Fastens beginnt mit der Pubertät. Aber auch jüngere Kinder würden «in vielen Familien ermutigt, einige Stunden am Tag zu fasten», heisst es im Ʈhurgauer Ramadan-Flyer. Er ergänzt die bereits länger vorliegende Broschüre «Religion und Schule».

Das neue Merkblatt zeige «die Rechtsgrundlagen und grundsätzlichen Überlegungen in Zusammenhang mit dem Ramadan», sagt Knill. «Die Schulen erhalten so eine Hilfestellung, wie sie mit solchen Fragestellungen umgehen können.» Für hohe religiöse Feiertage seien Dispensationen «selbstverständlich möglich», so Knill. Das seien aber «Einzeltage». Muslimische Eltern können ihre Kinder also zum Beispiel für das Fasten- brechen, eine Feier zum Abschluss des Ramadan, vom Schulbesuch dispensieren lassen – aber nicht für den ganzen Ramadan. Auch gibt es laut Knill kein Recht auf eine Dispensation von einzelnen Unterrichtsfächern.

Kantone wie Zürich, Basel oder St. Gallen erlauben Fernbleiben
Das sieht man im Kanton Zürich anders. Schülerinnen und Schüler, die aus religiösen Gründen fasten, können an Zürcher Schulen «während dieser Zeit dem Sportunterricht fernbleiben» und «vom Kochen und Essen im Hauswirtschaftsunterricht befreit werden», hält ein Grundlagenpapier des Volksschulamts fest.

Auch St. Gallen, Schaffhausen und Freiburg gewähren einen Dispens vom Kochunterricht. In Baselland, wo derzeit Juristen über einem Gutachten zum Händedruck-Dispens an einer Schule in Ʈherwil brüten, steht im Handbuch für Schulleiter: «Für Schülerinnen und Schüler, die fasten, können die Unterrichtsinhalte angepasst werden.» Im Nachbarkanton Basel-Stadt können muslimische Schüler während des Fastenmonats gemäss Leitfaden des Erziehungsdepartements «vom Sportunterricht befreit und anderweitig beschäftigt werden». Allerdings könne das Fasten auch nur vorgeschützt werden, um sich vor dem Turnen und anderen ungeliebten Fächern zu drücken. Den Basler Lehrern wird daher empfohlen, sich zu informieren, wann der Ramadan tatsächlich stattfindet.


Bei der Föderation islamischer Dachorganisationen der Schweiz (Fids) gibt es keine Kritik für das Ausscheren und die harte Linie des Kantons Ʈhurgau. Ob das Fasten mit einem Koch- und Turnobligatorium erschwert werde, hänge unter anderem von der Tageszeit der Lektionen ab. «Ein frühmorgendlicher Turnunterricht mit einigen Dehnübungen ist anders zu beurteilen als ein 12-Minuten-Lauf an einem Sommernachmittag», sagt Fids-Sprecher Önder Güneş. Ähnlich sei es beim Kochen. «Wir befürworten deshalb den Dialog mit allen Beteiligten und den Konsens als Lösung.»

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen