27. September 2015

Überall und allgegenwärtig: Sparpläne

Die kantonalen Sparpakete liessen die Bildung ausbluten, sagt der LCH. Er hat erstmals ausgerechnet, wie hoch die Einbussen in der Deutschschweiz sind.













Mindestens 180 Millionen wurden seit 2013 gespart - noch einmal so viel soll folgen, Bild: Gaetan Bally
Lehrer warnen vor Bildungsabbau, NZZaS, 27.9. von Katharina Bracher


18 von 21 Deutschschweizer Kantonen haben zwischen den Jahren 2013 und 2018 Sparmassnahmen in der Bildung entweder geplant oder schon realisiert. Dies ergibt eine Umfrage des Lehrerdachverbandes (LCH). «Wir gehen von mindestens 180 Millionen Franken Bildungsabbau aus, der seit 2013 erfolgt ist», sagt LCH-Zentralsekretärin Franziska Peterhans. Das seien jedoch nur jene Sparbeiträge, die eindeutig identifizierbar seien. «Einen Teil der Kosten für die Bildung übernehmen die Gemeinden», sagt Peterhans. Wie viel auf kommunaler Ebene eingespart wurde, hat der LCH in seiner Umfrage nicht erhoben. Hingegen wurde erfasst, welche Sparmassnahmen in den Kantonen künftig anfallen. «Wir gehen von mindestens 180 Millionen Franken aus, die in den Kantonen bis 2018 eingespart werden müssen», sagt Peterhans.
Ein Grossteil betreffe die Anstellungsbedingungen der Lehrer: Pensumsreduktionen, Verschlechterung bei den Löhnen und den Sozialleistungen. Aber auch der Unterricht sei mit zweistelligen Millionenbeträgen vom Abbau betroffen. «Häufig sind Klassenvergrösserungen, Lektionenabbau und Streichung von Freifächern und Extra-Stunden, die es dem Lehrer erlauben würden, sich intensiver mit den Lernproblemen der einzelnen Schüler zu befassen», sagt Peterhans. Aber auch mit Gebühren versuchten die Kantone zu sparen, etwa indem die Eltern vermehrt zur Kasse gebeten würden.

Weniger Geld pro Schüler
Zuletzt hat der Kanton Zürich seine Sparpläne öffentlich gemacht. Am Freitag gab die neue Bildungsdirektorin Silvia Steiner (cvp.) bekannt, dass ihr Bereich jährlich 49 Millionen einsparen müsse. 20 Millionen davon betreffen allein die Volksschule. «Ich wüsste nicht, wo wir das einsparen sollten», sagt Lilo Lätzsch vom Zürcher Lehrerverband. Vor allem, da die Schülerzahlen stark steigen. «Wie sollen wir mit mehr Schülern und weniger Geld die Bildungsziele erreichen?», fragt Lätzsch. Ausserdem müsse Zürich, wie die meisten Kantone, gleichzeitig den Lehrplan 21 einführen, was auch nicht kostenlos zu haben sei.
Christian Amsler (fdp.), Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren, spricht angesichts der Zahlen von einer «ganz neuen Dimension» (Interview). Früher habe man die Bildung nur im Notfall angetastet. Doch weil die Kosten in anderen Bereichen gestiegen seien, müsse nun auch die Bildung ihren Teil zu den Einsparungen beitragen. Anders als Lätzsch sieht der Schaffhauser Bildungsdirektor noch Spielraum für Einsparungen. «Es hat unzählige Landgemeinden, die ganz kleine Klassen haben», sagt Amsler. Die Zusammenlegung zwischen den Gemeinden müsse unbedingt geprüft werden.
Eine Methode, die man im Kanton Baselland bereits angewendet hat. Trotzdem habe das am Spardruck nicht viel geändert, sagt Roger von Wartburg vom Baselbieter Lehrerverband. «Es ist das dritte Sparpaket in zwölf Jahren, die Bildung ist jedes Mal erheblich betroffen», sagt er.

Lieber auf die Privatschule
Auch die Baselbieter haben neu eine bürgerliche Bildungsdirektorin. Insgesamt 50 Millionen muss sie einsparen. «Es gibt Verschlechterungen bei den Anstellungsbedingungen», räumt Monica Gschwind (fdp.) ein. «Aber das betrifft nicht nur die Lehrer, sondern alle Kantonsangestellten.» Sie wolle vermeiden, dass die Volksschule einseitig von den Einsparungen betroffen sei. Deshalb prüfe man nun, den jährlichen Beitrag von 169 Millionen Franken, den der Kanton an die Universität Basel bezahle und der 20 Prozent des Budgets ausmache, zu reduzieren.

Bern baut derzeit 300 Vollzeitstellen auf allen Schulstufen ab. «Das passiert schleichend, indem nicht nur Klassen geschlossen, sondern einzelne Lektionen gestrichen werden», sagt Gewerkschaftsleiter Christoph Michel vom Lehrerverband Bern. Heute seien Klassen von 26 und mehr Schülern keine Seltenheit mehr. «So erstaunt es nicht, wenn Eltern sich bereits überlegen, die Kinder auf eine Privatschule zu schicken», sagt Michel. Dem widerspricht Bernhard Pulver (gp.), Bildungsdirektor des Kantons Bern. Die Privatschul-Quote sei nicht angestiegen. Weitere Sparpakete seien auch nicht vorgesehen. Und den Stellenabbau habe man durch Pensenschwankungen realisiert, sagt Pulver: «Es ist nicht so, dass es in Bern arbeitslose Lehrer gibt.»

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