Wenn in einer Schulklasse lediglich die Hälfte der Schülerinnen und Schüler eine Lehrstelle findet, dann lässt das aufhorchen. Passiert ist das in diesem Schuljahr in Zuchwil. Über die Hälfte der Jugendlichen der Klassen der Sek B hat dort in diesem Herbst nach den Sommerferien keine berufliche Grundausbildung angefangen, das gab der Zuchwiler Schuldirektor Stephan Hug im September an einer Sitzung des Gemeinderates bekannt. Und er mahnte: «Den Sek-B-Schülern fehlt eine Lobby». Kantonsweit liegt die Zahl zwar etwas tiefer, rund ein Drittel der Jugendlichen aus der Sek B hat in diesem Jahr laut Angaben der Verwaltung keine Lehrstelle gefunden. Trotzdem verfolge man das Ziel, diese Zahl in Zukunft weiter zu reduzieren.
"Den Sek-B-Schülern fehlt eine Lobby" - Schwierigkeiten bei der Stellensuche, Solothurner Zeitung, 12.10. von Rebekka Balzarini
Anschlusslösungen, aber keine Lehrverträge
Vor welchen Problemen die Jugendlichen der Sek B
stehen, erklärt Stephan Hug in einem Gespräch, an dem auch Barbara Weibel
Schoch, die Schulleiterin des Oberstufenzentrums Zuchwil, teilnimmt. «Es wird
von Jahr zu Jahr schwieriger, die Jugendlichen aus den Sek-B-Klassen direkt in der Lehre unterzubringen», so Hug. «Und das darf nicht sein. Unser
Ziel darf nicht sein, dass die Mehrheit der Schulabgänger der Sek B ein
Überbrückungsjahr einschieben muss.»
Möglichkeiten für Praktika oder andere
Anschlussmöglichkeiten gibt es im Kanton verschiedene: Das
Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) in Olten etwa oder das Brückenjahr «Startpunkt
Wallierhof». Diese Angebote seien für die Jugendlichen nur zweite Option,
betont Weibel Schoch. «Wenn ein Kind über das BVJ zu einer Berufslehre kommt,
ist das sicher ein Gewinn», sagt sie. Nur: «Im Grundsatz wollen die Kinder nach
der 3. Sek aber eine Lehre machen. Sie bewerben sich und merken dann plötzlich,
dass sie nicht erwünscht sind.» Denn obwohl im Kanton, gerade in der Industrie,
häufig Lehrstellen offen bleiben, sind die Schülerinnen und Schüler der Sek B
für die Unternehmen keine Wunschkandidaten. «Die Unternehmen stürzen sich auf
die Schülerinnen und Schüler der Sek E», erzählt Hug. «Bei den Schülerinnen und
Schülern aus der Sek B hören wir oft das Argument, dass es für eine Berufslehre
schulisch nicht reicht».
Die schulischen Anforderungen seien in den letzten
Jahren gestiegen, so der Schuldirektor. Deshalb sei es aus schulischer Sicht
wünschenswert, dass Unternehmen vermehrt berufliche Grundausbildungen anbieten
würden. Das sind 2-jährige Berufslehren, die sich vor allem an Jugendliche
richten, die praktisch begabt sind. Diese berufliche Grundbildung führt zum
eidgenössischen Berufsattest EBA, einem in der Schweiz anerkannten Abschluss.
«Nach zwei Jahren erlebt man häufig, dass den Jugendlichen der Knopf aufgeht
und sie eine Berufslehre anhängen können, die zum eidgenössischen
Fähigkeitszeugnis führt», sagt Hug.
Segregation schadet der Motivation
Kurzfristig gibt es im Kanton verschiedene
Lösungen, um Jugendlichen zu helfen, eine Lehrstelle zu finden. Unter anderem
finden sie auf der «Berufswahlplattform» einem Projekt der kantonalen Berufs-
Studien- und Laufbahnberatung zur Verminderung von Jugendarbeitslosigkeit
Hilfe, oder bei dem Case Management Berufsbildung, das ebenfalls vom Kanton
angeboten wird. Zusätzlich kommt in diesem Schuljahr ein Angebot für
Lehrstellencoaching und Lehrstellenvermittlung des Kantonal-Solothurnischen
Gewerbeverbands (kgv) in Zusammenarbeit mit dem Kanton dazu. Diese Angebote seien für die Jugendlichen hilfreich, betonen Hug und Weibel
Schoch. Allerdings sind diese laut dem Schuldirektor und der Schulleiterin
lediglich dazu da, um die Symptome, nicht die Ursache der Probleme der
Schülerinnen und Schüler der Sek B zu bekämpfen: Die Segregation der Kinder in
der sechsten Klasse.
«Bis in die 6. Klasse sehen wir jeweils, dass die
Leistungen unterschiedlich sind. Aber die Diskrepanz ist nicht so hoch, wie sie
sich nach einigen Jahren zwischen den Kindern der Sek B, E und P
herauskristallisiert», sagt Hug. Als Beispiel dafür führt er die welschen
Kantone und das Tessin an. Diese kennen die Segregation in der Oberstufe nicht,
stattdessen gibt es in den Klassen für die verschiedenen Fächer
unterschiedliche Leistungsniveaus. Trotzdem haben die Schüler des untersten
Leistungsniveaus aus diesen Kantonen bei der Überprüfung der Grundkompetenzen
im Schuljahr 2017/18 im Schnitt besser abgeschnitten als die Schüler der
meisten Kantone aus der Deutschschweiz.
Um die Segregation in der Oberstufe aufzuheben,
bräuchte es aber Veränderungen, die auf politischer Ebene angestossen werden.
Und damit Politikerinnen und Politiker, welche die Situation der Kinder in der
Sek B kennen. «In den politischen Gremien sitzen aber meisten Eltern, deren
Kinder in die Sek E oder P gehen, und nicht in die Sek B», erklärt Hug. «Das
meine ich damit, wenn ich sage, dass den Sek-B-Schülern eine Lobby fehlt.»
"Trotzdem haben die Schüler des untersten Leistungsniveaus aus diesen Kantonen bei der Überprüfung der Grundkompetenzen im Schuljahr 2017/18 im Schnitt besser abgeschnitten als die Schüler der meisten Kantone aus der Deutschschweiz." Diese Aussage ist heikel, da ja die schwächsten Schüler bei uns integriert sind. Es ist offen, ob diese Schüler bei einer Segregation in Kleinklassen nicht bessere Leistungen bringen würden.
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