18. Oktober 2020

Schulreformen verstärken Chancenungleichheit

Dass die nichtakademischen Berufe von manchen Akademikereltern zu wenig gewürdigt werden, ist zweifellos richtig. Wo ich als langjährige Berufsschullehrerin widersprechen muss: «Bildung für alle» ist nicht nur auf dem akademischen Weg zu erlangen. Gerade in der Schweiz mit ihrem qualitativ hochstehenden und durchlässigen dualen Berufsbildungssystem ist eine Berufslehre der «Königsweg» zu vielen weiterführenden Möglichkeiten. Auch für diesen Weg werden gute schulische Grundlagen vorausgesetzt. Dafür hätte die Volksschule zu sorgen, und in neun Schuljahren wäre dies auch für Kinder mit weniger guten familiären Bedingungen möglich.

NZZaS, 18.10. Leserbrief von Marianne Wüthrich

Hier liegt das Problem. Denn die Schulreformen der letzten Jahrzehnte verstärken die Chancenungleichheit erheblich. Besonders gravierende Folgen für Kinder, die zu Hause wenig gefördert werden können, hat das Konzept des Lehrplan 21. Gerade sie brauchten einen geführten Klassenunterricht. Mit «selbstorganisiertem Lernen» vermögen die vielen Kompetenz-Bröckchen in ihren Köpfen nicht zu einem strukturierten Ganzen zusammenzuwachsen. Die Volksschule steht in der Pflicht, allen Kindern die Grundlagen für eine gute Bildung zu ermöglichen. In diesem Sinn kann Bildung nicht überschätzt werden.

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