18. April 2016

Umstrittene Stundentafel

Die Zürcher Version des Lehrplans 21 geniesst die Unterstützung der schulischen Verbände. Gerungen wird um Details – klugerweise in einem überblickbaren Kreis.













Umstritten ist die Stundentafel der Primarschüler, Bild: Christoph Ruckstuhl
Ohne die Lehrerschaft geht nichts, NZZ, 16.4. Kommentar von Walter Bernet


Nun liegt er also vor, der an die Zürcher Verhältnisse leicht angepasste Lehrplan 21. Wie viel ist doch in den letzten Jahren darüber geschrieben, wie laut von eher wenigen geklagt worden! Und jetzt? Da sitzt die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner mit ihrer zuständigen Chefbeamtin vor den Medien, flankiert von vier Vertreterinnen und einem Vertreter der wichtigsten schulischen Verbände, und verkündet: «Ich bin von diesem Lehrplan total überzeugt.» Und niemand widerspricht.

Es sind nicht Zeichen und Wunder, die da geschehen, obwohl der Eklat vom März, als der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband sich aus den vorbereitenden Arbeitsgruppen zurückzog, darauf hinweisen könnte. Der Konflikt, der sich vor allem um die Ausgestaltung der nun beginnenden Vernehmlassung drehte, ist erledigt. Was hinter der Einmütigkeit im Grundsätzlichen steht, ist nichts anderes als eine realistische Sicht des Stellenwerts dieses Lehrplans. Die Vorstellung, dass die Lehrerschaft ihre Lektionen mit dem Lehrplan auf den Knien (oder dem Bildschirm) präpariert, ist absurd. Wirklich Einfluss auf den Unterricht haben die Lehrmittel. Der Lehrplan 21 ist Grundlage für die Erarbeitung der – zum grössten Teil bereits vorhandenen – Lehrmittel, sorgt für die Verknüpfung der Fächer, schafft Orientierung und Transparenz für alle an der Schule Interessierten und erleichtert die Mobilität zwischen den Deutschschweizer Schulsystemen für Schüler und Lehrer. Mit Akzenten in den Naturwissenschaften und der Informatik und mit der Kompetenzorientierung trägt er Entwicklungen Rechnung, die wohl auch ohne Lehrplan in die Schulen Eingang fänden.

Dass die Lehrerschaft, die Schulleitungen und die Schulpräsidien sich hinter diese Ziele stellen, ist allerdings eine zwingende Erfolgsbedingung. Ohne schulisches Umfeld, das die Anliegen des Lehrplans mitträgt, geht gar nichts. Das zeigt sich jetzt in den Differenzen um die Ausgestaltung der konkreten, die Fächer gewichtenden Stundentafeln. Gerungen wird um Unspektakuläres: um etwas Halbklassenunterricht mehr oder weniger, um die maximale Lektionenzahl für Mittel- und Oberstufenschüler, um die Dotierung des Handarbeitsunterrichts. Hier geht es um die Frage des Primats von pädagogischen Überlegungen oder von finanzpolitischen Vorgaben. Sie ist eigentlich bereits entschieden: Am Prinzip der Kostenneutralität wird kaum zu rütteln sein. So geht es in der Vernehmlassung und der anschliessenden Anpassung der Stundentafeln vor allem darum, einen tragbaren Ausgleich zu finden.

Auch wenn zur Vernehmlassung unterschiedliche Organisationen und die politischen Parteien eingeladen sind, kommt gerade bei diesen Feinjustierungen der Lehrerschaft eine Schlüsselrolle zu. Sie weiss, worum es im Schulalltag geht. Die Rolle des Widerparts dem politisch und gesellschaftlich austarierten Bildungsrat als Expertengremium zu überlassen, ist angesichts des Vertrauen voraussetzenden Prozesses sinnvoll. Bei aller Kritik der Lehrerverbände scheint dieser Weg jetzt tatsächlich zum Ziel zu führen. Ob der Kantonsrat oder das Volk mitreden sollen, wie es eine Initiative will, kann getrost später entschieden werden.


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